Oberhausen. . Die meisten Kirchenglocken läuten drei mal am Tag. Für den Oberhausener Pfarrer und Stadtdechant Peter Fabritz ist das “eine uralte Tradition“. Wer die Klänge als Lärmbelästigung empfindet, hat Pech gehabt: Denn als allgemeines Kulturgut sind Glocken von der Lärmschutzverordnung ausgenommen.

Glockengeläut - es gehört zum Leben dazu wie der Wechsel der Jahreszeiten, wie Sonnenauf- oder Untergang. Und auch wenn der Glockenklang nicht bei allen Zeitgenossen gut ankommt: „Als allgemeines Kulturgut sind Glocken von der Lärmschutzverordnung ausgenommen“, sagt Pfarrer und Stadtdechant Peter Fabritz. Es gebe wohl viele Anwohner, die geklagt hätten, „aber meines Wissen nach ist damit noch keiner durchgekommen“.

Glockengeläut ist grundsätzlich also gestattet, gibt es doch eine so genannte Läuteordnung. „Es ist genau festgelegt, zu welchen Tageszeiten geläutet wird und zu welchen Gottesdiensten welche Glocken läuten“, erklärt Fabritz.

Unabhängig von den Gottesdienstzeiten erklingen die meisten Glocken drei Mal am Tag. Fabritz: „Das ist eine uralte Tradition. Das hängt mit dem Angelusgebet morgens um 6, mittags um 12 und abends um 18 Uhr zusammen.“ So soll jeweils an die Geburt Jesu Christi erinnert werden. Dazu gebe es extra ein Gebet, das mit der Botschaft des Engels an Maria beginnt. Fabritz: „Zusätzlich werden drei ,Gegrüßet seist du Maria’ gebetet.“

Ob sich die Gebete denn überhaupt noch in den Tagesrhythmus der Menschen einbauen lassen? „Sicher“, sagt der Pfarrer, „ich habe gestern auf der Treppe zu meiner Wohnung gebetet.“

Erinnerung an Geburt Jesu Christi

Die Glocken erinnern also an die Geburt Jesu Christi, aber die Läutezeiten stammen eigentlich aus Klöstern. „Morgens um sechs Uhr war die Prim das erste Gebet“, sagt Fabritz. Es läute immer nur eine Glocke, die in manchen Gegenden auch Angelusglocke heiße. Aus Rücksicht auf die Anwohner hätten manche Kirchen die Läutezeit morgens von sechs auf sieben Uhr verschoben.

Erklingt die Angelusglocke als Erinnerung an Jesus Geburt, läuten manche Kirchen freitags um 15 Uhr die Totenglocke als Erinnerung an Jesus Tod. „Das könnte ich hier auch einführen“, überlegt Fabritz.

Als besondere Tradition bezeichnet der Stadtdechant das Schweigen der Glocken von Gründonnerstagabend bis Samstagnacht. Auch dabei ginge es darum, an das Sterben von Jesus zu erinnern.

Am Feiertag ertönen alle Glocken

Für alltags gilt: „Ist jemand gestorben, läutet vor der Messe die Totenglocke.“ Vom Klang sei das die tiefste. Vor einer Taufen läuten zwei Glocken. „Ich fand die Regelung in Wattenscheid gut, wo ich als Kaplan gearbeitet habe“, sagt Fabritz. „Dort läuteten zu einer Taufe alle Glocken, um allen Menschen zu sagen, es gibt einen neuen Christen.“

So ist das auch an großen Feiertagen. Da erklingen dann auch alle Glocken. In Herz Jesu in der Stadtmitte, in Peter Fabritz Kirche, sind das fünf.

Natürlich sind die Glocken auch bei ganz besonderen Ereignissen zu hören. „Wenn der Papst stirbt oder der für die Region zuständige Bischof, wird die Totenglocke geläutet“, sagt Fabritz. Gibt es dagegen einen neuen Bischof oder Papst setzen sich alle Glocken in Bewegung. Fabritz: „Da gibt es eine Anweisung vom Bistum, ein neuer Bischof für uns wird immer um 12 Uhr in Essen und Rom bekannt gegeben.“ Im Anschluss an das Angelusläuten der einsamen Angelusglocke setzen sich dann all ihre Geschwister in Bewegung.

Sturmläuten bei Kriegsgefahr

Sind es heute solch kirchliche Ereignisse, die die Glocken einläuten, hatten sie früher zusätzlich globalere, profanere Bedeutungen. Fabritz erinnert an das Sturmläuten bei Kriegsgefahr und daran, dass die Glocken in Zeiten, als das mit den Uhren noch so eine Sache war, der zeitlichen Orientierung dienten.

Aber, oh Moderne, was ist heute mit vielen Kirchen passiert? Man merkt Fabritz an, dass es ihm nicht gefällt, was sich in manch modernem Gotteshaus abspielt im wahrsten Sinne des Wortes. Da kommt das Glockengeläut nämlich vom Band und wird über Lautsprecher übertragen. Fabritz: „Nach dem Krieg wurden viele Kirchen aus Spargründen absichtlich ohne Turm gebaut.“

Totengeläut

Die Evangelische Kirchengemeinde Königshardt-Schmachtendorf hat ihre Läuteordnung vor einiger Zeit geändert. Das Ziel war es, das Glockengeläut in den beiden Kirchen einander anzugleichen. Der einzige Unterschied bestehe im Tagesgeläut. Hier habe man es beim täglichen Abendgeläut bei 18 Uhr in Königshardt und bei 19 Uhr in Schmachtendorf belassen, gibt die Gemeinde an.

Überläuten

Eine Veränderung gibt es beim sogenannten Überläuten bei Sterbefällen. Nachdem ein Sterbefall beim Gemeindeamt gemeldet ist, wird am gleichen oder am darauf folgenden Tag geläutet. Dahinter steckt der Gedanke, sagt das Presbyterium, die Verstorbenen zu begleiten, wenn ihre Seelen sich auf den Weg zu Gott machen.

Zehn Minuten

Das Überläuten, das in vergangenen Jahren nicht mehr praktiziert wurde, soll wieder eingeführt werden. Zukünftig werden jeweils zwei Glocken um 17 Uhr für fünf Minuten läuten. Sollte mehr als ein Sterbefall gemeldet worden sein, erklingen die Glocken zehn Minuten.

Die Königshardter Gemeindeglieder müssten sich also etwas umstellen, da hier das Überläuten bisher an das Mittagsgeläut angehängt war.