Oberhausen. . „Still und starr ruht der See.“ Sonnenstrahlen glänzen auf der Wasseroberfläche des Teichs im Volkspark Sterkrade. Was für eine friedliche Idylle. Aber wo sind die Enten, all die Enten, die im Dezember wieder abgeschossen werden sollen - wegen der Überpopulation, die die Jäger ins Feld führen. „Da sehen Sie“, zeigt Albert Venn (81) übers Wasser. „Hier sind doch überhaupt nicht zu viele Enten“.

Der Rentner, der die Tiere im Sommer wie im Winter täglich füttert, will in diesem Jahr auf die Abschussaktion im Dezember, die ihm so gar nicht gefällt, aufmerksam machen. Venn will das nicht mehr einfach so hinnehmen.

Und er bekommt Unterstützung von einer weiteren Seniorin (76), der die Tiere auf dem Teich genauso am Herzen liegen. „Ich finde es furchtbar, dass man immer töten muss“, sagt die Frau. Früher seien den Enten die Eier weg genommen worden, berichten sowohl die 76-Jährige als auch Venn. Warum man das heute nicht auch so machen könne. Und Venn erzählt noch: „Mitarbeiter der Vogelwarte Bad Segeberg, die hier jedes Jahr die Vögel zählen, haben mir gesagt, ein Teich dieser Größe eigne sich locker für 70 bis 80 Enten.“

„Ich habe nichts gegen Jäger“, sagt Venn. Wenn tatsächlich zu viele Tiere da seien, müssten die auch abgeschossen werden. Die Frage, die sich ihm an diesem sonnigen Herbsttag jedoch stellt, ist, ob überhaupt zu viele Tiere auf dem Teich herumpaddeln. Das einzige Federvieh, das auf den ersten Blick auffällt, ist ein Nil-Gans-Pärchen mit acht Jungen. Nach Enten muss man lange suchen, entdeckt aber schließlich die eine oder andere auch auf der kleinen Insel im Gewässer.

Als Gründe für die Jagd an den Oberhausener Seen gibt Hubert Filarsky, Obmann für das jagdliche Brauchtum der Kreisjägerschaft Oberhausen, an, dass die Teiche überbevölkert seien. Durch Futterreste im Wasser und die Überbevölkerung käme es zu einer Überdüngung des Wassers. Das Zuviel an Tieren sei nur durch die Jagd in den Griff zu bekommen. Gejagt würden an den Gewässern Enten, Blesshühner und Gänse. Die Jäger schießen Tiere an den Teichen im Revierpark Vonderort, im Volkspark Sterkrade, im Kaisergarten und in einem Biotopbereich in Alstaden an der Ruhr.

Jagd sei ein staatlicher Auftrag, kein Hobby

„Die Jagd ist kein Hobby, kein Vergnügen, sie beruht auf einem staatlichen Auftrag“, verdeutlicht Hubert Filarsky. „Wenn es nicht so viele Freiwillige gebe“, sagt er über die 350 000 Jagdschein-Inhaber in Deutschland, „müssten verstärkt Berufsjäger zum Einsatz kommen. Filarsky: „Da kann man sich vorstellen, wie viele Berufsjäger zusätzlich eingestellt werden müssten.“

Während Michael Tomec vom Naturschutzbund (Nabu) es für gefährlich hält, an Parkgewässern zu schießen, weil sich dort immer Spaziergänger aufhalten, bezeichnet Filarsky die Jagd mit Schrot als ungefährlich für Menschen. „Die Schrote fliegen bis zu 400 Meter, wenn sie danach zu Boden fallen, hat eine Schrotkugel das Gewicht eines Regentropfens“, erklärt der Jäger. Er bedauert dennoch: „Leider bekommen wir die Parks für die Zeit der Jagd nicht gesperrt, obwohl wir das immer bei der Stadt einfordern.“ Sie stellten aber Schilder auf, die auf die Jagd hinwiesen.

„Wir jagen in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden“, sagt Filarsky. Geschossen würden nur in die Luft auffliegende Tiere. „Die Tiere sterben nicht an einer Kugel, sondern an einem paralyseartigen Schock, weil sie von so vielen Schroten gleichzeitig getroffen werden.“ Ihre Hunde hätten die Jäger immer dabei, um auch noch angeschossene Tiere zu finden. Filarsky: „Alle Gesellschaftsjagden werden grundsätzlich bei der Polizei angemeldet.“

Nabu lehnt Jagdaktion ab

Die Oberhausener Vogelfreunde bekommen Schützenhilfe vom Naturschutzbund (Nabu). Michael Tomec hat für die Organisation die Wasservögel auf den Seen der Stadt gezählt. „Im Volkspark Sterkrade gibt es einen ganz normalen Entenbesatz“, sagt er. „Die Jäger sollen einfach sagen, wir dürfen jagen, wir jagen gerne und sich dann mit der Bevölkerung auseinandersetzen“, fordert Tomec. „Aber sie sollen nicht immer irgendwelche Gründe vorschieben, die Quatsch sind.“

Dem Vogelfreund Albert Venn, der die Jagdaktionen alljährlich beobachtet hat, ist dabei so einiges sauer aufgestoßen. Zum Beispiel das: „Im vergangenen Jahr waren auf dem See eine Nonnen- und eine Kanada-Gans, beide waren flügellahm“, sagt er. „Und ich glaube auch, sie waren verliebt.“ Weil die Tiere nicht auffliegen konnten, seien sie auf dem Wasser abgeschossen worden. „Das erlaubt das Jagdgesetz aber nicht“, sagt Venn. Danach dürften die Tier nur im Flug geschossen werden.

Angeschossene Tiere

Nach den Jagdaktionen habe er immer wieder schwer verletzte Tiere gefunden. „Da waren die Jäger mit ihren Hunden schon weg.“ Besonders schlimm fand Venn: „Als es den Kiosk hier im Park noch gab, haben die Leute, die dort immer etwas getrunken haben, sogar mal mit Angeln angeschossene Tiere vom See gefischt, um sie abends in die Pfanne zu hauen.“

Ihr Schicksal teilen die Sterkrader Enten, manche Gänsearten und Blesshühner mit Tieren im Revierpark Vonderort oder im Kaisergarten. Auch dort konnte Tomec keine Überpopulation feststellen. „Im Revierpark waren in diesem und im letzten Monat bis zu 32 Stockenten pro Tag.“ Das seien nicht alles Brutenten. Die Tiere sammelten sich im Herbst dort. Weibchen mit Jungen habe er nur vier gezählt. Außerdem zwei Pärchen Blesshühner sowie ein Teichhuhn-Paar. Im Kaisergarten gebe es deutlich mehr Brutpaare verschiedener Vogelarten“, sagt Tomec. Aber selbst da will er nicht von Überbevölkerung sprechen.

Brot nicht geeignet

Michael Tomec vom Naturschutzbund sagt: „Brot ist als Futter für Enten und Gänse nicht geeignet.“ Brot im Wasser sorge außerdem für eine Überdüngung der Gewässer. Albert Venn, der die Enten ja auch immer füttert, gibt ihnen deshalb nur etwas Brot an Land. Als gesündere Futteralternative kauft er für die Tiere regelmäßig eine Taubenfuttermischung.