Oberhausen. Wenn Minderjährige zu verwahrlosen drohen oder aus anderen Gründen aus ihrer Familie genommen werden müssen, helfen Pflegefamilien, die Krisensituationen mit den KIndern und Jugendlichen zu meistern

„Unsere Kinder haben alle einen Rucksack auf“, sagt Aggi Bojek und meint damit kein leichtes Reisegepäck. Im Gegenteil. Kinder, die vom Pflegekinderdienst der Caritas im Auftrag des Jugendamtes in Pflegefamilien wie den Bojeks vermittelt werden, haben eine Geschichte, an der sie vielfach schwer tragen: Sie sind Kinder drogenabhängiger, psychisch kranker oder schlicht überforderter Eltern. Kinder, die aus den verschiedensten Gründen bei ihren leiblichen Eltern kein Zuhause finden können, wie es für ihr Wohlergehen nötig ist. Aktuell sind 275 Kinder in Oberhausen in Pflegefamilien untergebracht.

Manchmal, wenn es darum geht, kurzfristige familiäre Krisensituationen zu überbrücken, können die Kinder schon bald wieder zu den eigenen Eltern zurückzukehren. Häufig dauert es aber ein paar Monate, bis sich die familiäre Situation wieder stabilisiert hat oder eine andere Lösung gefunden ist. In den allermeisten Fällen wird die Pflegefamilie sogar zum dauerhaften Zuhause: 240 Kinder leben derzeit in „Vollzeitpflege“, verteilt auf 200 Oberhausener Familien.

Betreuung von Pflegekindern seit acht Jahren

Das Ehepaar Bojek hat schon alle Arten von familiären Problemlagen kennengelernt, seit es sich entschloss, Kindern aus schwierigen Verhältnissen die Sicherheit und Geborgenheit zu geben, die sie brauchen. Das war vor acht Jahren, als das jüngste ihrer drei leiblichen Kinder flügge wurde und sich anschickte, das Haus zu verlassen. Freunde der Familie hatten schon länger Pflegekinder bei sich aufgenommen, weshalb den Bojeks die Vorstellung nicht ganz fremd war. Ein Dauerpflegekind sollte es sein, ein Mädchen. Soweit die Vorstellung. Das Ehepaar meldete sich beim Jugendamt und besuchte ein Vorbereitungsseminar. Dann dauerte es fast ein Jahr, bis jemand vom Pflegekinderdienst anrief: „Nicht für ein Mädchen wurde ein Zuhause gesucht, sondern für zwei Jungs, fünf und sieben Jahre alt, die damals im Heim untergebracht waren “, erzählt Aggi Bojek.

Es folgte eine Anbahnungsphase, um zu sehen, ob „die Chemie stimmt“: Besuche im Heim, dann Besuche der Kinder bei den Bojeks: „Irgendwann haben die Jungs von selbst gesagt, dass sie gerne bei uns einziehen würden.“ Inzwischen sind die beiden 13 und 15 Jahre alt – und auch schon mal schwierig, pubertierende Jugendliche eben. Dass sie sich aber wirklich angenommen fühlen, zeigt die Tatsache, dass sie ihren alten Familiennamen ablegen möchten – um zu heißen, wie die Familie, in der sie sich daheim fühlen: Bojek.

Dauer-Pflegetochter in Absprache mit leiblicher Familie

Eine Dauer-Pflegetochter kam später noch hinzu: Die inzwischen Sechsjährige pendelte erst mehrfach zwischen ihrer Herkunfts- und der Pflegefamilie hin und her, bis feststand, dass es keine Rückkehr in ihre Familie geben kann: „Wir haben dann einen Antrag gestellt, dass wir sie behalten dürfen – was auch die Großmutter des Kindes sehr befürwortet hat“, erzählt Aggi Bojek. Auch das ist wichtig: Die leiblichen Familien sind schließlich immer mit im Boot, wenn’s um wichtige Entscheidungen geht: „Das kann durchaus schon mal schwierig sein. Aber man muss die Herkunftsfamilie akzeptieren und respektieren. Damit macht man es den Kindern leichter.“ Als langjährige Tagespflegemutter ist sie auch nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen.

Bereut haben die Bojeks ihre Entscheidung, fremden Kindern ein neues Zuhause zu geben, übrigens nie, auch wenn der Familienalltag mitunter reichlich stressig ist.

Aktuell haben sie zusätzlich zwei Kinder in Bereitschaftspflege: einen vier Monate alten Säugling und ein sechsjähriges Mädchen.