Oberhausen. .

Einen ganzen Stapel Zeitschriften legt die Seniorin vor Petra Euwens auf das Pult. „Da haben Sie aber einiges zu lesen“, sagt die 52-Jährige, während sie die Hefte so dreht, dass ihr Barcode oben liegt. Euwens arbeitet seit 15 Jahren ehrenamtlich in der Pfarrbücherei St. Josef, die im September ihr 100-jähriges Bestehen feiert.

Die Ausgaben der Stiftung Warentest, die sie nun für die Seniorin einscannt, hätte es hier früher noch nicht gegeben. „Natürlich hat sich das Angebot verändert“, sagt Ursula Toplak. Sie muss es wissen, immerhin hat die 57-Jährige den Bestand dieser Katholischen Öffentlichen Bücherei (KÖB) selbst umgestellt. Vor 25 Jahren hat sie die Leitung übernommen, ein Ehrenamt, das der gelernten Buchhändlerin während ihres Mutterschutzes als Ersatz zum Hauptamt dienen sollte. Heute macht sie beides: Für eine große Kette verkauft Ursula Toplak Bücher, in Osterfeld verleiht sie sie.

5500 Medien im Bestand

„Als ich hier anfing, war der Bestand völlig überaltet, den größten Bereich nahmen religiöse Bücher ein.“ Die wurden aber kaum gelesen: Knapp 450 Bücher liehen die Osterfelder 1986 noch aus, sechs Jahre später, da Belletristik und Jugendbücher mehr Platz bekommen hatten, waren es 7000. Rund 5500 Medien gehören heute zum Bestand der Bibliothek, 440 davon werden jedes Jahr aussortiert, durch neue ersetzt. Abgegriffene Ausgaben gibt’s hier nicht.

Doch in jüngster Zeit kommen immer weniger Bürger in den kleinen Bibliotheksraum an der Hertastraße. Grund ist die Zusammenlegung der Gemeinden im Bistum Essen. In den einzelnen Kirchen finden weniger Messen statt, Gruppenangebote etwa für Kleinkinder wurden zusammengestrichen. Ein stadtweites Problem: Weniger als zehn Pfarrbüchereien haben sich in Oberhausen gehalten.

Finanzierung jährlicher Drahtseilakt

Die Finanzierung ist ein jährlicher Drahtseilakt: Das Bistum gibt einen freiwilligen Zuschuss, einen Teil erwirtschaftet die Osterfelder Bücherei selbst – bei Pfarrfesten, Bücherflohmärkten, Frühlingsfesten. Mitgliedsbeiträge gibt es hier nicht. Die Gemeinde gibt dafür einen Betrag - wie lange noch, ist ungewiss.

Warum sollte die Gemeinde sich überhaupt noch eine Bücherei leisten? In Osterfeld gibt es eine Stadtteilbibliothek, die Schulen haben in ihren Büchereien aufgerüstet. „Kirche und Literatur sind eng miteinander verbunden. Das berühmteste Buch der Welt ist die Bibel“, sagt Toplak.

Zudem sei diese Bücherei ein öffentlicher Ort für jene, die nicht unbedingt zur Kirche gehen, an dem aber religiöse Themen Platz finden. „Es ist ein Ort der Begegnung, den die Gemeinden pflegen sollten“, sagt auch Slawomir Galadzun, Priester in St. Josef. Im weißen Hemd sitzt er nach der Sonntagsmesse in der Bücherei, spricht mit Besucher. Ein Buch nimmt er selbst nicht zur Hand. Er lese nur elektronische Bücher.

Bücher werden Platz behalten

„Bücher und damit Büchereien werden in unserer digitalisierten Welt ihren Platz behalten“, ist Ursula Toplak dennoch überzeugt. Vor allem Kinder, sagt sie, kommen oft zu ihr, versinken in dem großen brauen Plüschbären in der Leseecke, blättern in Bilderbüchern und lassen sich eine Geschichte vorlesen. „Die Wege sind für die Kinder kurz - viele von ihnen sind muslimischen Glaubens. Wir kennen sie, das beruhigt die Eltern.“

Die Erwachsenen versuche sie zudem, mit besonderen Angeboten zulocken: Französische Abende, Buchvorstellungen. Davon hat auch schon die Seniorin gehört, die ihren Stapel Stiftung-Warentest-Hefte in einem mitgebrachten Stoffbeutel verschwinden lässt. Erst seit ein paar Wochen komme sie nach Osterfeld, habe die Bücherei nach der Messe entdeckt. „Das ist hier so nah beieinander. Perfekt, wenn Sie mich fragen.“