Oberhausen. Familienhilfe vermittelt Kinder in schwierigen Lebenslagen zu Trainer Frank Hollenberg.Taiwan Do soll den Kindern zu mehr Ruhe und Konzentration im Alltag verhelfen.

Mucksmäuschenstill liegen die Kinder auf dem Boden, schließen die Augen und falten ihre Hände über dem Bauch. „Seid mal so leise, dass ihr euren Atem nicht mehr hört“, weist der Trainer die Kinder an. Und sie folgen seinen klaren Anweisungen. Das rotgelockte Mädchen stellt ihr Kichern ein und der dunkelhaarige Junge unterlässt seine Schnarchgeräusche.

Frank Hollenberg trainiert Taiwan Do, eine Mischung aus Kampfkunst und Gesundheitslehre. Laute Kampfschreie und kontrollierte Bewegungen mit Händen und Füßen, die an Sportarten wie zum Beispiel Judo erinnern, vermischen sich mit leisen Atem- und Meditationsübungen. Mit Kampfsport habe das aber wenig zu tun, merkt Hollenberg an. Zwei Drittel seiner insgesamt zwölf Schützlinge zwischen sechs und 14 Jahren sind hier, weil sie unter anderem unter einer Konzentration- oder einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) leiden. Die Kinder vermittelt Sozialpädagogin Marlis Ahmed. Sie arbeitet für die Familienhilfe des Jugendamtes. Wenn sie auf Eltern trifft, deren Kinder mit Konzentrationsstörungen kämpfen und deswegen eine spezielle Erziehung benötigen, schlägt die Sozialpädagogin die Sportschule in Lirich vor.

Atemübungen zur Besänftigung

„Atemübungen besänftigen hektische Kinder, so dass sie ausgeglichener werden“, beschreibt Frank Hollenberg einen Teil der Gesundheitslehre. Mit seinem Training will der 44-Jährige die äußere und innere Haltung der Kinder stärken. „Die Kinder haben zu Hause oft keine Struktur, wie zum Beispiel regelmäßige Essenszeiten. Hier bekommen sie klare Ankerpunkte. Die Kinder einfach nur mal machen lassen, bringt gar nichts.“

Sein Training beginnt bereits, wenn sich die Kleinen umziehen. Durch einheitliche Kleidung möchte der Trainer das Selbstbewusstsein stärken. So schlüpfen die Kinder in ihre schwarzen Trainingsanzüge, mit einem weißen Drachenkopf, der auf dem Rücken prangt. „Dadurch wird das Gruppenempfinden gestärkt. Die Kinder geraten so nicht unter Druck, die neusten Klamottenmarken zu präsentieren.“ Durch das Training solle außerdem die Freude an der Bewegung verstärkt werden. Zu häufig säßen Kinder nur noch vor dem Fernseher oder dem Computer, wenn sie von der Schule kommen.

Auch die Kinder selber finden Gefallen an der gesundheitsfördernden Kampfkunst. Der zehnjährige Xiang hatte eigentlich keine Lust, aber er wurde überzeugt: „Die lauten Kampfschreie gefallen mir.“ Und auch das jüngste Mitglied, die sechsjährige Michelle, kommt gerne zum Training: „Ich mag die Handbewegungen.“

Kinder legen unglaubliche Disziplin an den Tag

Bei diesen Worten lächelt Frank Hollenberg. Er ist stolz auf seine zwölf Schützlinge. Was sein Training bewirkt, wird ihm immer wieder vor Augen geführt. Ein Mädchen, dass durch Türenknallen und Kreischattacken auffiel, verharrt plötzlich still auf ihrer Matte. Ein anderes brachte ihre streitenden Eltern durch Atemübungen zum Aufhören und der schüchterne Junge stellt sich heute selbstbewusst vor die Trainingsgruppe und zeigt Übungen.

Auch Marlies Ahmed weiß seine Arbeit zu schätzen: „Die Kinder legen eine unglaubliche Disziplin an den Tag. Die Struktur tut ihnen gut. Sie powern sich aus und wirken nach dem Training ausgeglichener.“

Dass es Frank Hollenberg schafft, die Kinder im Zaum zu halten, sei eigentlich ganz einfach. Sein Geheimnis: „Die Kinder müssen merken, dass ich ernst meine, was ich sage.“ Und so bringt er die aufgedrehten Kinder dazu, sich mucksmäuschenstill auf die Trainingsmatte zu legen.