Es gibt die großen Umbrüche in der Geschichte einer Stadt, wichtige Daten, Ereignisse. Aber wie verändert sich eigentlich der Alltag, das Leben vor Ort in Laufe der Zeit? Vor 150 Jahren wurde Alt-Oberhausen gegründet und immerhin die letzten gut 50 Jahre hat Dieter Baum bewusst miterlebt.
Der 58-Jährige, von Beruf Stadtplaner bei der Verwaltung, hat anlässlich des Stadtjubiläums in diesem Jahr und für das neue Stadtgeschichtsbuch (siehe unten) sein Viertel in den Blick genommen. Dieter Baum ist geradezu ideal für einen solchen Rückblick, ist er doch im Schladviertel geboren – „und da nie weggekommen“, wie er selbst sagt.
Viel Heidelandschaft
Schlad, das ist der Stadtteil im Südosten des Stadtbezirks Alt-Oberhausen. Falkenstein-, Mellinghofer-, Wehr-, Danziger- und Mülheimer Straße grenzen das Gebiet ein, in dem Dieter Baum 1953 geboren wurde und an der Straßburger Straße aufgewachsen ist.
Prägt den Ortsteil heute eine weitgehend geschlossene Wohnbebauung, so hatte sich noch bis zum Zweiten Weltkrieg viel von der früheren Heidelandschaft mit einzelnen Bauernhöfen erhalten. Eine alte Stadtkarte aus den 1930er Jahren zeigt die dünne Besiedlung. Nach dem Krieg wurde hier Wohnraum geschaffen, aber selbst in den 50er Jahren „erinnere ich mich noch an große Freiflächen, auf denen wir als Kinder gespielt haben“, sagt Dieter Baum. Sein eigener Nachwuchs, der ebenfalls im Schladviertel aufgewachsen ist, sei in dieser Beziehung schon viel eingeschränkter gewesen.
Alles zu Fuß gemacht
Ein besonderes Merkmal des Schlad-Stadtteils aus der Sicht von Dieter Baum: Die vielen kleinen Geschäfte, die in seiner Kindheit und Jugend dort noch ansässig waren. „In jedem fünften Haus gab es damals einen Laden“, berichtet Dieter Baum, „Metzger, Bäcker, Milchgeschäfte, Gaststätten, Tabakläden, Schreibwarengeschäfte, Kartoffel- und Obsthändler. Alles war sehr spezialisiert und jede Familie hatte ihre Vorlieben. Die eine holte ihre Milch nur bei einem bestimmten Händler, die anderen gingen immer nur zu einem anderen.“
Fotos zeigen 150 Jahre Oberhausen
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Die kleinteilige Händlerstruktur direkt vor der Haustür hatte zur Folge: „Wir haben alles zu Fuß gemacht“, sagt Dieter Baum, „wir sind auch bis in die Innenstadt zu Fuß gelaufen“. Das Auto nehmen, das die Familie durchaus hatte – undenkbar. „Das wurde mal am Wochenende für Ausflüge benutzt, aber nicht für die Besorgung des täglichen Bedarfs“, macht Dieter Baum einen deutlichen Unterschied zum Leben im Jahr 2012 aus.
Die beiden Straßenbahnlinien, die in seiner Kindheit am Schladviertel vorbeizuckelten, hatten für Dieter Baum als Verkehrsmittel keine große Bedeutung, „und Busse gab es damals nicht“. Heute fährt die Buslinie 976 durchs Schladviertel.
Zwei Kinos in direkter Nähe
Wie sah es mit den Freizeitvergnügungen in den 50er und 60er Jahren im Schladviertel aus? „Als Kinder haben wir uns das Gebiet mit Roller und Fahrrad erfahren“, blickt Dieter Baum zurück, „an der Ecke Tannenbergstraße/Ebertstraße gab es einen Spielplatz mit einer großen Rollerbahn, das war klasse“. Oder „wir fuhren zum Hauptbahnhof, um dort die Züge zu beobachten. Dafür brauchte man allerdings ein paar Pfennige für die Bahnsteigkarte, ohne die man ja dort nicht hinkam“.
Nachmittags hätten die Blagen in den Straßen gespielt, „die waren natürlich längst nicht so zugeparkt wie heute“. Ein Ausflugsziel war der Kaisergarten, „aber das war damals in Oberhausen auch das einzige“, sagt Dieter Baum. „In der Beziehung hat sich Vieles verändert. Und die allgemeine Motorisierung hat dazu geführt, das es viel mehr Freizeitangebote gibt, die man nutzen kann“.
Ein nahe gelegenes Freizeitangebot waren noch in seiner Jugend die vielen Kinos in der Stadt, 24 insgesamt. Zwei davon waren im Schladviertel, das „Istra“ an der Karl-Steinhauer-Straße und die „Filmburg“ an der Falkensteinstraße. „Wir haben die Vorstellungen am Sonntagvormittag besucht“, erinnert sich Dieter Baum.
In den 1970er Jahren schuf die Stadt ein Angebot zur Erholung und zur sportlichen Ertüchtigung: das Ostbad. 2009 wurde es bereits abgerissen, „das ist schon komisch, das in einer Generation zu erleben“, sagt Dieter Baum, „die Schließung des Bades hat im Viertel viele Emotionen hervorgerufen“.
Das Vertraute, die Nachbarschaft
Heute, findet Dieter Baum, sieht das Schladviertel äußerlich zwar an vielen Stellen noch so aus wie früher, habe sich die Kulisse nicht verändert, aber das Innere schon. So gibt’s das Haus an der Dieckerstraße 140 noch, wo früher eine Meldestelle der Stadt war, aber die ist schon lange nicht mehr hier.
Und in den Häusern wohnen vielfach ältere Leute. Die Altersstruktur im Schladviertel sei relativ hoch, so Dieter Baum. Aber: „Ich wohne gerne hier. Es ist recht ruhig, wir wohnen nahe der Innenstadt.“
Was aber vor allem wichtig ist: Das Vertraute, die Nachbarschaft, das Dorf in der Großstadt, aus dem sich die Bewohner heute allerdings mehr hinausbegeben müssen für Einkauf, Freizeit, Arbeit, als sie das noch vor 50/40 Jahren machen mussten.
Geschichte im Schuber
Dieter Baum gehört zum Kreis derjenigen, die einen Beitrag zum neuen Stadtgeschichtsbuch verfasst haben. Rund zwanzig Autoren haben unter der Leitung von Peter Langer, Vorsitzender der Historischen Gesellschaft Oberhausen, und Magnus Dellwig, Mitarbeiter der Stadtkanzlei, an dem Werk mitgewirkt.
Der Rückblick anlässlich des 150-jährigen Jubiläums der Gemeindegründung umfasst vier Bände. Die werden edel im Schuber im Münsteraner Aschendorff-Verlag erscheinen. Ab September werden die Bücher zu kaufen sein (für rund 50 Euro für alle vier Bände, einzeln für rund 15 Euro). Das Redaktionsteam präsentiert das Stadtgeschichtsbuch, das das alte Heimatbuch von 1964 offiziell ablösen wird, Anfang September.
Eine umfassende, historisch genaue, analysierende, aber gleichzeitig unterhaltsame und gut lesbare Chronik zu schreiben, ist das Anliegen des Teams um Peter Langer und Magnus Dellwig. Zum harten Kern des Redaktionsteams zählen außerdem Otto Dickau, Leiter des Stadtarchivs, Burkhard Zeppenfeld, Leiter des Industriemuseums, Klaus Oberschewen von der VHS sowie Sascha Concas und Ingo Mersmann.
Die Beiträge in den vier Bänden reichen von der Siedlung und Archäologie in der Ur- und Frühgeschichte des Oberhausener Raumes bis zu den Themen Sport, Soziokultur oder Strukturwandel der Gegenwart.
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