Oberhausen. . Angesichts der Skandal in China um verseuchte Baby-Milch kaufen asiatische Händler in Deutschland die Regale leer – und verticken Marken-Babymilch nach Asien. Ein lukratives Geschäft – doch die Eltern hier suchen verzweifelt nach der richtigen Milch für ihr Baby.

Der Anruf ihrer Tochter alarmierte Jutta Schiffer: Die Säuglingsmilch Aptamil pre sei ausverkauft, sie könne in ganz Oberhausen kein Paket für ihren wenige Monate alten Louis mehr finden. Die Großmutter machte sich sofort mit dem Wagen auf den Weg und klapperte eine Drogerie nach der anderen ab. Dabei wurde sie zum Glück doch noch fündig, erfuhr aber auch: „Chinesische Eltern kaufen den Markt leer – deshalb werden die Produkte inzwischen rationalisiert.“

Umstellung ist nicht so leicht möglich

Besonders betroffen ist die Aptamil-Säuglingsmilch von Milupa. Eltern, die dieses Produkt gewählt haben, greifen inzwischen zu unkonventionellen Mitteln. „Eine Bekannte meiner Tochter bestellte die Milch für ihr Kind in Süddeutschland“, weiß Jutta Schiffer. Denn ist das Baby einmal an ein Produkt gewöhnt, sei eine Umstellung nicht mehr so leicht möglich.

„Die Zusammensetzung ist immer etwas anders, das kann bei den Kleinen schnell zu Verdauungsproblemen führen“, weiß die 58-Jährige. Dies habe ihre Tochter bei Louis nicht riskieren wollen. „Er hat gerade erst seine Dreimonatskoliken überstanden.“

Eine „extrem hohe Nachfrage"

dm-Geschäftsführer Christoph Werner bestätigt auf Nachfrage: „Seit einiger Zeit verzeichnen wir auf dem Markt eine extrem hohe Nachfrage nach den Säuglingsnahrungen der Marke Aptamil, die der Hersteller Milupa derzeit nicht ausreichend bedienen kann.“ Dies habe zur Folge, dass Aptamil nicht mehr in allen Märkten verfügbar sei. „Um die Bedürfnisse unserer Kunden befriedigen zu können, haben wir uns entschieden, die Abgabe von Aptamil-Produkten zu beschränken“, so Werner weiter. Soll heißen: Verkauft werden an jeden Kunden höchstens zwei Pakete.

Und tatsächlich: Seit Ende 2012 verzeichnet die Milupa GmbH Friedrichsdorf eine stetig steigende Nachfrage. „Allein bei Aptamil verzeichneten wir einen Anstieg um 30 Prozent“, bestätigt Unternehmenssprecher Stefan Stohl. Rund 1000 Anfragen von asiatischen Händlern seien bei Milupa eingegangen. Kein Wunder, sind doch viele chinesische Eltern durch die letzten Babymilch-Skandale im eigenen Land höchst verunsichert. Da Milupa aber überhaupt nicht nach Asien exportiert, kaufen findige Chinesen in Deutschland die Regale leer und bedienen als Kleinexporteure den asiatischen Markt.

Vorerst kein Export nach China

„Wir finden unsere Produkte massenhaft auf Taobao, dem chinesischen Gegenstück zur Internet-Börse Ebay“, sagt Stohl. Die Rationalisierung von „dm“ sei da eine gute Notlösung, um zu verhindern, dass deutsche Eltern leer ausgehen. Milupa selbst steuerte mit einer Produktionsumschichtung und -erhöhung um 30 Prozent entgegen. „Aus unserem Werk in Fulda können wir jetzt deutlich mehr liefern.“

Ein eigener Export nach China kommt für Milupa vorerst aber nicht in Frage. „Wir müssten die Rezeptur den chinesischen Bestimmungen anpassen und dafür einen eigenen Produktionszweig aufbauen“, führt Stohl aus.

„Durch die chinesische Beschriftung wäre außerdem gar nicht mehr deutlich, dass dieses Produkt eben nicht aus China stammt,“ erklärt er weiter. Womit fraglich wäre, ob es überhaupt noch gekauft würde. Außerdem ist in China bereits die Milupa-Schwestergesellschaft Dumex tätig: „Und die bietet gute Produkte an.“

Babymilch in China mit giftiger Industrie-Chemikalie vermischt

Den letzten großen Babymilch-Skandal in China hatte es erst Ende Juni 2012 gegeben. Der staatliche Großproduzent Yili räumte damals ein, dass seine Babymilch Quecksilber enthielt, ein hochgiftiges Schwermetall, das schon in geringen Mengen Gehirn, Nieren, Leber schädigen kann. Mehr als 300.000 Babys erkrankten, sechs von ihnen starben.

Dabei war das Unternehmen bereits im Jahr 2008 durch die Milchpanscherei mit Melamin aufgefallen. Die Milch war in China wohl mit der giftigen Industrie-Chemikalie vermischt worden, um einen höheren Eiweißgehalt der Babynahrung vorzutäuschen. Damals erlitten tausende Babys schwere Nierenschäden.

Weshalb gerade die Anfangsmilch Aptamil pre – die mit rund 12 Euro pro 800 g Packung über dem Preisniveau der Konkurrenz liegt (600 g Alete Anfangsmilch etwa gibt’s für rund 8 Euro) – in China so begehrt ist, erklärt Milupa-Sprecher Stefan Stohl: „Das haben wir vor allem der ersten und bis heute größten deutschen Muttermilchforschung unseres Unternehmens zu verdanken.“ Wissenschaftlich abgesichert in Kombination mit dem Etikett „made in Germany“ – das überzeuge die chinesischen Eltern.