Dorsten. Mit einer Kampagne wollen die Autonomen Frauenhäuser in NRW bis zur Landtagswahl 2010 auf ihre finanzielle Situation aufmerksam machen. Viele Frauen, die dort Hilfe suchen, können einen Aufenthalt im Frauenhaus nicht bezahlen.

„Schwere Wege leicht machen” hat die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Autonomer Frauenhäuser NRW eine Kampagne überschrieben, mit der ab November auf die Finanzmisere der Einrichtungen aufmerksam gemacht werden soll. Auch das Dorstener Frauenhaus, Mitglied der LAG, schließt sich den Aktionen an. Die Frauen planen Info-Stände, Postkartenaktion und Unterschriftenlisten, berichtet Carla Horstkamp, Dipl.Sozialwissenschaftlerin im Team.

Hinter den Aktionen steht die Forderung, die Finanzierung der Frauenhäuser möglichst in ganz Deutschland einheitlich und vom Einzelfall unbhängig zu regeln. Heute ist die paradoxe Situation so, dass die Frauenhäuser quasi über jedes Gewaltopfer froh sein müssen, weil nur so Geld in die Kasse kommt. Hinzu kommt, dass viele geschlagene Frauen sich die Zuflucht nicht leisten können, weil sie den Aufenthalt selber bezahlen müssen.

5000 Frauen werden abgewiesen

58 Frauen kamen

Dorsten. 2008 wurden insgesamt 58 Frauen und 55 Kinder im Dorstener Frauenhaus aufgenommen, weniger als im Vorjahr. Zugleich stieg aber die Zahl der Übernachtungen von 3924 auf 4688.

23 Frauen, die im letzten Jahr ins Frauenhaus kamen, stammen aus dem Kreis Recklinghausen, 35 von außerhalb. Aus Sicherheitsgründen kommen die meisten Schutzsuchenden aus anderen Städten, zum Teil sogar anderen Bundesländern hierher. Rückläufig war 2008 die Zahl der Frauen mit Migrationshintergrund, die meisten (67%) waren deutscher Herkunft.

Der größte Teil der Frauen blieben längerere Zeit im Frauenhaus. Damit hatten die Mitarbeiterinnen mehr Zeit für Gespräche und die Aufarbeitung der Gewalterlebnisse. Viele Frauen (22%) entwickelten eine neue Lebensperspektive für sich und ihre Kinder, 32% aber kehrten auch nach Hause zurück. Geflohen sind die meisten Frauen (57%) vor ihrem Ehemann oder Lebensgefährten (22%).

Die meisten Hilfesuchenden (69%) waren jünger als 40 Jahre. 2008 kam aber auch eine 81-Jährige ins Frauenhaus und blieb, bis sich ihre Lebenssituation geklärt hatte. -U.H.-

Seit vor 33 Jahren die ersten Frauenhäuser gegründet wurden – das Frauenhaus Dorsten feierte 2008 das 25-jährige Bestehen – hat sich die gesellschaftliche Wahrnehmung von Gewalt gegen Frauen grundsätzlich geändert. Was sich aber nicht geändert hat, ist die Finanzierung. Sie ist auf Bundesebene nicht gesichert und wird in den einzelnen Ländern unterschiedlich gehandhabt. Das bedeutet auch, dass Plätze fehlen; in NRW müssen jährlich rund 5000 Frauen abgewiesen werden, heißt es in einem Papier der LAG.

In der Regel gibt es eine Mischfinanzierung aus Landesmitteln, Zuschüssen der Kommune und Tagessätzen die das Sozialamt für die Bewohnerinnen bezahlt. Die schwanken je nach Kommune zwischen acht und 65 Euro, in Dorsten liegt der Tagessatz bei 19 Euro. Frauen, die keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben, wie Auszubildende, Studentinnen und manche Migrantinnen, müssen selber zahlen.

Zu wenig Stellen

Drei Vollzeitstellen werden in Dorsten pauschal zu 75 Prozent vom Land bezuschusst. Den Rest sowie Miete und Energiekosten muss das Frauenhaus selber aufbringen, durch die Tagessätze, Spenden und Bußgelder. Die drei Stellen, klagt Carla Horstkamp, seien zu wenig. Bis vor einigen Jahren gab es eine vierte Stelle für eine Sozialarbeiterin, die sich um die Nachbetreuung kümmerte.

Bereits seit einem Jahr wird beim Bund die einheitliche Frauenhausfinanzierung geprüft. Mit der Kampagne in NRW wollen die unabhängigen Frauenhäuser dieser Prüfung etwas Nachdruck verleihen, schließlich steht in NRW im nächsten Jahr eine Landtagswahl an. Da soll Politikern und Bürgern eindrucksvoll „die Relevanz des Themas vor Augen geführt werden”.