Oberhausen. .
Das Kulturfestival „Melez“ hat Ruhr.2010 in diesem Jahr auf die Schiene gestellt. Halt macht die zum Festivalzug umgebaute S-Bahn mit verschiedenen Themenwagen auch in Oberhausen.
„Das ist ein Zug!“ soll Kulturhauptstadtdirektorin Asli Sevindim beim Blick über die Schulter von Dramaturg Thomas Laue gerufen haben, als er für „Melez“ die Veranstaltungsorte mit einem Stift auf der Karte verband.
Kreuze und Linien mit Folgen: Das Festival der Kulturen, das vor fünf Jahren in der Bochumer Jahrhunderthalle mit dem Anspruch der Hochkultur startete, soll nun auf die Schiene verlegt werden und im Oktober durch Oberhausen und das weitere Ruhrgebiet reisen – wie die Migranten, die vor Jahrzehnten hier ankamen.
So rankt sich jedenfalls eine hübsche urbane Legende um das Kulturhauptstadtprojekt, das bewusst anders, lässiger mit der vielstimmigen Ruhrgebiets-Gesellschaft umgehen will. Die Lockerheit klingt schon im Titel an: „Melez“ ist türkisch und bedeutet „Mischling“ – da schwingt junge, ein wenig rotzige Selbstbehauptung mit: „Na und?“ Fritz Pleitgen zeigte kürzlich zur Präsentation des künftigen Melez-Zuges ebenfalls die steife Oberlippe: „Deutscher wird man nicht durch Geburt, sondern durch Werte, die unsere Gesellschaft attraktiv gemacht hat“, so der Ruhr2010-Chef. Melez will eben kein „Ausländerfestival“ sein, betont keine Folklore zeigen.
Neue Möglichkeiten
Aber was dann? Zunächst verschafft der ungewöhnliche Ort neue Möglichkeiten: Der Zug wird dreizehn verschiedene Routen durch das Revier – von Duisburg bis Dortmund – nehmen und unterwegs die Städte zu bestimmten Themen verbinden. Da gibt es etwa den „Balkan Express“, der in Oberhausen am 16. Oktober um 18 Uhr beginnt und über Herne nach Dortmund führt. Während der Fahrt wird der aus Bulgarien stammende Autor Dimitre Dinev vorlesen, in einem anderen Abteil geben „De Jongens Driest“ ein Konzert. Jazz mischt sich mit Klezmer-Klängen, mischt sich mit Afrikanischen Rhythmen.
Etwas weiter führen „Romano Trajo“ ihre Gypsy-Musik auf. Und im nächsten Abteil erfährt man etwas über „Sinti und Roma – die letzten Nomaden Europas“. Wieder in Oberhausen angekommen, mischt sich Melez mit dem ersten interkulturellen Festival im Zentrum Altenberg: Zur „Balkan-Express-Party“ (ab ca. 20 Uhr) spielen „Äl Jawala“ und „Our Man From Odessa“.
Einen Tag zuvor, am 15. Oktober, rollt der Melez-Zug ab 18.52 Uhr mit einer „Literarische Nachtfahrt“ von Essen nach Dortmund – leider nicht über Oberhausen. Hier aber, quasi „neben der Spur“, treffen zwei Dichter des 20. Jahrhunderts literarisch aufeinander: der türkische Autor Nazim Hikmet und Bertolt Brecht. Beide sind verbunden durch ihre Erlebnisse im „Exil“. Die türkischstämmige Sängerin Sema hat Gedichte beider Auoren für das Theater Oberhausen und Melez zu einer musikalisch-szenischen Performance interpretiert. Beginn: 19.30 Uhr.
Viel Mühe reingesteckt
Wer aber lieber unterwegs ist – es lohnt sich allein schon des Zuges wegen. Die fünf Wagons der ehemaligen S-Bahn von 1982 wurden von 60 Auszubildenen der Deutschen Bahn kräftig umgestaltet und mit Soundanlagen und Monitoren ausgestattet. Die Lesungen finden etwa im Salonwagen statt, dessen Sitze mit oriental gemusterten Tüchern und Kissen verziert sind. Decke und Fenster sind mit bauschigen Stoffen verhangen, im Zentrum steht ein Klavier.
Im sitzlosen „Bühnenwagen“ geben unterschiedliche Musiker ihre Konzerte – hier soll übrigens das härteste und das schnulzigste Liebeslied produziert werden. Und was ganz hinten, im schrillbunten „Tanzcafé“, geschieht, sagt ja schon der Name. Allerdings nur an den Haltestellen – die Auflagen verbieten das Zappeln während der Fahrt.