Essen. . Uwe Ochsenknecht drehte am Freitag einige Szenen für seinen neuen Film “Kleine Morde“ in Essen. Mit am Set waren reichlich Komparsen. Allesamt Journalisten, die Journalisten spielen. Unser Autor Tobias Appelt stand ebenfalls vor der Kamera.

Der Anruf erreichte unsere Redaktion schon am Anfang der Woche: „Wir suchen für eine Filmproduktion Komparsen? Möchten Sie mitmachen?“ Ähm, warum ich? „Nun ja, wir suchen Journalisten, die Journalisten spielen. Wegen der Authentizität.“ Hmm, alles klar, bin dabei.

Mein Telefon klingelt erneut am Donnerstagnachmittag. Am Apparat die freundliche Frau der Produktionsfirma. „Ich möchte noch rasch ein paar Spielregeln klarstellen“, sagt sie. Spielregeln? „Ja, wegen der Kleidung, die sie anziehen.“ Aha. „Also, kein Rot, kein Grün, kein Weiß, kein Schwarz, kein Rosa, kein Türkis, ach und klein kariert geht auch nicht. Ach, und Marken-Logos sind auch tabu.“ Was bleibt denn dann noch über, denke ich als ich später ratlos vorm Kleiderschrank stehe. Ich wähle Jeans, blauen Pulli, hellblaues Hemd (klein kariert, hat aber keiner gemerkt), braune Turnschuhe und eine braune Lederjacke.

„Auf keinen Fall die Schauspieler ansprechen“

„Das war’s mit den Spielregeln?“, frage ich. „Eins noch“, lautet die Antwort, „Sie dürfen auf keinen Fall die Schauspieler ansprechen.“ Sagen Sie das mal einem Journalisten. Letzte Frage von meiner Seite: „Wie lange dauert das Ganze voraussichtlich?“ Antwort: „Der Dreh kann eine Stunde dauern, vielleicht aber auch länger. Aber keine Sorge, bis zum Ja-Wort von William und Kate sind sie wieder in der Redaktion.“

Freitag. Drehtag. 8 Uhr. Von-Ossietzky-Ring, Horst. Am Straßenrand stehen Wohnwagen, Pavillons, eine mobile Küche. Es riecht nach Rührei und gebratenem Speck. Die Leute vom Film-Team nennen diesen Ort „die Basis“. Einige Fotografen und Journalisten warten schon darauf, dass es losgeht. Ein Mann in Army-Hose und Outdoor-Jacke gibt Anweisungen: „Haltet Euch in der Nähe von Garderobe und Maske auf, wenn Ihr wollt, holt Euch ‘nen Kaffee“. Wie er heißt, sagt er nicht, auch nicht, was eigentlich seine Aufgabe ist. Filmleute haben scheinbar keine Namen und Komparsen brauchen nicht zu viel zu wissen.

Dann kommt ein anderer Mann. Name, Funktion – er sagt es nicht. Aber er fragt, etwas enttäuscht, „hat hier denn niemand eine echte Kamera dabei?“. Echte Kamera? „Ja, eine Filmkamera halt.“ Nein, die Fotografen haben nur Fotokameras. „Auch egal“, sagt der namenlose Mann, „achtet später nur darauf, dass die Blitze so richtig schön schnalzen.“ Äh, klar.

Mit Puder und Haarbürste

Nächste Station: ein Wohnwagen mit der Aufschrift „Mask Mobil“. Stylistin Nicole sorgt mit Puder und Haarbürste dafür, dass wir Komparsen kameratauglich werden.

8.55 Uhr. Endlich kommt auch der Hauptdarsteller an der „Basis“ an: Uwe Ochsenknecht. Er eilt zum Frühstücksbüfett, belädt einen Teller mit Rührei und Brötchen,. Dann raunt er der Komparsenschar einen Gruß zu: „Morgen!“. Auf Tuchfühlung mit dem Volk? Das geht anders. Aber wir wurden ja gewarnt, mit den Schauspielern sollten wir ja sowieso nicht reden.

Ein Tag als Komparse

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    Es folgt ein kurzer Fußmarsch zum „Set“, dem heutigen Drehort. Dafür hat das Film-Team die Villa Vogelsang gebucht. Am Ziel stehen Transporter mit Equipment, Kameras, Regie-Klappstühle, Thermoboxen und überall wuseln Menschen herum.

    Mildernde Umstände? Nicht mit ihm.

    Wir warten. Irgendwann kommt jemand zu uns Komparsen, sagt er heiße „Adnan“ und er sei der Regisseur. Wir erfahren, wie die Szene aussehen soll, zu der wir heute beitragen werden. Die Kurzform: Uwe Ochsenknecht spielt einen Richter. So einen richtig harten Knochen, der stets die Höchststrafe gibt. Mildernde Umstände? Nicht mit ihm. Jetzt aber steht ausgerechnet sein 14-jähriger Sohn unter Verdacht, ein Kind umgebracht zu haben. Wir, allesamt sensationslüsterne Vollblutjournalisten und skrupellose Paparazzi, lauern vor seiner Villa darauf, dass wir dem Richter ein paar Statements abluchsen können. Ochsenknecht fährt in einer schwarzen Limousine vor, wir umzingeln das Auto, hämmern auf die Motorhaube und rufen Sachen wie „Es ist doch eh schon zu spät für Sie! Wir schreiben auch, wenn Sie nicht mit uns sprechen!“.

    „Mehr Kampf!“

    Dem Regisseur gefällt unsere Umsetzung der Vorgaben nach dem ersten Durchlauf schon ganz gut. Trotzdem drehen wir die Szene rund ein Dutzend mal. Regie-Mann Adnan peitscht die Menge ein: „Mehr Kampf!“, fordert er. „Denkt dran, dieser Richter gehört auf die Schlachtbank!“.

    „Action!“ Die Komparsen gehorchen. Es wird geschubst, gedrängelt, geschrien. Plötzlich spüre ich einen Schmerz im Fuß. Ist Kollege Dirk aus Oberhausen draufgetreten oder ist gar Uwe Ochsenknecht mit dem Wagen drüber gerollt? „Cut“, ruft jemand. Und: „Alles auf Anfang.“ Immer wieder geht das so.

    Der Dreh zieht sich. Kate und William haben sich das Ja-Wort bereits gegeben. Unmut macht sich in der Gruppe breit. Filmfrau Alex beruhigt: „Ihr seid die besten Komparsen, die wir seit langem hatten, das sagen alle hier.“ Ist klar.

    „Wir machen das jetzt noch mal“

    Jemand ruft: „Journalisten wieder auf Position!“ Der Kollege aus Oberhausen scherzt: „Pass mal auf. Heute Abend ruft Hollywood bei uns an.“ Erneut spielen wir die Szene. Es wird eintönig. Doch endlich ist der Regisseur zufrieden. Ein Mann namens Thomas aber nicht. Wer ist Thomas? Keine Fragen. „Journalisten wieder auf Position. Wir machen das jetzt noch mal.“

    Komparsin Vanessa (29), Fotografin, hat jedenfalls genug: „Wenn das nächste Mal eine Film-Firma bei mir anruft, sag ich gleich, ich hätte keine Zeit.“ Die ersten gehen. Bei anderen scheint die Liebe zum Kino aber so groß zu sein, dass sie – obwohl es nicht einmal eine Gage gibt – die Zähne zusammenbeißen.

    Das Ergebnis können sie dann im kommenden Jahr in den Kinos bestaunen. „Kleine Morde“ wird der Film heißen.