Oberhausen. Birnur Öztürk stammt aus der Türkei. Kein Grund für die Unternehmerin, einen Schnellimbiss zu betreiben. Stattdessen ist sie Chefin eines Versandhandels – und kämpft als Mitbegründerin des Business-Netzwerks „Petek” gegen Vorurteile.

Birnur Öztürk ist Geschäftsfrau. Und auch wenn die 46-Jährige ein Ö und ein Ü im Nachnamen hat: Sie hat weder eine Dönerbude noch einen Gemüseladen. Nichts gegen Fleisch im Fladenbrot oder den netten Auberginen-Händler um die Ecke, aber wenn Menschen mit Migrationshintergrund sich selbstständig machen, kann auch etwas anderes dabei herauskommen.

So wie bei Birnur Öztürk, die einen Versandhandel für Einzelhandelsbedarf führt. Firmen in ganz Deutschland, in Österreich und der Schweiz werden von der Oberhausenerin mit Bonrollen, Etiketten und allem, was man zur Warenauszeichnung braucht, beliefert. Darunter natürlich auch Supermärkte mit türkischem Sortiment – aber eben nicht nur.

Mit sieben Jahren ins Ruhrgebiet

In der türkischen Stadt Samsun geboren, kam Birnur Öztürk im Alter von sieben Jahren mit ihrer Familie ins Ruhrgebiet. Nach der Schule studierte sie per Fern-Uni Betriebswiertschaftslehre, machte dann eine Ausbildung zur Immobilienkauffrau. Zwischendurch war sie bereits erstmalig selbstständig, doch sie gab es wieder auf, arbeitete als Chefeinkäuferin in einem Softwareunternehmen. Als dieses insolvent war, musste Öztürk sich wieder neu orientieren – und entschied sich erneut für die Selbstständigkeit. Zusammen mit einer Arbeitskollegin entschloss sie sich, den Zubehör-Bereich ihres bisherigen Arbeitgebers einfach fortzuführen. Als sich bei ihrer Geschäftspartnerin Nachwuchs ankündigte, stieg diese aus – und Birnur Öztürk war ihr eigener Chef.

Die Vorurteile gegenüber Selbstständigen mit Migrationshintergrund haben die patente Geschäftsfrau schon immer geärgert, aber auch die regelmäßig wiederkehrenden Schlagzeilen über Migranten als Problemgruppe. „Da könnte ich die Wände hochgehen”, sagt Öztürk. Natürlich gebe es auch Negatives zu berichten – aber eben nicht nur. Besonders Frauen aus der Türkei tauchten in den Nachrichten viel zu oft als Opfer auf.

Die Realität sieht anders aus

„Immer dieses Schubladendenken”, sagt Öztürk. Weil ihre eigene Realität eine völlig andere ist, gründete die Deutschtürkin das Frauen-Business-Netzwerk „Petek”. Um Menschen ohne Migrationshintergrund zu zeigen, dass es auch Frauen mit Ös und Üs im Namen gibt, die es in Führungspositionen geschafft haben, aber vor allem, um andere zu ermutigen, auch den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Um dies zu erreichen, engagiert sich Birnur Öztürk auch als Mentorin. Zwei Zehntklässlerinnen betreut sie derzeit, hilft ihnen dabei, sich für einen Beruf zu entscheiden und Bewerbungen für Ausbildungsplätze zu schreiben.

„Wir wollen als Vorbilder fungieren”, sagt Öztürk über die „Petek”-Frauen, von denen es inzwischen 20 gibt, „Richtige Power-Frauen”, sagt Öztürk. Sie haben Führungspositionen inne oder sind Unternehmerinnen, stammen aus verschiedenen Ländern, haben teilweise auch Kinder. Was sie eint, ist ihr Mut und ihr Erfolg. „Wir sind Steuerzahler und Multiplikatorinnen”, sagt Birnur Öztürk. Deshalb verdienten sie es auch, sichtbar zu werden. Öztürk: „Hallo, uns gibt's auch. Wir sind angekommen, uns sieht aber niemand.”

Sie habe nichts Negatives im Zusammenhang mit ihrer Herkunft erlebt, sagt Birnur Öztürk. Das sei nicht ihr Motiv. Ihre Arbeit als Business-Netzwerkerin und Unterstützerin von jungen Mädchen aus Migrantenfamilien sei „eine Antwort auf die negativen Zeilen, die ich tagtäglich lese”. Und um noch ein Klischee aus dem Weg zu räumen: Ja, Herr Öztürk kocht auch schon mal das Abendessen.

Netzwerkerinnen

„Petek” ist das türkische Wort für Wabe. Es steht für das, was die Mitglieder des Vereines wollen: sich vernetzen – und verbreiten. Dafür ist Petra Lahnstein zuständig. Die 35-Jährige macht die Pressearbeit und ist die „Quoten-Deutsche”, wie sie selbst sagt. Bei „Petek” trifft sie „spannende Frauen mit immer derselben Geschichte”. Frauen, die in dem Beruf, den sie einmal gelernt haben, in Deutschland keine Chance haben Bei „Petek” wird ihnen Mut gemacht und gezeigt, wie sie die richtige Nische finden. Und: ihre migrantenspezifischen Kompetenzen zum Einsatz bringen.

Dabei kommen dann Jobs heraus, „die eben entstehen, weil die Frauen einen Migrationshintergrund haben”, so Lahnstein. Wie zum Beispiel der Übersetzerdienst, der inzwischen weltweil erfolgreich ist. Oder der Hochzeitssaal, der prima läuft. Demnächst will eine Frau ihren Keller zu einem Schönheitssalon für Kopftuchträgerinnen ausbauen lassen. Geschäftssinn zu paaren mit kulturspezifischer Kompetenz, das ist das Ziel. rus

„Petek” veranstaltet regelmäßig Vorträge und ein Business Breakfast. Info: www.petekweb.de.