Oberhausen/Münster. Urbane Landwirtschaft ist im Kommen. Was in Megacities schon genutzt wird, kann auch in NRW bald Realität werden. Die Stadt Münster interessiert sich für Gewächshäuser auf Flachdächern. “Infarming“ nennt das Fraunhofer Institut Oberhausen diese Form des Ackerbaus.

Der Landwirt der Zukunft sollte schwindelfrei sein. Zumindest wenn das Projekt des Fraunhofer Instituts aus Oberhausen Wirklichkeit wird. Zum Ernten von Salat, Kohlrabi, Bohnen und Co. steigt er dann nämlich aufs Dach. „Infarming“ nennt das Fraunhofer Institut das: Landwirtschaft auf den Dächern Nordrhein-Westfalens. Was sich wie eine ferne Zukunftsvision anhört, ist so abwegig gar nicht. Die Stadt Münster zumindest beschäftigt sich bereits ganz konkret mit dem Salat, der aus der Höhe kommt. Die Verwaltung prüft nun, ob es möglich ist, die Dächer der Stadt mit Gewächshäusern zu bestücken.

Simone Wendland ist ganz fasziniert von der Idee, Münsters Flachdächer in Ackerland zu verwandeln. „Die Erwartungen der Menschen an Lebensmittel sind gestiegen“, sagt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU Münster. Auf deren Antrag hin prüft nun die Stadt gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut, ob das „Infarming“ in Münster möglich ist.

Konkurrenz um Raum

Denn ausgerechnet in der ländlich geprägten Stadt werden die Ackerflächen knapp. „Wir würden gern die Flächen ausweiten, doch viele sind schon versiegelt“, sagt Simone Wendland. Der Münsteraner Landwirt Heinz-Georg Buddenbäumer (CDU) gibt ihr Recht: „Die Knappheit der Flächen insgesamt ist schon gravierend.“ Wenn’s in der Horizontalen also eng wird, muss man vertikal denken.

Die Idee, Flachdächer für den Gemüsebau zu nutzen, stammt aus den USA. In New York zum Beispiel gibt es bereits solche Stadtfarmen. Gerade für Megacities wie in Asien oder Südamerika sind solche Konzepte in aller Munde. „In den nächsten Jahren wird die Weltbevölkerung weiter zunehmen und damit die Konkurrenz um Raum zum Leben und Raum für den Ackerbau“, nennt Volkmar Keuter , „Infarming“-Projektleiter beim Fraunhofer Institut in Oberhausen, eine Motivation für das Vorhaben.

Einige Supermärkte interessieren sich bereits für das Konzept, so eine Institutssprecherin. Für die Händler ist das „Infarming“ besonders interessant: Sie könnten auf dem Dach das Gemüse anpflanzen, was sie schließlich unten im Markt verkaufen. „Die Lebensmittel könnten so preiswert angeboten werden, weil man Transportkosten spart“, sagt Simone Wendland.

Abwärme der Computer nutzen

Positiver Nebeneffekt: Weniger Transport bedeutet weniger CO2-Ausstoß. Zudem ließe sich für das Gewächshaus auf dem Dach die Energie des Gebäudes nutzen. Laut Projektleiter Keuter könnte die Wärme, die Computer in Büros erzeugen, in das Gewächshaus geleitet werden. So sind Salat und Sellerie im Winter vor der Kälte geschützt. Und auch das Grauwasser des Gebäudes – gering verschmutztes, fäkalienfreies Abwasser – könnte zur Bewässerung der Pflanzen genutzt werden. „Ich denke, dass die Zeit reif ist, Synergien zwischen Gebäuden und Landwirtschaft zu schaffen“, sagt Diplom-Ingenieur Keuter.

Die Münsteraner Ratsfrau Wendland sieht noch einen Vorteil: „Neue Großprojekte, neue Bebauungen stoßen bei der Bevölkerung oft nicht auf Begeisterung. Durch das „Infarming“ könnte sich die Akzeptanz bei den Bürgern steigern lassen.“

Prinzipiell eignet sich jedes Flachdach eines Nicht-Wohngebäudes. Die Dachfläche muss laut Keuter geschlossen, der Zugang gewährt sein. Damit allerdings konkurriert „Infarming“ bei den Flächen mit der Solarbranche.