Oberhausen. Immer häufiger gehen strafunmündige Kinder in Oberhausen auf Diebestour. Nicht selten kommen die jungen Diebe aus Ost-Europa und werden von Familienangehörigen zum Klauen erzogen. Für Polizei, Justiz und Jugendamt ist es fast unmöglich geworden, die jungen Täter aus dem Teufelskreis zu befreien.
Einige klauen im Vorbeigehen Geldbörsen, andere tarnen sich als Spendensammler oder lenken ihre Opfer zum Beispiel mit einem Klemmbrett ab und stehlen dann Bargeld, Handys oder EC-Karten. In jüngster Zeit treten in Oberhausen wieder vermehrt sogenannte „Klau-Kids“ in Erscheinung: Mädchen und Jungen, die auf Diebstähle spezialisiert sind. Die Polizei ist in solchen Fällen meist machtlos, denn unter 14-Jährige sind stets schuldunfähig, können für ihre Taten nicht bestraft werden. Was tun?
Von Verwandten gezielt geschickt
„Die Kinder, die in Oberhausen aufgegriffen werden, kommen meist von auswärts“, sagt Polizeisprecher Axel Deitermann. In den Polizeiberichten ist in diesem Zusammenhang oft die Rede von Rumänien oder Süd-Ost-Europa. Viele von den Kindern würden von Verwandten gezielt auf Klau-Tour nach Deutschland geschickt. „Es gibt auch Oberhausener Kinder, die regelmäßig klauen. Die werden dann aber meist nicht vor Ort, sondern in anderen Städten tätig.“
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Wer beim Diebstahl erwischt wird, muss erst einmal mit auf die Wache. Dort versuchen die Beamten die Personalien der Mädchen und Jungen festzustellen – meist ohne Erfolg. „Bei der Befragung kommt selten etwas rum“, weiß Deitermann. Die meisten Kinder schweigen beharrlich, Papiere haben sie keine dabei.
„Selbst wenn wir einen Namen haben, hilft uns das oft nicht weiter, weil die Kinder nicht ordentlich angemeldet sind. Wenn wir eine Adresse hätten, würden wir die Kinder ihren Eltern zuführen“, erläutert der Polizeisprecher. Doch die Eltern sind im Fall der Klaukinder meist nicht auszumachen. Mit gescheiterten Dieben wolle zudem niemand etwas zu tun haben: „Die Kinder sind eigentlich eher als Werkzeuge zu betrachten“, ist Deitermann überzeugt.
Kinder-Diebe werden ans Jugendamt übergeben
Wird ein „Klaukind“ auf frischer Tat ertappt, bestehe kaum eine andere Möglichkeit, als es dem Jugendamt zu übergeben. Meist landeten die Kinder dann in einer sogenannten Kurzzeitunterbringungsgruppe. „Wenn sich die Mitarbeiter dreimal umgedreht haben, sind die Kinder aber meist weg“, weiß Björn Ladeur, stellvertretender Leiter des Fachbereichs Kinder, Jugend und Familie.
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Die Mädchen und Jungen seien für solche Situationen geschult: „Sie kennen sich sehr gut aus, haben ein Handy dabei und wissen genau, in welchen Bus oder Zug sie steigen müssen, um zu verschwinden.“ Festhalten könne man die Minderjährigen gegen ihren Willen nicht; selbst auf Anweisung des Gerichts könnten sie nur dann in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht werden, wenn sie selbst- und fremdgefährdend handeln. „Uns sind die Hände gebunden“, bedauert Ladeur.
„Wir können in solchen Fällen nur die Eltern ansprechen und unsere Hilfe anbieten“ – doch oft sei nicht einmal zu ermitteln, wo genau die Mädchen und Jungen herkommen. „Die Kinder gehören meist zu vagabundierenden Familien und sind darauf abgerichtet worden zu klauen“, sagt Ladeur. Wenn sie 14 Jahre alt würden und die Grenze zur Strafmündigkeit überschritten, tauchten sie erst einmal nicht mehr als Diebe auf. „Dann rücken andere Kinder nach“.
Ausgenutzt und ausgebeutet
„Nach dem Gesetz sind Kinder unter 14 Jahren nicht strafmündig“, erläutert Richter Berthold Bendorf. Weil sie im Fall ihrer Ergreifung keine Strafen zu befürchten haben, würden die Kinder regelrecht rekrutiert und von kriminellen Banden überregional eingesetzt.
Die häufig aus Waisenhäusern stammenden Mädchen und Jungen würden in der Regel von Erwachsenen ausgenutzt und ausgebeutet. „Wenn sie erwischt werden, werden sie meist schlimm verprügelt“, weiß der Richter. Er ist überzeugt: „Die Kinder sind weniger Täter als Opfer. Ziel muss es daher sein, die Hintermänner zu erwischen.“