Dortmund. Etwa 350.000 Zwangsarbeiter gab es allein in NRW während des Dritten Reiches. Zu Millionen verschleppten die Nazis die verachteten Polen, Russen und Ukrainer nach Deutschland. Eine Ausstellung in Dortmund erzählt jetzt von den Schicksalen der Zwangsarbeiter.

1942 glauben die Juden im Getto von Lodz, dass sie jetzt nur noch überleben können, wenn sie sich den Nazis unentbehrlich machen. So steht in ihrer, man kann es nicht anders sagen, PR-Mappe vom Mai jenen Jahres: „31 Gettowerkstätten sind in Betrieb ... Es wurden angefertigt für die Wehrmacht 276.000 Drillichanzüge, 30.000 Exercieranzüge, 1 Mio Schulterklappen ...“ Und so geht das weiter, Seite um Seite, Überlebenswillens Leistungsbilanz.

Genutzt hat es nichts.

Von 260.000 Juden hier überlebten 7000. Und diese verzweifelte Werbeschrift, die derzeit in einer Vitrine in Dortmunds Industriemuseum Zeche Zollern liegt: Bestandteil der internationalen Wanderausstellung über Zwangsarbeit im 3. Reich. Sie war schon in Berlin und in Moskau und wird hier in Dortmund am Sonntag eröffnet.

„Nicht Krieg oder Ökonomie hält das Thema zusammen, sondern der Rassismus“, sagt Rikola-Gunnar Lüttgenau, einer der Kuratoren: „Juden zu töten, die für die Wehrmacht arbeiten, entscheidet der Rassismus. Die Babys von ukrainischen Zwangsarbeiterinnen zu töten, entscheidet der Rassismus.“ Und der Rassismus entscheidet auch den ökonomischen Aberwitz, Serben zur Zwangsarbeit ins besetzte Norwegen zu bringen; die netten norwegischen Arier mochte man nicht zwingen.

Fotos, Texte und Hörstationen transportieren die Botschaft dieser Ausstellung, es werden eher Schicksale erzählt als Bilanzen gezogen, Zwangsarbeit wird exemplarisch dargestellt und nicht enzyklopädisch. Da steht man fassungslos vor einem Foto vom 12. September 1939 aus Polen, auf dem zu sehen ist, dass zwölf Tage nach Kriegsbeginn (!) bereits die deutschen Arbeitsämter angekommen sind und Arbeitskräfte registrieren – ohne Registrierung keine Lebensmittel.

Freilich wollte man sie zunächst im Osten ausbeuten; erst von 1942 an, als dem Reich die Arbeiter ausgehen, verschleppt man die verachteten Polen, Russen und Ukrainer zu Millionen ins Land. Und wenn sie sterben, sterben sie halt: Da liegen Briefwechsel zwischen Behörden und Firmen, die sich über die Todesraten beschweren – aber niemand ändert was. Zwangsarbeiter aus Westeuropa wurden deutlich besser behandelt.

Für das Ruhrgebiet gibt es „eine Etwa-Zahl von 350.000 Zwangsarbeitern“, sagt Museumsleiter Dirk Zache. Zehntausende bei Krupp in Essen, Zehntausend bei der Hattinger Henrichshütte, 7500 beim Bochumer Verein. „Ein öffentliches Verbrechen“, sagt Kurator Jens-Christian Wagner: „Jede Großstadt war mit Lagern übersät, es gab Zwangsarbeiter beim Bäcker, im Handwerk und auf jedem Hof.“ 620 gab es hier auf Zeche Zollern.