Oberhausen. . Pressekonferenz im Großen Ratssaal: Uwe Ochsenknecht stellt den Kinofilm “Kleine Morde“ vor, der seit Montag auch im Rathaus gedreht wird. Kurz zuvor standen noch manche Journalisten als Komparsen vor der Kamera, und durften den wilden Mob geben.

Uwe Ochsenknecht schaut leicht irritiert. Möglicherweise liegt es daran, dass ich zum wiederholten Mal zu ihm rüberschaue. Großer Ratssaal, Pressekonferenz. Ochsenknecht stellt den Kinofilm „Kleine Morde“ vor, der seit Montag auch im Rathaus gedreht wird. Hastig blickt er zurück zu meinem Sitzplatz. Seine Augenbrauen ziehen sich zusammen, über seinem Kopf erscheint ein imaginäres Fragezeichen. Man scheint seine Gedanken lesen zu können: „Hab’ ich den Typ schon mal gesehen? Nie im Leben!“

Dabei habe ich vor drei Tagen an Ochsenknechts Autoscheibe geklebt - geschlagene fünf Stunden lang. Die Oberhausener Produktionsfirma „SteelWorX Film Production“ hatte Komparsen gesucht und in der Redaktion angerufen. Wir suchen Journalisten, die Journalisten spielen, hieß es. „Damit das glaubwürdiger aussieht“, hatte Regisseur Adnan Köse gesagt. Also ging es für die Szene in aller Frühe nach Essen-Steele - ein Tag beim Film. Rückblende.

Auf schnöden Hauptstraßen im Essener Osten sieht es nicht gerade aus wie in Hollywood. Wäre da nicht diese Armada von Trucks am Straßenrand geparkt, die in der bürgerlichen Kulisse wie Ufos wirken. „Die Basis“ erklärt man uns. In einem Gefährt wird Rührei an Menschen verteilt, die schlabberige Armyhosen tragen und trotz der Uhrzeit ausgeschlafen wirken. Aus ihren Taschen schauen Kabelbinder heraus. Menschen beim Film erkennt man sofort.

„Toll! Da muss man nicht mehr viel machen!“, sagt die Dame von der Garderobe zu mir und einem Kollegen. Gemeint ist unser braunes Sakko. Schon am Telefon gab es genaue Anweisungen für das filmtaugliche Äußere: „Bitte tragen Sie nichts in Schwarz, Weiß, Rot - Grün, Türkis und Rosa sind auch nicht gut!“ Was bleibt: Braun. Journalisten in Mono-Color.

Puder drauf in der Maske

„Dicken Lippenstift brauchen wir nicht“, erklärt die Dame in dem Wohnwagen auf dem „MaskMobil“ steht, während sie mit einer Bürste meine Haare richtet und dann Puder in mein Gesicht tupft. „Ganz dezent!“ Hüstel!

Als ich mit meinem zweiten Gesicht den Wagen verlasse, ist auch Uwe Ochsenknecht am Set eingetroffen. Er trägt einen Teller mit Rührei und Schwarzbrot in seinen Wohnwagen. „Wir gehen dann schon mal!“ Ein Regieassistent bittet uns zum kurzen Fußmarsch Richtung Drehort. Eine alte Villa in einem bewaldeten Gebiet. Wartezeit! Genug Gelegenheit zu beobachten, wie Helfer mit Mini-Rollern Kabel und Stative umherfahren. Sich die Leute vom Ton einen Kaffee holen.

Journalisten spielen Journalisten: WAZ-Autor Dirk Hein am Film-Set von „Kleine Morde“. Foto: Dirk Bauer
Journalisten spielen Journalisten: WAZ-Autor Dirk Hein am Film-Set von „Kleine Morde“. Foto: Dirk Bauer © WAZ FotoPool

Dann kommt der Regisseur - und die Geschichte: Ochsenknecht spielt einen strengen Richter und ausgerechnet dessen Sohn wird des Mordes verdächtigt. Heikel: Der Film spielt in der Zukunft - das Jugendstrafrecht ist abgeschafft. Auch Kinder können wie Erwachsene bestraft werden. Und: Vor den Toren des Richters wartet schon die Presse, um gierig ihr exklusives Interview zu ergattern.

Action! Wir klopfen an die Scheiben, hechten hektisch neben dem fahrenden Wagen her. Überdreht und überzeichnet: Redaktionsalltag sieht anders aus. Schwierigkeit beim Dreh: Nicht vom Reifen des Ochsenknecht-Mobils überrollt zu werden oder im Trubel den Ellenbogen des Nachbars einzustecken. Regisseur Adnan Köse ist zufrieden, findet aber: „Ich brauche mehr Getümmel! Ihr seid im Krieg! Der Typ gehört auf die Schlachtbank!“ Also alles wieder zurück. Action! Der Mob tobt. „Eine Stimme, bitte! Was hat ihr Sohn getan? Bleiben Sie doch stehen!“ Schnitt. Adnan Köse: „Klasse!“ Aber auch: „Und alles bitte wieder zurück auf Anfang!“

Uwe Ochsenknecht mit leerem Blick

Männer schrauben die Kamera ab. Tragen sie an eine andere Position. In den Wagen, aus ihm wieder heraus. Uwe Ochsenknecht sitzt die ganze Zeit hinter dem Steuer. Blickt in die Leere.

„Alles super. Letzter Take“, sagt der Regisseur, wie bereits schon einige Male zuvor. Ich spüre eine Hand, die über meinen Rücken streicht. „Keine Angst, ich mache hier nur die Fussel weg!“, sagt die Dame von der Garderobe. Kein Blütenblatt darf ins Bild, wenn es nicht schon vorher da war.

Noch einmal wird an Scheiben geklopft. Dann ist Drehschluss! Zumindest für mich und die Kollegen - nach fünf Stunden, für eine Szene, die später im Kino wohl nicht mal eine Minute dauern wird. Meine Schuhe haben beim Kampf an der Autoscheibe gelitten. Ein Schnürsenkel ist gerissen. Und Schnitt!