Oberhausen.
Das Buch mit seinen beinahe 800 Seiten wiegt so schwer wie sein Titel: „Macht und Verantwortung“. Der Ruhrbaron Paul Reusch hatte beides als langjähriger Vorstandsvorsitzender der GHH. Dabei war der gebürtige Württemberger eine umstrittene Persönlichkeit.
Die sehr unterschiedlichen Darstellungen Reuschs in der Geschichtsschreibung reizten den Historiker Peter Langer so sehr, dass er auszog in die Welt der Archive, um dort zwölf Jahre lang Material über den Ruhrbaron zu sammeln. Vor dem Hintergrund geschichtlich aufreibender wie grauenvoller Zeiten, der jungen Weimarer Republik und des folgenden Nationalsozialismus schildert Langer Reuschs Rolle als historische Figur.
Faschismus kommt nicht über Nacht
Denn der Ruhrbaron, als mächtiger Schwerindustrieller, spielte mit in der Liga der mächtigsten Männer des Landes. Und das von Oberhausen aus. Seinen Wohnsitz hatte Reusch unmittelbar vor seiner Ernennung zum Vorstandsvorsitzenden an die Straße Lipperheid 3 verlegt – mitten ins Industriegebiet.
Warum dieser Mann, der Bergbau- und Hüttenwesen studiert und eine so steile Karriere hingelegt hatte, die Gemüter spaltete, schilderte Langer Kurz während der Buchvorstellung im Rheinischen Industriemuseum. Er erinnerte an einen Spruch, der sich in der alten Gedenkhalle fand: „Der Faschismus kommt nicht über Nacht, er wird vom Kapital gemacht.“ Langer: „Über diesem Spruch hing ein großes Bild von Reusch.“ Das andere Bild, das in der Köpfen der Leute existierte, war das des knorrigen Schwerindustriellen, des konsequenten Gegners des Nationalsozialismus. Diese Legende von Paul Reusch widerlegt Langer in seinem Buch.
Kein Widerstandskämpfer
Für Langer formte sich während seiner Recherchen das Bild eines Mannes, der ein „konsequenter Gegner der parlamentarischen Demokratie war“. „Er lehnte auch jegliche Kontakte zu Gewerkschaften ab“, sagt Langer.
Reuschs Rolle während des Dritten Reiches stellt sich nach Langer auch nicht als die des Widerstandskämpfers dar. Langer: „Als Person hat er zum Dritten Reich Distanz gehalten, er hat sich zum Beispiel nie neben einem Gauleiter fotografieren lassen.“
Die Aufrüstung mitgetragen
Doch bei der Art, wie er den Konzern führte, sei keine Distanz zur Naziherrschaft erkennbar gewesen. „Reusch hat die Aufrüstung voll mitgetragen. Ich wüsste auch nicht, dass er etwas gegen die aggressive auf Angriff ausgerichtete Außenpolitik Hitlers gehabt hätte“, sagt Langer. Was den Historiker besonders erschreckte, der Mann habe auch nach 1945 rückblickend keine Nachdenklichkeit erkennen lassen.