Die New York Times gehört zu den einflussreichsten, meist gelesenen und zitierten Zeitungen der Welt. Und so ist es denn wohl eine Ehre, wenn auch eine vielleicht zweifelhafte, wenn die große Times fast eine ganze Seite ihrer internationalen Ausgabe vom 25. Dezember einer vergleichsweise kleinen deutschen Stadt widmet: Oberhausen, „eine aufpolierte, aber doch kränkelnde Stadt“, wie die Times-Reportin Melissa Eddy schreibt.
Warum interessiert sich die New York Times für Oberhausen? Nun, seit einer Bertelsmannstudie aus dem Jahr 2011 hängt Oberhausen als Kommune mit zwischenzeitlich höchster Pro-Kopf-Verschuldung Deutschlands ein eher uncharmanter Beiname an. „Deutschlands Detroit“ wird diese Stadt oft genannt.
Detroit ging 2013 pleite
Detroit, ehemals florierende und wirtschaftsstarke US-Industriestadt, leidet seit Jahren massiv unter der Krise in der Automobilindustrie. Die Arbeitslosigkeit ist hoch und die Verschuldung so gewaltig, dass die Stadt im Juli 2013 Konkurs anmelden musste. Etwas, das in Deutschland zwar nicht möglich ist - Kommunen können hierzulande nicht pleite gehen - doch der Berlin-Korrespondentin der internationalen Times-Ausgabe liefert es den Grund, zum Jahresende einmal zu fragen: „Wie ist es, Deutschlands Detroit zu sein?“
Erst einmal ist es in Oberhausen nicht so schlecht, wie offenbar gedacht. Eddy schreibt von gut gepflegten Parkanlagen, von Art-Deco-Gebäuden, die noch genutzt würden, von der Marktstraße, die zwar unter dem Leerstand vieler Geschäfte leide, deren Schaufenster aber nicht „abgewrackt“ seien, und erzählt im Zeitraffer vom Industriewandel, der Oberhausen mit einem „weit klaffenden Budgetloch“ zurückgelassen habe.
Dass Oberhausen trotz hoher Pro-Kopf-Verschuldung an seinen kulturellen Einrichtungen festhält, ringt der Autorin die meisten Zeilen ab: „Es gibt eine Grenze, wie weit [Stadtkämmerer] Tsalastras gehen würde. Oberhausens preisgekröntes Stadttheater kostet die Stadt rund 8 Millionen Euro im Jahr [...], doch seine Tage sind nicht gezählt. ‘Etwa die Hälfte der Theaterbesucher sind Kinder’, sagt Tsalastras mit Stolz. [...] Herr Tsalastras glaubt, kulturelle Institutionen wie das Theater, das Museum, die städtische Musikschule und die Internationalen Kurzfilmtage zu erhalten, das sei wichtig, um Oberhausen attraktiv für kreative, junge Städter zu machen. Sie seien der Schlüssel zu Oberhausens Zukunft.“ Beispielhaft nennt Eddy den Bahnhofsturm, den der Verein Kitev modernisiert hat. „Solche Kunstprojekte zu haben, das ist sehr wichtig für eine Stadt wie Oberhausen [...]“, lässt sie Pendlerin Maria Jans-Wenstrup abschließend sagen. „Das hat mit einem Gefühl von Stolz zu tun.“