Oberhausen. In Oberhausen war an der sozialdemokratischen Basis die Große Koalition besonders umstritten. Doch beim näheren Blick in den ausgehandelten Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot scheinen die SPD’ler vor Ort ihren Frieden mit den neuen politischen Inhalten unter CDU-Kanzlerin Angela Merkel gemacht zu haben.
Sigmar Gabriel muss sich keine Sorgen machen – wenn man davon ausgeht, dass das Meinungsbild der Oberhausener Sozialdemokraten in Sachen Koalitionspapier nicht völlig anders ist als im Rest der Republik. Eine ausreichend breite Mehrheit wird mit Ja stimmen. Jedenfalls ist dies die Stimmung, die bei der Versammlung am Montagabend im Haus Union herrschte.
Zugleich kann man die Versammlung als Signal verstehen, dass die Oberhausener Parteispitze künftig stärker auf Beteiligung, Diskurs und Offenheit setzen will als das in der Vergangenheit der Fall war. Ein erster Beleg: die Medien waren zugelassen. Eine Ausnahme bei den bundesweit hundertfach stattfindenden Versammlungen dieser Art.
15 Millionen Euro für Oberhausen
Gut 120 Sozialdemokraten, zum überwiegenden Teil im gehobenen Alter, nutzten die Gelegenheit, sich von Parteichef und NRW-Bauminister Michael Groschek sowie Apostolos Tsalastras, Kämmerer der Stadt Oberhausen, aber an dem Abend als Mitglied des SPD-Landesvorstands anwesend, informieren zu lassen und Fragen zu stellen.
Klar, dass die beiden Parteifunktionäre in ihren Reden für die Große Koalition warben: mehr Geld für Städte, mehr für Bildung, mehr für Infrastruktur, dazu der Mindestlohn, die Möglichkeit der Rente ab 63 Jahren für Langzeitversicherte. Versprechungen und Wohltaten, die bei den Mitgliedern gut ankamen.
Doch sie hatten auch viele Fragen: Wie sieht es mit der sicheren Finanzierung aus? Wird am Ende wieder nur Otto-Normal-Steuerzahler zur Kasse gebeten? Was kann in vier Regierungsjahren überhaupt umgesetzt werden? Gibt es ein Ausstiegsszenario, wenn CDU und CSU vertragsbrüchig werden? Profitiert bei der nächsten Wahl nicht doch nur wieder Merkel, während die SPD chancenlos bleibt und um ihre Zukunft fürchten muss?
Beifall und Bauchschmerzen
Beifall gab’s für die kritischen Fragen – mehr Beifall aber für Ankündigungen, dem Koalitionspapier zuzustimmen, auch wenn es einige nur mit Bauchschmerzen tun werden.
Ein bayerischer SPD-Vertrag?
Die Befürworter des schwarz-roten Bündnisses unter einer CDU-Kanzlerin Angela Merkel spielten am Montagabend natürlich auch ihre Trumpfkarten aus: Die schrittweise Einführung des bundesweiten Mindestlohns für alle abhängig Beschäftigten und deutliche soziale Verbesserungen für Leiharbeitskräfte. Ganz viel sei erreicht worden, ist nun die Oberhausener Parteiführung überzeugt.
SPD-Chef Michael Groschek, der in der Arbeitsgruppe „Verkehr und Bauen“ den Koalitionsvertrag mitverhandelte: „Die CSU hat bei den Verhandlungen genau gewusst, was sie wollte. Die CDU wusste nur, dass sie Merkel wollte und keine Steuererhöhungen. Die SPD hat dagegen ganz viele inhaltliche Punkte durchgesetzt.“
Für ihn ist es denn auch „ein bayerisch gefärbter SPD-Koalitionsvertrag“. Selbstverständlich ist ihm klar, dass die Mitglieder keine ganz einfache Entscheidung zu treffen haben. Sie trügen eine große Mitverantwortung. Doch haben sie eine Alternative, als mit Ja zu stimmen? Groschek: „Entweder gibt es Schwarz-Grün oder es gibt Neuwahlen. Wie werden die dann wohl ausgehen?“
Die Argumente und Antworten der Befürworter erschienen den Mitgliedern offensichtlich mehr als bedenkenswert: „Im Koalitionspapier gibt es eine Prioritätenliste und die besagt, dass ganz viele Punkte auch umgesetzt werden. Dafür besteht kein Finanzierungsvorbehalt“, machte Groschek klar. Dies gelte für soziale Belange ebenso wie für Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen, sei es bei der Straße, der Schiene oder den Wasserwegen.
Tsalastras schätzt, dass allein für die Stadt Oberhausen am Ende eine Entlastung von rund 15 Millionen Euro im Jahr herauskommen könnte. Das ist offensichtlich für viele kein zu verachtender Betrag angesichts der mehr als angespannten Haushaltssituation der Stadt Oberhausen.