Oberhausen. . Viele Schüler können die Diktatur nicht mehr von der Demokratie unterscheiden oder wissen nicht, wie die Wahlen in der DDR abgehalten wurden. Das geht aus einer Studie der Freien Universität Berlin hervor. Daran beteiligt waren auch Oberhausener Schulen.
Es klingt unfassbar: Eine Studie, die die Freie Universität Berlin nach einer Befragung von 5500 Schülern in NRW, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Bayern erarbeitet hat, belegt, dass unter Schülern der neunten und zehnten Klasse auf dem Gebiet der neueren Geschichte der Bundesrepublik Deutschland riesige Lücken klaffen. Befragt wurden unter anderen Schüler aus Oberhausen. Laut der Studie können sie eine Demokratie nicht mehr von einer Diktatur unterscheiden oder glauben, in der DDR wären demokratische Wahlen abgehalten worden.
„Wenn das wirklich stimmt, ist das eine bedenkliche Entwicklung, die man sehr ernst nehmen muss“, findet Dr. Peter Langer, der ehemalige Schulleiter der Heinrich-Böll-Gesamtschule. „Allerdings decken sich die Ergebnisse der Studie überhaupt nicht mit meiner Erfahrung aus 40 Jahren Lehrertätigkeit.“ Der Geschichtslehrer hat in seiner aktiven Zeit immer viel Wert darauf gelegt, dass die Schüler viel die neuere Geschichte der Bundesrepublik lernen. „Dafür bin ich oft kritisiert worden“, erinnert sich der Pädagoge. Eine Erklärung, warum die deutschen Schüler ihre eigene Vergangenheit nicht mehr kennen, hat er momentan nicht. „Ich will da nicht spekulieren, das sind Fragen, die die aktive Lehrergeneration klären muss.“
Cornelia Schiemanowski, Vorsitzende des Oberhausener Verbandes der Bildungsgewerkschaft GEW, vermutet dagegen, wo die plötzliche Geschichtsblindheit herkommen könnte: „Ich denke, das Grundproblem ist die Umstellung der Schulzeit auf G8. Durch das fehlende Jahr ist in vielen Fächern der Stoff verkürzt worden, Inhalte sind nach hinten gekippt. Jetzt muss die Schulzeitverkürzung genauestens untersucht werden.“
Verkürzung ist nicht Schuld
Denn gerade Geschichte sei ein elementares Fach, seine Vernachlässigung schade auch der Gesellschaft. Schiemanowski: „Nur der Blick zurück ermöglicht auch den Blick nach vorn.“
Peter Langer dagegen glaubt nicht, dass die Schulzeitverkürzung Schuld an der geschichtlichen Misere ist, die unter deutschen Schülern zu herrschen scheint: „Die Schulzeitverkürzung muss ja momentan für alles herhalten. Meines Wissens nach werden die Inhalte nicht so drastisch gekürzt, dass die Schüler Diktatur und Demokratie nicht mehr auseinanderhalten können.“
Welche Oberhausener Schulen genau in die Studie einfließen, ist allerdings nicht bekannt. „Wir haben den Einrichtungen versprochen, dass ihre Teilnahme geheim bleibt“, erklärt Dagmar Schulze Heuling von der Freien Universität Berlin, die an der Studie mitgearbeitet hat. Die Schulformen darf sie allerdings verraten: Es waren ein Gymnasium, eine Gesamtschule und eine Hauptschule.