Oberhausen.
Die vorlesende Person, der rund 90 aufmerksame Kinder in einem Klassenraum der Johannesschule in Alt-Oberhausen lauschen, ist männlich. Nein, das ist keine Sensation – aber ungewöhnlich, zumindest in deutschen Kinderzimmern.
Bei Heinz Janisch, einem österreichischen Kinderbuchautor, gehört das Vorlesen zur Berufsbeschreibung dazu. Im Rollenverständnis deutscher Väter hingegen ist das Vorlesen kaum verankert: Nur ein Fünftel der Väter liest seinen Sprösslingen aus Büchern vor. Und 42 Prozent der Eltern von Kindern unter zehn Jahren lesen nur unregelmäßig oder gar nicht vor, belegt eine Studie der Deutschen Bahn in Kooperation mit der Stiftung Lesen und der Wochenzeitung „Die Zeit“ aus dem Jahr 2007.
Die Kinder sind begeistert
Umso wichtiger sind die zahlreichen Vorlese-Initiativen wie der „Verein zur Förderung der Katholischen Büchereiarbeit im Bistum Essen“, der den österreichischen Autor Heinz Janisch für zehn Lesungen ins Bistum eingeladen hat – drei davon in Oberhausen (Johannesschule, Villa Wunderbar, Ruhrschule).
Die Kinder sind begeistert, lachen, staunen und werden erst nach mehr als einer halben Stunde etwas zappelig. Zweitklässlerin Charlotte (8) ist - entgegen vieler Negativ-Statistiken - mit Vorlese-Geschichten aufgewachsen. Mittlerweile, erzählt sie, sei sie eine „Leseratte“. Am liebsten verschlingt sie die Bücher über die „Kinder vom Möwenweg“, gewissermaßen dem „Bullerbü“ (Astrid Lindgren) der Nullerjahre.
Wahlweise „super“ oder „spitze“
Ihre Freundin Paula (7) liest vor allem gerne die lustige „Lola“-Reihe von Isabel Abedi. Die Jungs der Klasse 2b scheinen etwas weniger lesebegeistert, nennen aber dann doch spontan Superdetektiv „Nick Nase“ und das „Tiger Team“ (Thomas Brezina) als ihre Favoriten.
Aber alle gemeinsam fanden natürlich auch den österreichischen Autor Heinz Janisch wahlweise „super“ oder „spitze“. Denn der Gewinner des katholischen Kinder- und Jugendbuchpreises der Deutschen Bischofskonferenz liest nicht nur. Er trägt richtig vor, vermittelt den Kindern in kurzen Geschichten zum Beispiel, wie sie einem Streit aus dem Weg gehen können – etwa in dem Büchlein „Die Brücke“, in der sich ein Bär und ein Riese auf einer schmalen, wackeligen Brücke treffen.
„Die Kinder sollen einen richten Buchautor hautnah erleben“
Beide kommen aus unterschiedlichen Richtungen, wollen aber halt jeweils als Erster über diese Brücke gehen. Erst nach langen Diskussionen erkennen sie, dass sie sich in einer Art Wiener-Walzer-Umarmung zeitgleich über die Brücke hieven können. „Die Kinder sollen einen richten Buchautor auch einmal hautnah erleben“, erklärt Vera Steinkamp vom Bistum Essen ein Ziel des gelungenen Projektes.
„Vorlesen leistet wichtige Impulse für die Lesekompetenz“, meint auch Christoph Schäfer, Sprecher der Stiftung Lesen und nennt Zahlen aus der Pisa-Studie, die die Wichtigkeit der gestrigen Veranstaltung in der Johannesschule unterstreichen: 20 Prozent der heute 15-Jährigen hätten leider noch große Schwierigkeiten beim Lesen. Sie würden sogar als „sekundäre Analphabeten“ gelten.