Oberhausen. In der südosttürkischen Stadt Mersin haben die rechten “Grauen Wölfe“ die Kommunalwahlen mit 31,9 Prozent gewonnen – ausgerechnet im zehnjährigen Jubiläumsjahr des Bestehens der Städtepartnerschaft mit Oberhausen. Wie soll die Stadtspitze nun damit umgehen? Nun wurde in Oberhausen diskutiert.

Die Ergebnisse der Kommunalwahlen in der Türkei sorgen für Unruhe im hiesigen Rathaus: In Oberhausens Partnerstadt Mersin siegte mit 31,9 Prozent die äußerst rechte „Partei der Nationalistischen Bewegung“ (MHP), bekannt als „Graue Wölfe“. In Deutschland werden ihre Anhänger wegen rassistischer und antisemitischer Tendenzen vom Verfassungsschutz beobachtet, zahlreiche Straftaten werden ihnen zugeschrieben.

Im Ältestenrat, dem Zusammentreffen der Fraktionsspitzen, wurde nun diskutiert, welche Auswirkungen der überraschende Wahlausgang ausgerechnet im Jubiläumsjahr zum zehnjährigen Bestehen der Städtefreundschaft zwischen Oberhausen und der südosttürkischen Hafenstadt haben kann. Schließlich sind zum Geburtstag der Partnerschaft viele gemeinsame Veranstaltungen geplant. Einhellige Meinung der Parteien: Die Städtepartnerschaft soll davon unberührt bleiben.

Mit viel Fingerspitzengefühl

So sieht Oberbürgermeister Klaus Wehling keinen Anlass dafür, durch politische Zeichen des Protestes die gewachsene Freundschaft zu gefährden. „Durch unsere Partnerschaft sollen sich ja die Menschen aus beiden Städten besser kennenlernen, nicht unbedingt die Amtsträger. Wir wollen keine geplante Veranstaltung absagen, denn so würden wir ja alle sich hier engagierenden Bürger bestrafen“, sagte Wehling der WAZ. Geplant seien etwa ein großes Kulturfest mit türkischen Akteuren in Oberhausen und eine Ausstellung mit einem berühmten türkischen Künstler aus Mersin. Kulturdezernent Apostolos Tsalastras hält nichts davon, bei Besuchen nun öffentlich allgemeine Kritik an dem Wahlentscheid zugunsten der „Grauen Wölfe“ zu äußern. „Wenn uns allerdings konkrete Dinge auffallen, die nicht hinnehmbar sind, dann werden wir das auch klar benennen.“

Kommentar von Ruşen Tayfur

Den Machern der Städtepartnerschaft stehen schwierige Zeiten bevor. Es gilt, einen Kulturaustausch zu feiern, der selbst nach über 50 Jahren türkischer Einwanderung dringend notwendig und deshalb kostbar ist und gleichzeitig den offiziellen Stellen jener Stadt aus dem Weg zu gehen, mit der so lange erfolgreich zusammengearbeitet wurde. Und das alles, ohne die Kurden, Juden und Aleviten in unserer Stadt zu beleidigen, gegen die sich die Ideologie der „Grauen Wölfe“ richtet. Das ist kein Opportunismus, sondern die einzige Art und Weise, mit dieser Situation umzugehen. Würde man den Rassisten von der MHP ins Gesicht sagen, was man von ihnen hält, würden die Beziehungen abreißen. Was wäre damit erreicht?

Die Oberhausener Ratspolitiker argumentieren ähnlich. „Das ist eine Freundschaft zwischen den Bürgern und nicht zwischen den Oberbürgermeistern“, sagt SPD-Fraktionschef Wolfgang Große Brömer. „Diese gute Zusammenarbeit möchten wir durch eine Überreaktion auf gar keinen Fall gefährden. Damit würden wir nur die Menschen bestrafen.“ Das Wahlergebnis müsse man akzeptieren. Dennoch könne man, „in partnerschaftlichen Gesprächen mit diplomatischem Geschick eine Sensibilität gegen Nationalismus und gegen nationalistische Strömungen“ durchscheinen lassen – mit „viel, viel, viel Fingerspitzengefühl“.

"Alles sollte wie geplant stattfinden"

„Als Lehrmeister würde ich jetzt nicht auftreten“, sagt CDU-Fraktionschef Daniel Schranz, „das würden wir auch nicht wollen.“ Auch er spricht sich für eine Fortsetzung dessen ein, was bisher im Jugend- und Kulturbereich erreicht wurde, jedoch ohne den undemokratischen Kräften eine Plattform zu bieten. Yusuf Karaçelik, Fraktionschef der Linken, formuliert es ganz deutlich: „Alles sollte wie geplant stattfinden – aber ohne offizielle Einladungen.“