Oberhausen. .
„Links-zwo-drei-vier“ – nur der Gleichschritt der 39 Bundeswehrsoldaten der Glückauf-Kaserne aus Unna bringt den wahren Swing, also Schwung in die Brücke. Der Leiter des Bochumer Forscherteams Michael Kasperski kann mit dem ersten Durchgang zufrieden sein, denn der „Fußgängerzubringer“ über die Werthfeldstraße zum Olga-Park wippt unter den Tritten sichtbar. „Guck mal, wie die da am Wackeln is’“, bemerkt eine Zuschauerin freudig.
Manchem würde bei diesem Seegang auf dem Trockenen womöglich schummrig werden, die Zuschauerin findet ein leichtes Wippen jedoch angenehm, „wenn die Leute zu Olgas Rock gehen“, sagt sie, „sieht und spürt man das Vibrieren auch“.
Bis wann ist normales Gehen noch möglich? Ab wann jedoch wäre ein Schaukeln unangenehm oder gar gefährlich? Gerade solche Grenzwerte interessieren die Forscher bei ihrem Experiment. Denn im vergangenen Jahrzehnt seien im Ruhrgebiet viele architektonisch anspruchsvolle Fußgängerbrücken errichtet worden, sagt Kasperski. Deren Leichtbauweise habe aber auch eine höhere Schwingungsempfindlichkeit zur Folge. Um das Tragwerk für die wissenschaftlichen Tests nun kontrolliert in Wallungen zu bringen, helfe der gezielte Gleichschritt der Bundeswehr am besten.
Soldaten helfen kostenlos
Über die Brücke sind rote Streifen ausgelegt, die bestimmte Zonen festlegen, sechs Sensoren entlang der Überquerung messen die Auswirkungen und übertragen sie an einen Computer. Eine Schwingungsfrequenz von 1,8 Hertz soll erreicht werden. Dafür nahm das Forscherteam Kontakt zur Kaserne in Unna auf, „die Soldaten waren sofort bereit uns zu helfen“, sagt Ingenieur Cehun Sahnaci, sogar kostenlos. Und auch nicht zum ersten Mal, bereits vor drei Wochen schritten sie zu Forschungszwecken über die Brücke, „aber ohne den heutigen Presserummel“ – WDR und ein Team von Pro7 (Galileo) ist auch dabei, wenn die Soldaten in Reih’ und Glied quasi den Swing üben.
Deren Marsch kann zwar die theoretische Maximalbelastbarkeit der Brücke nicht erreichen, entwarnt Sahnaci, „schon weit vorher wäre Gehen unmöglich, man würde hinfallen oder hochgeschleudert werden.“ Doch bereits ein Bruchteil dieser Schwingung reiche aus, um beim Fußgänger Unwohlsein oder gar Panik zu erzeugen. Richtlinien oder gar EU-Normen für Schwingungen, die dieses Unwohlsein schon beim Bau berücksichtigen, gebe es hingegen nicht, findet dies Ingenieur Michael Kasperski „merkwürdig“.
Forschung könnte Auswirkungen auf Gebrauchstauglichkeit haben
Bislang spielten nur Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit eine Rolle, so der Forschungsleiter der Gruppe „Entwurfsgrundlagen im Konstruktiven Ingenieurbau“ (Ekib). Dabei sei selbst der Krümmungswinkel einer Banane normiert.
Doch die Ergebnisse ihrer Forschung könnten ebenfalls Auswirkungen auf jene Gebrauchstauglichkeit und sogar die Wirtschaftlichkeit zukünftiger Brückenbauten haben, glaubt Kasperski: „Unsere bisherigen Ergebnisse deuten an, dass Brücken häufig sogar weitaus stärker gedämpft sind als eigentlich nötig wäre.“ Denn die Brücke merke sich eine Masse von Personen, habe das Team bei großen Events wie Olgas Rock festgestellt. Bei den Massen an Besuchern hätte die Überquerung viel stärker schwingen müssen, glaubt Kasperski, „vielleicht wären künftig statt drei Dämpfern nur einer nötig. Das hätte wirtschaftliche Vorteile“.