Oberhausen.

Die Zahl der Sitzenbleiber an Oberhausener Schulen hat sich in den vergangenen fünf Jahren weiter verringert. Machten Sitzenbleiber im Schuljahr 2007/08 noch einen Anteil von 3,1 Prozent an allen Schülern aus, sind es aktuell nur noch 1,9 Prozent.

Die neu gewählte rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen will sogar noch weiter gehen und das Wiederholen einer Klasse durch individuelle Förderung komplett überflüssig machen. An Oberhausener Schulen wird über diesen Vorstoß und das Für und Wider des Sitzenbleibens diskutiert. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft verlangt kleinere Klassen.

„Schule kann nicht alles auffangen“

Michael von Tettau, Schulleiter des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums, tritt für eine differenzierte Sichtweise ein. „Die Philosophie, dass das Sitzenbleiben das Grundübel ist, teile ich nicht.“ Zwar solle die Versetzung eines Kindes der Regelfall sein. Immer könne das jedoch nicht garantiert werden. „Schule kann nicht alles auffangen.“ Wenn etwa das Kind Hilfen nicht annimmt oder es nicht genug Rückhalt aus der Familie gibt, stoßen auch Lehrer an Grenzen. „Lehrkräfte kommen mit bis zu 200 Schülern in Berührung“, gibt der Direktor zu Bedenken.

Ganz zentral stellt von Tettau deshalb die Forderung nach Sozialarbeitern auch für Gymnasien auf. „Um die individuelle Förderung umzusetzen, die in der Politik als Schlagwort benutzt wird, müssen die Schulen auch entsprechend personell ausgestattet werden.“

„Nichtversetzung bring nur kurzfristig eine Verbesserung der Noten“

Kein Freund des Sitzenbleibens ist Rolf Winkler, Direktor des Heinrich-Heine-Gymnasiums: „Natürlich ist die Versuchung da, Probleme durch eine Nichtversetzung eines Schülers zu lösen. Aus meiner Erfahrung bringt das aber nur kurzfristig eine Verbesserung der Noten.“

Vielmehr würden die meisten Schüler, die eine Klasse wiederholen müssen, später erneut Schwierigkeiten haben. Zudem sei es auch aus psychologischer Sicht fragwürdig. „Das Sitzenbleiben wird von den Kindern als persönliche Schmach und Demütigung empfunden.“ Darum plädiert Winkler für eine stärkere Unterstützung lernschwacher Schüler. „Wir machen das etwa durch Hausaufgabenbetreuung oder Förder-Arbeitsgemeinschaften.“

Dem Direktor des Heinrich-Heine Gymnasiums ist aber auch klar, dass im Einzelfall trotz aller Anstrengungen kein Weg an der Nichtversetzung vorbei führt. „Man muss dann vielleicht auch schauen, ob das Gymnasium noch die richtige Schulform für den jeweiligen Schüler ist.“ Am Heine belief sich die Zahl der Wiederholer zuletzt auf 2 bis 3 Prozent.

„Bei uns ist das Sitzenbleiben nicht vorgesehen“, erzählt Hermann Dietsch, Leiter der Gesamtschule Weierheide. „Unsere Schulform ist darauf ausgerichtet.“ So würden von mehr als 600 Schülern gerade einmal 10 bis 15 nicht versetzt werden.

Um diese Marke noch weiter zu senken, setzt Dietsch auf drei Säulen. „Zum einen ist das die Förderung im Unterricht, die zweitens durch spezielle Förderkurse ergänzt wird.“ Der dritte Punkt sind Grund- und Erweiterungskurse. „Je nach Leistungsstand, werden die Schüler zwischen diesen beiden Kursen verschoben.“

GEW fordert kleinere Klassen

Cornelia Schiemanowski, Lehrerin und Vorsitzende des Ortsverbandes der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), will die Zahl der Sitzenbleiber ebenfalls weiter reduzieren. Dafür brauche es aber auch das entsprechende Personal an den Schulen. „Bei bis zu 30 Kindern pro Klasse gibt es ganz unterschiedliche Begabungen und Bedürfnisse. Man kann von den Lehrern nicht erwarten, dass sie in jedem Fall die Schwierigkeiten lösen können.“

Deswegen sollte es nach Schiemanowskis Ansicht kleinere Klassen geben. „Zudem muss mehr in die Fortbildung der Lehrer investiert werden.“ Sie sollen so in die Lage versetzt werden, die Probleme der Kinder besser zu verstehen.