Oberhausen. . Carolin (11) hat Trisomie 21. Die Eltern entschieden sich bewusst für das Kind und wollen nun anderen Mut machen. Das Mädchen besucht eine Regelschule - und wischt dort Vorurteile beiseite.

Sie ist ein fröhliches, aufgeschlossenes Mädchen mit einem ansteckenden Lachen. Carolin Schick hat das Down-Syndrom – und nimmt es selbst mit Humor. „Das Leben ist halt kein Ponyhof“, meint die Elfjährige schmunzelnd. Und schließlich hätte es ja noch schlimmer kommen können, etwa wenn sie als Junge geboren wäre: „Das wäre ja wohl noch schöner gewesen!“

Enttäuscht von Reaktion des Arztes

Dass ihr Kind das Down-Syndrom hat, erfuhren die Eltern bereits vor der Geburt. „Die Diagnose war natürlich ein Schock“, erinnert sich Vater Karl Aldenhoff. Noch schlimmer aber sei die Reaktion des Arztes gewesen, der der Familie die Diagnose überbrachte. „Er wollte sofort einen Termin für den Schwangerschaftsabbruch machen und reagierte ziemlich brüsk, als wir Bedenkzeit haben wollten.“ Die werdenden Eltern aber wollten nichts übereilen: „Wir haben in Ruhe darüber nachgedacht, ob wir der Situation gewachsen sind und uns dann für das Kind entschieden. Bei ihrer Geburt war Carolin willkommen.“

Bereits kurz nach der Entbindung musste Carolin wegen eines lebensbedrohlichen Herzfehlers operiert werden. Als Kind musste sie regelmäßig zum Arzt, hatte Termine bei Logopäden und Physiotherapeuten. „Manche meinen, wir wären den schwereren Weg gegangen. Ich finde, es war der einfachere“, sagt Aldenhoff. Familien, die sich für eine Abtreibung entschieden, würden beim Anblick von Menschen mit Down-Syndrom immer wieder daran erinnert. „Ich denke, sie haben es langfristig schwerer als wir. Wir haben ein wunderbares Kind!“

Früher war Carolin im integrativen Kindergarten, heute besucht sie eine Hauptschule. „Es war nicht immer einfach und wir mussten oft darum kämpfen, dass man sie akzeptiert.“

Gekämpft für Besuch der Regelschule

Viele Lehrer hätten Bedenken geäußert, die Aufnahme an der Regelschule sei anfangs abgelehnt worden. „Aber Carolin hat das Recht, eine normale Schule zu besuchen“, so der Vater. „Wenn sie eine Förderschule besuchen würde, hätte sie kaum Kontakt zu Nicht-Behinderten.“ In der Regelschule werde sie gefordert, würde selbstständiger, offener, könne sich besser entwickeln. Inzwischen habe Carolin „viele Vorurteile beiseite gewischt. Sie macht es den Lehrern aber einfach, passt sich an und kommt gut mit.“

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Viele Menschen seien noch immer der Überzeugung, dass Kinder mit Down-Syndrom nicht lernfähig seien. „Das stimmt aber nicht! Caro braucht nur etwas länger.“ In der Schule nehme sie aktiv am Unterricht teil, schreibe die gleichen Arbeiten wie ihre Mitschüler: „Wenn sie nicht mitkommt und nur vier von fünf Aufgabenblättern schafft, werden nur die bewertet. Die macht sie dann aber auch fast fehlerlos.“

Am Unterricht hat Carolin viel Freude, die Liste ihrer Lieblingsfächer ist lang. „Deutsch, Geschichte, Englisch, Religion, Bio und Kunst. Mathe mag ich auch, aber das kann ich nicht so gut“, verrät die Fünftklässlerin. Tatsächlich ist sie in diesem Fach noch auf dem Lernstand einer Grundschülerin. „Das kann sich aber ändern. Man hat uns auch gesagt, dass Kinder mit Down-Syndrom nie lesen lernen“, erklärt der Vater mit einem Blick auf Carolins gut gefülltes Bücherregal: „Heute liest sie gerne und gut.“

„Man traut ihnen viel zu wenig zu“

In der Schule hilft eine Integrationshelferin der Elfjährigen, unterstützt sie etwa bei der Organisation ihres Schultags und der Orientierung vor Ort. „Sie informiert uns auch über bevorstehende Arbeiten, teilt uns alles Wichtige mit.“

Zwar braucht Carolin in einigen Dingen Hilfe, manches könne sie dafür besser als andere: „Sie kann sich sehr lange intensiv mit etwas beschäftigen, sich besser konzentrieren“ – nur nicht auf zwei Dinge gleichzeitig. Um eine Angewohnheit mag mancher Carolins Eltern vielleicht gar beneiden: „Caro mag keine Unordnung. Sie räumt immer alles auf, ohne dass man sie dazu auffordern muss“, erzählt der Vater schmunzelnd. „Man traut Kindern mit Down-Syndrom in der Regel viel zu wenig zu.“

Zusammen mit anderen Eltern machen sich Andrea Schick und Karl Aldenhoff dafür stark, dass geistig behinderte Menschen gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. „Wir wollen anderen Eltern Mut machen.“

Unterricht mit Unterstützung

„Dass Kinder mit Down-Syndrom die Regelschule besuchen, ist aus meiner Erfahrung eher selten“, erklärt Gera Frericks, Leiterin der offenen Hilfen der Lebenshilfe. Dennoch erkennt sie einen positiven Trend: „Es scheint mir, als nehme die Zahl der Kinder, die die Regelschule besuchen, langsam zu.“ Ob der Besuch einer normalen Grund- und weiterführenden Schule möglich ist, sei von von der Ausprägung des Down-Syndroms abhängig.

„Es gibt beispielsweise Kinder, die nicht sprechen können und am Unterricht nicht aktiv teilnehmen können, andere dagegen sind fit genug.“ In der Schule können Kinder mit Down-Syndrom während der Unterrichtsstunden von Integrationshelfern unterstützt werden. Dieser ist kein „Zweitlehrer“, sondern assistiert dem Schüler im Unterricht. Ziel des Einsatzes einer Integrationshilfe ist es, die Selbstständigkeit des Kindes zu fördern.