Oberhausen/Manila. .

Viele Menschen wurden auf den Philippinen ermordet, weil sie der damaligen Regierung kritisch gegenüber standen. Staatsanwalt Günter Neifer aus Oberhausen hilft seinen Kollegen der Justiz, diese Verbrechen aufzuklären.

Sie waren politisch engagiert. Standen der damaligen Regierung der Philippinen kritisch gegenüber. Und genau aus diesem Grunde mussten Hunderte von ihnen sterben - Gewerkschafter, Journalisten, Menschenrechtsaktivisten und linke Parteimitglieder. „Zwischen 2001 und heute sollen laut Angaben von Menschenrechtsorganisationen 1000 hingerichtet worden sein. Die Regierung spricht von 150. Irgendwo dazwischen liegt die Wahrheit“, sagt Oberstaatsanwalt Günter Neifer: „Das Phänomen war und ist, dass diese Tötungen von staatlichen Stellen begangen wurden, meist wurden bezahlte Mörder damit beauftragt.“ Aufgeklärt wurde keiner diese Morde, weil polizeiliche und staatsanwaltschaftliche Ermittlungsarbeit so gut wie gar nicht existiert. Das soll sich ändern.

Im Rahmen von EPJust - EU-Philippinen Justiz Support Programm – bemühen sich europäische Experten, ihren dortigen Kollegen die Basis der Ermittlungsarbeit zu vermitteln. Günter Neifer ist einer von ihnen. Für sechs Monate wechselte der Oberhausener im Auftrag der EU von der Staatsanwaltschaft Kleve auf die Philippinen.

Menschen verschwinden

Für Neifer war es nicht der erste Einsatz in einer Krisenregion. In den Jahren 2005 und 2006 untersuchte er im Libanon als Sonderermittler der Vereinten Nationen die Hintergründe des Attentats auf Staatspräsident Hariri. Im Gespräch mit der NRZ nennt er nun die Ziele für das Philippinen-Mandat: „Wir sollen die Regierung beraten und ihr dabei helfen, dass all diese Morde endlich zu Verurteilungen führen.“ Das Programm, das über 30 Monate läuft und mit einem Budget von 3,8 Millionen Euro ausgestattet ist, wurde auf Bitten der früheren philippinischen Präsidentin Gloria Arroya installiert. Sie sollte sich 2006 in Brüssel wegen sogenannter „extra-legaler“ Tötungen und des „Verschwindenlassens“ von Menschen vor der Menschenrechtskommission verantworten. Dem entging sie geschickt mit ihrer Bitte um Hilfe.

Experten aus Justiz und Polizei wie Günter Neifer mussten bei ihrer Arbeit bei Null anfangen. „Insbesondere die Polizeiarbeit befindet sich dort auf unterstem Niveau“, schildert Neifer. Es mangele nahezu an allem. „Technische Ausstattung gibt es nicht. Auswertung von DNA-Spuren ist ein Fremdwort, es gibt keine Tatortarbeit, keine Labore, keine Computer“, sagt er kopfschüttelnd. Selbst Handys, die am Tatort gefunden wurden, würden nicht ausgewertet: „Auf die einfachsten Gedanken sind die nicht gekommen.“

Am meisten hat ihn erschüttert, dass Kapitalverbrechen wie Mord keinesfalls automatisch Ermittlungen auslösen: „Ermittelt wird nur, wenn es einen sogenannten Kläger gibt. Die Kläger würden dort meist unter Druck gesetzt, hätten Angst davor, das nächste Opfer zu sein. Konsequenz: „Sie erklären, dass sie kein Interesse mehr an der Aufklärung haben. Die Polizei stellt die Ermittlungen ein und ist zufrieden.“

Auf den Philippinen gebe es ferner keinerlei Zusammenarbeit zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft: „Die Staatsanwaltschaft erfährt dort erst dann von dem Mord, wenn die Akte auf dem Tisch liegt. Hier gehen wir sofort zum Tatort.“ Nicht nur das: Korruption sei ein allgegenwärtiges Problem, das selbst vor der Justiz nicht haltmache, weiß Neifer. Beispiel Ombudsmann: Der sei von der ehemaligen Regierung eingesetzt worden, um Korruption im öffentlichen Dienst aufzudecken. „Die Zusammenarbeit mit ihm war für uns nicht möglich. Das werden wir in unserem Bericht anprangern. Dann wird es eine polizeiliche Ermittlung geben und mit dem Ombudsmann wird Schluss gemacht.“

Eklatante Unterschiede

Alle Probleme und eklatanten Unterschiede hat Günter Neifer auf- und ausgearbeitet und seine dortigen Kollegen theoretisch und praktisch in Ermittlungs- und Aufklärungsarbeit geschult. Hatte seine Arbeit Erfolg? „Die Richtlinien, die ich erarbeitet habe, müssen jetzt von allen Staatsanwälten beachtet werden.“ Als Glückstreffer habe sich dabei der neue amtierende Präsident Aquino erwiesen: „Er ist sehr fortschrittlich“, urteilt Neifer. Er geht davon aus, dass es ein langer Prozess sein wird, bis Polizei und Staatsanwaltschaft Hand in Hand arbeiten und erfolgreich Mord und Totschlag aufklären.