Oberhausen. Jeder sechste Heranwachsende war bereits einmal Opfer von Mobbing im Internet. Die Netz-Hetze ist ein Problem an allen weiterführenden Schulen. Die Schikanen können die Schüler ein Leben lang verfolgen.
Jeder sechste Schüler ist schon einmal im Internet schikaniert worden. Das ist das alarmierende Ergebnis einer aktuellen Studie, das Oberhausener Pädagogen aus ihrer Erfahrung heraus als realistisch einordnen.
„Das Mobbing im Internet auf Facebook oder anderen Plattformen ist ein Problem an allen weiterführenden Schulen. Es geht bereits in der fünften und sechsten Klasse los“, sagt Michael von Tettau, Schulleiter des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums und Sprecher der Oberhausener Gymnasien.
Heimlich beim Duschen gefilmt
Die Formen der Hetze seien dabei ganz unterschiedlich. Die Bandbreite reiche von wüsten Beleidigungen und Unterstellungen bis hin zum heimlichen Videomitschnitt vom Duschgang des Mitschülers, der ungefragt ins Internet gestellt wird – und den bereits am nächsten Schultag die ganze Klasse gesehen hat. „Dummejungenstreiche gab es schon immer. Aber wenn sie im Internet plötzlich für jedermann sichtbar sind, haben sie eine ganz neue Dimension“, ergänzt Detlef Sieg, Schulleiter des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums.
9350 Personen für Mobbing-Studie befragt
Das Bündnis gegen Cybermobbing hat in ganz Deutschland 9350 Schüler, Eltern und Lehrer zu ihren Erfahrungen mit Mobbing im Internet interviewt.
17 Prozent der Schüler gaben dabei an, bereits selbst einmal schikaniert worden zu sein. In der Gruppe der 14- bis 16-Jährigen waren es sogar 20 Prozent.
Welche gravierenden Folgen dies für die Opfer haben kann, skizziert Georg Zilly: „Mobbing stellt eine abgrundtiefe Abwertung dar. Wenn das nicht gestoppt wird, besteht die Gefahr, dass sich das Opfer in die Rolle reindrücken lässt und sich auch selber kleinmacht. Das kann ewig nachhängen“, warnt der Leiter der Psychologischen Beratungsstelle der Stadt.
Dort sind bislang nur wenige Opfer von Mobbing im Internet vorstellig geworden. Denn: „Es ist eine beschämende Situation für die Schüler. Sie wollen oftmals nicht petzen, weil sie dann noch schlimmere Ausgrenzungen befürchten“, so Zilly. „Die Dunkelziffer wird also recht groß sein.“ In den Fällen, die jedoch an Eltern oder Lehrer getragen wurden – weil beispielsweise ein gemobbter Schüler unbedingt die Schule wechseln wollte – hätten die Schulen rigoros reagiert.
Opfern den Rücken stärken
„Wir versuchen dann dem Opfer den Rücken zu stärken und uns ganz klar zu positionieren“, berichtet Schulleiter von Tettau. Den Tätern drohe eine Disziplinarkonferenz und mitunter auch die Versetzung in eine andere Klasse. In einem Extremfall, in dem Anfeindungen gegen türkische Mitschüler im Netz auftauchten, wurde sogar ein Elternabend einberufen. „Die Eltern wissen häufig auch gar nicht, was ihre Kinder im Internet so alles anstellen“, kritisiert von Tettau.
Auch Achim Brandt, Beratungslehrer an der Friedrich-Ebert-Realschule, führt die Zunahme des Internet-Mobbings nicht allein auf Charakterschwächen der Schüler zurück. „Es ist wie bei einem kleinen Kind, dem man eine geladene Pistole in die Hand drückt, und das dann unbekümmert den Abzug betätigt.“ Trotz Aufklärungsarbeit im Unterricht seien den Heranwachsenden die Konsequenzen des Mobbings meist nicht bewusst.