Oberhausen. Im Winter 2010/2011 verunfallte ein Autofahrer auf einer nicht geräumten Oberhausener Straße. Er klagte gegen die Stadt, da diese ihrer Streupflicht nicht nachgekommen sei. Das Landgericht Duisburg gab ihm Recht: Die Stadt muss zahlen. Ein Anwalt sieht nun eine Prozesslawine auf die Stadt zukommen.

Versänke Oberhausen erneut in einen strengen Winter wie 2010 / 2011, könnte auf die Stadt eine Prozesslawine zurollen. Das hält jedenfalls der Oberhausener Volker Wisbar, Fachanwalt für Verkehrsrecht, für denkbar. Denn am Duisburger Landgericht wurde gerade einer der „ersten Fälle entschieden, wo eine arme Kommune wie Oberhausen zahlen muss, weil sie ihrer Streupflicht nicht nachgekommen ist“, sagt Wisbar.

So verurteilte die 4. Zivilkammer die Stadt am 24. November dieses Jahres nicht nur, die Reparaturkosten für das bei einem Glatteisunfall beschädigte Auto des Klägers Günter Trinks (73) zu tragen. Zahlen muss Oberhausen auch den „Höherstufungsschaden“ in der Vollkaskoversicherung sowie den größten Teil der Kosten des Rechtsstreits.

Ausgestiegen und sofort  hingefallen

Der Streit füllt nach beinahe einem Jahr eine dicke Akte, die Kläger Günter Trinks (73) auf den Tisch knallt. Er erzählt, wie es überhaupt zu dem Unfall und schließlich der Klage kam. „Ich war am 18. Dezember, einem Samstag, mit meinem Wagen auf der Jägerstraße in Sterkrade unterwegs. Vor der Kreuzung Wolfstraße wollte ich weiter geradeaus in den Reinekering fahren.“ Die Fahrbahn sei stark verschneit gewesen. Sie war allerdings auch spiegelglatt. Das merkte Trinks, als er, obwohl er langsam und vorsichtig fuhr, plötzlich unaufhaltsam auf einen vor ihm vor dem Kreuzungsbereich bremsenden Wagen zurutschte. Es kam zum Auffahrunfall. Trinks: „Ich bin ausgestiegen und sofort hingefallen, so glatt war es dort.“ An eine Klage gegen die Stadt dachte er in diesem Moment jedoch noch nicht.

Erst als Anwohner Trinks schilderten, dass sich bereits zuvor vier Glatteisunfälle an gleicher Stelle ereignet hatten, wurde er stutzig. Wie Zeugen später auch vor Gericht bekundeten, kam es an diesem 12. Dezember auf dem spiegelglatten - an Samstagen immer stark befahrenen Straßenstück - zu noch einmal fünf, also alles in allem zehn Zusammenstößen. Trinks geht dabei von einer zusätzlichen Dunkelziffer an Unfällen aus, die der Polizei gar nicht gemeldet wurden. Und er sagt: „Obwohl Polizeibeamte die Stadt informierten, wurde nicht gestreut, der Bereich nicht gesperrt oder durch Hinweisschilder gekennzeichnet.“

"Stadt hat Räumpflicht verletzt"

Diese Nachlässigkeit und der Gedanke an den Gesamtschaden aller Unfälle ärgerte ihn. Er zog vor Gericht und bekam dort Recht. Weil, so steht es im Urteil, „die Stadt im konkreten Fall ihre Räumpflicht bei Schnee und Eis an der Unfallstelle verletzt hat“. Das Gericht führt weiter aus, dass selbst ein Straßenstück wie der Unfallbereich an der Jägerstraße, welches als weniger bedeutend und daher nicht der Streupflicht unterliegend eingestuft wird, gestreut werden muss, wenn sich dort eine besondere Gefahrenquelle gebildet hat „und sich durch das Verkehrsaufkommen zeigt, dass diese eine konkrete und nicht zu vernachlässigende Gefahrenquelle bildet“.

Besonders pikant an der Geschichte: Die Streufahrzeuge des städtischen Tochterunternehmens, der Wirtschaftsbetriebe Oberhausen (WBO), „kamen regelmäßig unmittelbar an der Gefahrenstelle vorbei“, denn die Straßen und der Kreuzungsbereich - mit Ausnahme der Jägerstraße bis zum Unfallstück - werden im Streuplan zur Dringlichkeitsstufe I gerechnet. Auch deshalb befand die Kammer: „Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Stadt eine Reaktion nicht zumutbar gewesen wäre.“

Für Trinks Rechtsanwalt Volker Wisbar ist die Entscheidung der Kammer nun zukunftsweisend. „Wir haben in Duisburg ein Urteil erreicht, auf das wir uns bei ähnlichen Verfahren immer beziehen können.“