Oberhausen. . Wenn es bei Merkur-Spielotheken was zu feiern gibt, kommt der Wendler vorbei und singt – eine lohnende Kooperation für beide Seiten. Auf die Fans des Schlagerstars ist Verlass. Sie bejubeln ihr Idol selbst in schmucklosen Hinterhöfen. Ein Bericht.
Der Wendler legt sich so richtig ins Zeug. Er gibt mal wieder alles, wie man so sagt, und das will er auch von seinen Fans. Zumindest von denen, die da sind. Der Schlagersänger reißt die Arme hoch und schwingt sie über dem Kopf hin und her. „Und alle!“ ruft er fordernd in sein Publikum. Dem versammelten Tross von 50 Leuten, der sich direkt vor die Bühne drängt, muss er das nicht zweimal sagen. Hin und her werfen sie die Arme im Discofox-Takt. „Zickezackezickezacke!“ – „Heuheuheu!“ Geht doch.
Es ist Donnerstagabend in einem schmucklosen Garagenhof unweit des Oberhausener Hauptbahnhofs. Eine schwarze Limousine parkt am Wegrand. Sie passt hier in etwa so gut hin wie ein Gucci-Kostüm auf Studentenpartys. Auf die Türen sind „Merkur-Spielothek“-Aufkleber geheftet.
Dicke Wolken ziehen auf, gleich wird’s was geben. Die Neugierigen, die zuvor noch aus den umliegenden Wohnhäusern auf die Bühne im Hof gespäht hatten, haben ihre Fenster längst wieder verriegelt. Der Wind ist zu kalt. Sie sind wohl keine Wendler-Fans.
Die Gage bezahlt Gauselmann
Den 50 Entrückten in den ersten Reihen kann der Nieselregen nichts anhaben. „Habt ihr mich noch lieb?“ fragt der Dinslakener Schlagerstar durchs Mikrofon. Vermutlich ist er lauteres Kreischen als Antwort gewöhnt, aber das lässt sich der Unterhaltungsprofi nicht anmerken. Einer im Publikum ruft „Aufhören!“, aber das bekommt keiner so richtig mit. Geschätzte 200 Leute stehen hinter den selbst ernannten Hardcorefans über den Hof verteilt. Schunkelnd, singend oder zumindest mit dem Kopf wippend schauen sie in Richtung Bühne. Sie sehen einen Wendler, der Gas gibt, als würde er vor Tausenden singen. Das darf er oft. Dieses Mal sind es halt ein paar weniger. Die Show ist die Gleiche, nur darauf kommt es an. Und die Gage für den Sänger, der schon mal Privatinsolvenz anmelden musste inzwischen aber wieder ein Märchenschloss in Dinslaken bewohnt, wird schon stimmen.
Bezahlt wird sie von der Gauselmann Gruppe, dem Mutter-Unternehmen der Merkur-Spielotheken, die ihren Umsatz damit macht, dass Menschen Geld in blinkende Automaten stecken. Die Kette lädt den Wendler regelmäßig „zu besonderen Anlässen“ in ihre Filialen ein. So auch an diesem Abend in die Spielhalle an der Friedrich-Karl-Straße. Hier hat die Gruppe investiert und umgebaut. Auf mehr als 1000 Quadratmetern können Kunden nun an 84 „Geld-Gewinn-Spiel-Geräten“ daddeln. Na, wenn das kein Grund zum Feiern ist.
Der Wendler
„Könnt ihr noch?“ ruft Michael Wendler. Beatrix Gielen kann. Die 50-jährige mit dem praktischen Bürstenschnitt ist extra aus Krefeld nach Oberhausen gekommen. Jetzt hüpft und tanzt sie in Turnschuhen, gebleichter Jeans und Fanclub-T-Shirt vor dem Hintereingang der Merkur-Spielothek, als wäre sie in einer Disko auf Mallorca. Ob ihr aufgefallen ist, dass der Wendler seinen Hit „Nina“ gerade schon zum zweiten Mal singt? Zumindest scheint es sie nicht zu stören. Genauso wenig interessiert sie, dass es hier eigentlich um eine Spielhalleneröffnung geht.
Hoppeln im Discofox-Takt
„Nee, wegen der Automaten bin ich nicht hier. Da geb’ ich mein Geld lieber für Konzerttickets und Zugfahrten aus.“ Beatrix Gielen hat den gesamten Tourplan von Michael Wendler im Kopf. Sie nennt sich selbst Groupie der ersten Stunde. „Er hat in seiner Musik mein Leben beschrieben.“ Kurz legt sich ein Schatten über ihr Gesicht, als hätte sie mehr zu erzählen. Aber genug davon, jetzt will sie tanzen.
Hinter der Krefelderin hoppelt ein Sonnenbank gebräuntes Pärchen eng umschlungen im „Eins, zwei Tipp, eins, zwei, Tipp“, über den Asphalt. Er trägt die blondierten Haare hoch gegelt. Sie hat ihr Gesicht angemalt und Absatzstiefel angezogen. „Der Wendler ist einfach nur geil. Da fehlen einem die Worte“, kreischt sie ihm ins Ohr. Er nickt.
Drei Typen um die 30, die während des Konzerts weiter in der Spielhalle rumlungern, können dem immer gleichen Schlagerbeat nichts abgewinnen. Den Maschinen allerdings auch nicht. Zumindest keine Münzen. Mal um Mal werfen sie ein neues Geldstück in den Schlitz und drücken auf Schaltflächen, bis die Lichtern aufhören zu flackern. „Wir stehen für modernes Entertainment, wir wollen die Leute unterhalten, und das will der Wendler ja auch“, sagt Filialleiterin Ilsemarie Pyttlik.
Vom Geschmack der Wendler-Fans
„Emotion“ nennt sich der neue Einrichtungsstil in der Oberhausener Filiale. Hier sei jetzt alles viel heller, meint die Filialchefin. Man fragt sich, wie schummerig es vorher gewesen sein muss. Die „edlen Materialien“ sollen „die Hochwertigkeit der Spielothek“ unterstreichen, ist in einer Pressemitteilung der Gausemann-Gruppe zu lesen. Die dicken Teppiche in den sieben Spielräumen sind mit Motiven verziert, die an Arschgeweih-Tattoos erinnern. Das Muster findet sich auch an den Wänden wieder. Ein paar der Wendler-Fans tragen es mit Sicherheit unter der Haut. Das wär’doch was, wenn man ihren Geschmack getroffen hätte. Vielleicht kommen sie ja mal wieder, um sich unterhalten zu lassen.
Der Schlagersänger hat inzwischen sein schwarzes Jacket ausgezogen und schwitzt selbst im bloßen Hemd noch kräftig. Acht bunte Spots sind auf ihn gerichtet. „Sie liebt den DJ“, seinen größten Hit, hat der Wendler gleich als zweiten Song gebracht, zum Einheizen. Nach einer halben Stunde gibt er die erste Zugabe. Nach einer weiteren ist endgültig Schluss. Im Publikum murrt niemand - schließlich mussten sie alle keinen Eintritt bezahlen und es soll ja noch kostenlose CDs, Küsschen und Autogramme geben. Alles gesponsert von Automatenspielern.
Autogrammstunde im Regen
Vorher muss das Publikum aber noch eine Dreiviertelstunde im Regen warten. Klar, der Wendler muss sich erst frisch machen und zwar genauso lange, wie sein Auftritt gedauert hat. Inzwischen regnet es dicke Tropfen vom Himmel. Doch durch den Hintereingang kommt jetzt erstmal keiner in die Spielothek. Geschäftig versperren Bodyguards in schwarzen Anzügen und mit Funkgeräten in der Hand den Weg ins Trockene. Aus Sicherheitsgründen.
Aber was ist schon ein bisschen Regen, wenn man ihm gleich direkt gegenüber steht, dem Star, dem Wendler? Beatrix Gielen sammelt seit Jahren Fotos und Autogramme des Dinslakener Schlagersängers, unzählige Karten und Bilder kleben in ihren Fanalben. Trotzdem habe sie wieder einmal Gänsehaut bekommen, als der Wendler sie in den Arm genommen habe, sagt sie später. Ihr Fan-T-Shirt ist aufgeweicht. Aus den Haaren perlen Tropfen über ihr Gesicht. Es strahlt wie die Sonne im Emblem der Merkur-Spielothek.