Oberhausen. . Der Oberhausener Theater-Intendant Peter Carp spricht im Interview über das Verstummen der Klagen über Finanznot, über neue Regisseure und neue Produktionen an seinem Haus. Er und wünscht sich mehr Neugierde auf Neues, Fremdes und Anderes. Und freut sich immer noch über ein Weihnachtsgeschenk aus der „New York Times“.
Für eine Weile war Peter Carp als Intendant fürs Düsseldorfer Schauspielhaus im Gespräch, das heimliche Staatstheater Nordrhein-Westfalens. Doch dann platzte die Findungskommission durch einen Indiskretionsskandal. Und so macht Carp weiter unverdrossen Theater in Oberhausen. In seinem Intendantenbüro können Besucher in einem Büchlein mit Aberdutzenden von Schottenkaro-Mustern diverser Clans blättern – ein dezenter Hinweis darauf, dass Sparzwang Kreativität nicht ausschließt. Jens Dirksen sprach mit Carp.
Ihr Etat ist auf 8 Millionen Euro gesunken und wird bis 2015 weiter schrumpfen. Anderen Theatern im Revier geht es ähnlich. Trotzdem hört man keine Klagen mehr.
Peter Carp: Vielleicht hat man gemerkt, dass das Klagen, trotz aller guten Gründe, nichts bringt. Unsere Stadt weiß sehr gut, dass sie sich über Kultur und Bildung profilieren kann. Es gibt Leute, die sagen, Kultur ist das Einzige, was die Stadt noch retten kann. Ausgerechnet in der Heiligabend-Ausgabe hat die „New York Times“ Oberhausen und Detroit miteinander verglichen, wenn man das liest, ist es in Oberhausen paradiesisch. Beide Städte setzen ja sehr auf Kultur, und in der „New York Times“ stand: „Die Zukunft des mit Preisen ausgezeichneten Theaters Oberhausen steht nicht in Frage.“ Das war natürlich ein schönes Weihnachtsgeschenk!
Wenn Sie auf Ihre fünf Jahre zurückblicken, was fällt Ihnen auf?
Carp: Man kann hier sehr frei arbeiten, die Politik mischt sich nicht ein. Es gibt ein großes Vertrauen, auch von Seiten des Publikums. Sicher auch, weil wir ein erfolgreiches Theater sind. Und gute Zahlen machen. Wir fühlen uns sehr gewollt hier.
Wie ist denn Ihre Auslastungsquote? Oder was meinten Sie mit den guten Zahlen?
Carp: Wir haben rund 60 000 Besucher, das ist für eine Stadt mit 213 000 Einwohnern sehr viel. Zum Vergleich: da müsste das Hamburger Schauspielhaus über 500 000 Zuschauer im Jahr haben. Weit über ein Drittel unserer Besucher sind übrigens Kinder und Jugendliche.
Schmerzt es Sie eigentlich nicht, wenn so ein Regisseur wie Herbert Fritsch sich erst hier in Oberhausen mit seinen Inszenierungen einen guten Namen macht – und dann an andere, größere Theater weiterzieht?
Carp: Ach nein, das mit Herbert Fritsch freut mich. Wir haben schon begonnen miteinander zu arbeiten, als ich noch in Luzern war, und viele tolle Ideen umgesetzt, das war so eine Art Dauer-Workshop für uns beide und das Ensemble. Und dann hat er uns ja mit seinen Inszenierungen auch zum Berliner Theatertreffen gebracht und auf internationale Festivals. Wir haben beide davon profitiert. Wir suchen uns dafür jetzt „neue Herbert Fritsche“.
Aha?
Carp: Natürlich. Da ist man immer auf der Suche. Zwei neue hoch interessante Regisseur zeigen wir jetzt Anfang Februar: Den australischen Regisseur Simon Stone haben wir beim Ibsen-Festival in Norwegen kennengelernt, mit seiner Turbo-Fassung der „Wildente“, damit hat er dann auch auf dem Holland Festival den Publikumspreis gewonnen. Das ist ein Name, den werden Sie sich merken! Stone inszeniert bei uns die „Orestie“ des Aischylos; das wird ein Abenteuer, die Premiere ist am 1. Februar.
Und?
Carp: Und Bram Jansen, ein junger Niederländer, der mit seiner Diplom-Inszenierung von Strindbergs „Fräulein Julie“ großes Aufsehen erregt hat und einen Theaterpreis beim Festival Baltic House in St. Petersburg gewonnen hat. Er probt bei uns im Malersaal seine erste deutsche Inszenierung, Schnitzlers Komödie „Anatol“, die Premiere ist am 7. Februar.
Eine große Show zeigen wir mit „Gottes kleiner Krieger“, einem Bollywood-Musical, nach dem gleichnamigen Roman des indischen Autors Kiran Nagarkar, das wir mit dem Theater Freiburg produziert haben, allein könnten wir das so aufwendig gar nicht stemmen, ca. 50 Leute auf der Bühne! Indische Musik und Tanz! Das wird allerdings nur sechs Mal zu sehen sein. Diese Premiere ist am 19. Februar
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Sind solche Koproduktionen ein Ausweg aus der Finanzmisere?
Carp: Einer von vielen. Wir bringen zusammen mit dem Theater im schweizerischen Winterthur einen Text von Thomas Hürlimann zur Uraufführung, „Das Gartenhaus“. Im Gegensatz zu dem Bollywood-Musical ist „Das Gartenhaus“ eher ein Kammerspiel und sehr Textkonzentriert. Mir ging es schon lange darum, ein Stück zu machen, in dem ältere Menschen im Mittelpunkt stehen. Bei uns im Ensemble haben wir den wunderbaren Hartmut Stanke, aus meiner Zeit in der Schweiz kenne ich die nicht minder wunderbare Margot Gödrös und es war schon lange mein Wunsch diese beiden als Paar auf der Bühne zusammen zu bringen. „Das Gartenhaus“ hat am 15. Februar in der Schweiz Premiere und dann im März bei uns.
Wir reden viel von Stücken, Inszenierungen und Regisseuren – lebt das Theater nicht eigentlich von seinen Schauspielern?
Carp: Oh ja, die Menschen hier wollen ihre Schauspieler auf der Bühne wiedererkennen, und zu meiner großen Freude können wir das Ensemble gut halten, auch wenn die Qualitäten weit über die Stadt hinaus bekannt sind.
Wie viele Köpfe zählt Ihr Ensemble?
Carp: Um die 20. Und wegen des richtig guten Ensembles kommen die guten Regisseure, auch Herbert Fritsch kam nicht nur wegen der Schönheit dieser Stadt.
Was wollen Sie erreichen?
Carp: In Deutschland besteht im Theater manchmal die Gefahr, dass das Publikum glaubt, es muss jetzt eine Schulstunde besuchen. Dabei sollten die Menschen neugierig sein und erfreut. Man sollte wacher und kommunikationsbedürftiger aus dem Theater herauskommen als man hineingegangen ist. Deshalb braucht es ja auch eine Gastronomie, um über das Theater zu reden.
Heißt das, dass Sie das „Falstaff“ in Ihrem Hause erweitern wollen?
Carp: Nein, das wird wohl nicht nötig sein. Aber ich kann nur alle herzlich einladen, nach der Vorstellung dort hinzukommen. Oft sind ja auch die Schauspieler da, die wollen auch reden, die kann man ansprechen. Das Theater soll ein Ort der Kommunikation sein, so viele von diesen Orten haben wir ja nicht mehr.
Was ist das Besondere an einem Theater wie Oberhausen?
Carp: Hier zählt allein das Ergebnis. Das ist sehr sportlich. Wenn die Inszenierung gut ist, ist es egal, wer der Autor ist, Elfriede Jelinek läuft dann genauso gut wie Shakespeare. Das heißt aber auch: Man kann sich auf nichts ausruhen, es gibt keine sicheren Bänke wie in anderen Städten.
Und wenn Sie einen Wunsch frei hätten?
Carp: Hätte ich hier und in der Umgebung gern noch mehr Neugier auf das Unbekannte, das Andere, auf neue Namen und Internationales – hier vor Ort und in der Umgebung.
Warum?
Carp: Weil ich sicher bin, dass wir diese Neugier befriedigen können. Und weil man etwas für sein Leben bekommt. Selbst wenn man sich ärgert, ist es immer noch besser als immer dasselbe zu erleben.