Oberhausen. .

Der „heilige Sonntag“, der „Tag des Herrn“ zählt in der katholischen Gemeinde St. Marien Rothebusch noch viel, ist vielleicht ihr wichtigster Tag für das Erlebnis „Gemeinde“. Doch im Moment scheint es, als würde dieser der Vergangenheit angehören. Denn seit „ihr“ Pastor Jentsch vom Bischof in Essen überraschend in eine Gemeinde in Essen-Huttrop versetzt wurde, ist damit auch die Sonntagsmesse gestrichen worden.

Für die über 300 aktiven Katholiken, die mehr als zehn Prozent der 3000 Mitglieder großen Gemeinde ausmachen und die an jedem Sonntag um 11.15 Uhr die Kirche St. Marien Rothebusch in Osterfeld füllten, ist das ein schwerer Schlag: „Unser Zusammenleben und unsere Jugendarbeit sind damit gefährdet“, glauben die meisten von ihnen, und sie haben Beispiele, denn der Osterfelder Gemeinde St. Vinzenz sei es ähnlich ergangen, als sie der Pfarrei St. Pankratius zugeführt wurde. „Die Mitglieder verteilten sich dann auf verschiedene Kirchen“, erzählt ein Mitglied von Rothebusch vom „Ende dieser Gemeinde“.

„Ungewöhnlich schnell“, meinen informierte Kreise in Rothebusch, sei Pastor Jentsch vom Bischof nach Essen berufen worden: Am 18. Juli, in den Ferien, hatte man es dem Gemeinderat bekannt gegeben, am 1. September bereits trat Jentsch in Huttrop seinen Dienst an, sagt ein Mitglied, das an eine Überrumplungstaktik glaubt. „Die Gemeinde sollte es nicht verhindern können.“ Eine eilig geschriebene Beschwerde des Gemeinderates an das Bistum Essen sei bis heute nicht beantwortet worden.

Ein Ersatz für den Seelsorger ist auf Sichtweite unwahrscheinlich, denn dem Bistum fehlt das Personal und die vier Priester der Pfarrei St. Pankratius, zu der die Gemeinde Rothebusch gehört, sehen sich an ihre Leistungsgrenzen gebracht.

Ulrich Lota, Pressesprecher des Bistums, räumt das Problem der Sonntagsmesse durch die Umstrukturierung der katholischen Kirche in der jüngsten Vergangenheit ein: „Es gibt immer weniger Gläubige, weniger Priester, weniger Nachwuchs, weniger Geld – das reißt Löcher in die Struktur.“ In der Huttroper Gemeinde St. Bonifazius zum Beispiel habe man schon seit Jahren auf einen Seelsorger gewartet, so der Pressesprecher des Bistums. Dies sei auch der Grund für die Versetzung von Jentsch. Jetzt sei eben zufällig St. Marien Rothebusch an der Reihe gewesen, einen Priester abzugeben. Lota sieht darin keine Handlung gegen eine bestimmte Gemeinde, sondern eine künftige Normalität: Dieses Rotationsprinzip werde irgendwann alle betreffen.

In der Nachkriegszeit boomten noch die katholischen Kirchen. Zu den bestehenden im Ruhrgebiet kamen etliche hinzu. Immer kleinere Gemeinden entstanden so. Das ist nicht nur vorbei – die „Löcher“ werden sich in Zukunft sogar weiter ausdehnen, die Gemeinden werden nicht um jeden Preis in „ihrer“ Kirche feiern können, sondern sich aufeinander zubewegen müssen, „das ist die neue Wirklichkeit“, ist Pressesprecher Lota überzeugt.

An der Basis brodelt es

Die „neue Wirklichkeit“ der Kirche sorgt bereits für Zoff im Leben der Pfarrei St. Pankratius, sogar für Neid unter den Pfarreigemeinden. Weil in St. Marien Rothebusch seit der Versetzung von Pastor Jentsch keine Sonntagsmesse möglich ist, brodelt es gewaltig zwischen dem Gemeinderat und Probst Hans-Ulrich Neikes, der die Gottesdienste für Rothebusch, St. Franziskus und St. Pankratius organisiert.

In einer Krisensitzung am Dienstagabend mit Probst und über 70 Gemeindemitgliedern bricht der Ärger aus: „Es kann nicht sein, dass unsere Gemeinde an der Bürokratie zerbricht“, wettert ein Mitglied. Der Streitpunkt: Den drei Gemeinden der Pfarrei stehen zwar vier Priester zur Verfügung, „ich kann aber nur mit 50 Prozent planen“, behauptet Neikes. Wenn jemand krank werde, in Urlaub oder zur Fortbildung fahre, müsse der Dienst notfalls mit zwei Leuten zu erledigen sein. Zudem: Ein Priester ist bereits 86 Jahre alt, der andere kurz vor der Pension. „Ich muss auch meine Mitarbeiter vor Überlastung schützen“, sagt Neikes.

Und doch: Der Gemeinderat zweifelt an den Argumenten des Probstes, weil dieser sich nicht auf einen Vorschlag einlassen will, die Sonntagsmessen aller Gemeinden künftig rotieren zu lassen. Das würde bedeuten: Jede von ihnen müsste alle drei Wochen ihre Sonntagsmesse auf den Samstag legen. „Das sorgt für Chaos“, wehrt Neikes ab.

Rothebusch aber vermutet, dass „alte Streitereien“ der Grund für den Widerwillen sind. Jetzt will man im Gespräch mit den anderen Räten zu einer Lösung kommen. „Wir müssen das jetzt hinbekommen“, so ein Ratsmitglied, denn in zwei Jahren wird ein weiterer Priester pensioniert. Dann dreht sich das Besetzungsrad erneut.