Oberhausen. Das ist einzigartig in NRW: Die Arbeitsagentur Oberhausen lädt Arbeitslose ein, um in einem Kundenbeirat Kritik zu äußern. Die wagen klare Worte.

Arbeitsagenturen haben oft mit ihrem Ruf zu kämpfen. Daran hat auch wenig geändert, dass sie längst die bürokratische Bezeichnung Arbeitsamt abgelegt haben. Die Oberhausener Arbeitsagentur geht nun neue Wege, will Korrekturen vornehmen. Dazu hat sie einen Kundenbeirat gebildet - als erste und bislang einzige Agentur in NRW. Ihm gehören rund ein Dutzend Mitglieder an. 150 Arbeitslose, von der Behörde „Kunden“ genannt, hatten sich nach einem Aufruf gemeldet. Letztlich entschied ein Losverfahren, wer dem Gremium angehört. Nach einer Auftaktsitzung war die WAZ zum zweiten Treffen eingeladen. Ein Besuch.

Oberhausener Agenturchef braucht nur wenige Worte für die Wünsche an den Beirat

Auf den Tischen liegt Werbematerial für die Apps der Agentur aus, an der Seite stehen Getränke und Süßigkeiten bereit. Schon bevor es mit der eigentlichen Tagesordnung losgeht, sitzen die Mitglieder in lockerer Runde zusammen, unterhalten sich, reden mit Vertretern des Hauses. Es herrscht eine offene Gesprächsatmosphäre - wie sie Agenturchef Jürgen Koch auch haben möchte. Er braucht nur wenige Worte, um seine Wünsche an den Beirat zu skizzieren: Die Vertreter sollen ihren Sachverstand einbringen, aus Kundenbrille auf die Agentur schauen. Denn „wir wollen uns verbessern“.

Arbeitsagenturchef Jürgen Koch (rechts) skizzierte zum Auftakt des Treffens mit dem Kundenbeirat in Oberhausen Wünsche und Ziele.
Arbeitsagenturchef Jürgen Koch (rechts) skizzierte zum Auftakt des Treffens mit dem Kundenbeirat in Oberhausen Wünsche und Ziele. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Tim Gangfuß (27) muss da nicht lange überlegen. Der Internetauftritt könnte gefälliger und ansprechender daherkommen, gibt der Oberhausener zu verstehen. Sebastian Mantel, Teamleiter der Arbeitsvermittler, macht sich schon erste Notizen. Gabriele Sowa (Geschäftsführerin Operativ) weist darauf hin, dass neben der Webseite zwei Apps mit umfangreichem Service am Start sind. Die eine wendet sich an alle Kunden, die andere speziell an junge Leute, die einen Ausbildungsplatz suchen. Die Agentur werde sich aber noch digitaler aufstellen, erklärt sie. So sollen beispielsweise im Berufsinformationszentrum (BIZ) Tablets für die Besucher Einzug halten. VR-Brillen, die zahlreiche Berufe vorstellen, sind jetzt schon der große Renner.

Manche Oberhausener Bürger lehnen die App der Agentur regelrecht ab

Doch digitale Lösungen hin oder her: Die Agentur sollte bedenken, dass es „immer noch eine ganze Reihe von Leuten gibt, die mit dem Internet nichts am Hut haben“, heißt es aus der Runde. Man müsse auch diese Menschen im Blick behalten. Zudem erzählt ein Beiratsmitglied von Leuten, die sich weigern, die App herunterzuladen. Einige hätten wirklich Angst, wie er schildert, dass die Agentur sie kontrollieren könnte, was natürlich nicht der Fall sei. Wenn sich manche anderen Kunden reserviert zeigten, hänge das „mit dem schlechten Image“ der Agentur zusammen. Deren Angebote auf dem eigenen Handy sind dann unerwünscht.

Doch gerade die Kunden-App für alle Altersklassen, verdeutlicht Gabriele Sowa, bietet so viel Service: Terminanfragen platzieren, Kontakt mit Jobvermittlern aufnehmen oder auch die Bearbeitung von Anträgen verfolgen.

Hotline der Oberhausener Agentur steht in der Kritik: Oftmals sind die Wartezeiten zu lang

Um den Service der Agentur dreht es sich an dem Nachmittag noch häufiger. So bemängeln Mitglieder des Beirats, dass es zu langen Wartezeiten an der Hotline komme. Für die Kritik zeigt Jürgen Koch durchaus Verständnis, betont jedoch zunächst: „Die Telefonzentrale besetzen wir mit unseren eigenen Mitarbeitern, die Kunden landen in keinem Callcenter.“ Das eigentliche Problem liege in der äußerst schwankenden Zahl an Anrufen. Man versuche stets ausreichend Personal vorzuhalten, dennoch ließen sich nicht alle Spitzenzeiten mit hohem Andrang hinreichend abdecken. Deshalb empfiehlt er, auch digitale Wege für einen Kontakt zu nutzen.

Agenturchef Jürgen Koch: „Die Telefonzentrale besetzen wir mit unseren eigenen Mitarbeitern, der Kunde landet nicht in einem Callcenter.“
Agenturchef Jürgen Koch: „Die Telefonzentrale besetzen wir mit unseren eigenen Mitarbeitern, der Kunde landet nicht in einem Callcenter.“ © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Einen weiteren wunden Punkt spricht eine 54-jährige Vertreterin im Beirat an. Sie hat Programmiererin gelernt, hatte eine Stelle als Fundraiserin inne. Auf der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz schickte ihr die Agentur Vorschläge für Jobs in Callcentern und im kaufmännischen Bereich zu. „Die passten aber überhaupt nicht zu meinem beruflichen Profil, auch die Bezahlung wäre viel zu niedrig gewesen.“

Ähnlich erging es Kaharina Yalcin (30). Die gelernte Kauffrau für Bürokommunikation fand ebenfalls Vorschläge für Callcenter in ihrem Postkasten vor, wahlweise waren es auch Stellen im Vertrieb. Als sie dagegen eine Jobbörse eines Privatanbieters im Internet nutzte, „hatte ich sofort mehrere geeignete Vorschläge“. Inzwischen hat sie einen Arbeitsplatz in einem Metallbetrieb gefunden.

Die Jobvorschläge passten aber überhaupt nicht zu meinem beruflichen Profil, auch die Bezahlung wäre viel zu niedrig gewesen.
Vertreterin (54) im Oberhausener Kundenbeirat der Arbeitsagentur

Die Probleme sind dem Behördenchef wohlbekannt. Die Agentur arbeite daran, das Vorschlagswesen für neue Jobs deutlich zu verbessern, sagt Koch. Denn man stecke eine Menge Arbeit und Geld in dieses System, damit am Ende die Menschen einen geeigneten Arbeitsplatz finden. „Wir suchen nach den Fehlern und arbeiten daran, die gesamte Handhabe zu optimieren.“ Den Kunden empfiehlt er obendrein, in den Gesprächen mit ihren Vermittlern auf die jeweiligen beruflichen Kenntnisse sehr genau einzugehen. Das erleichtere den eigenen Mitarbeitern die Suche. Immerhin hätten mithilfe der Agentur im vergangenen Jahr aber rund 3000 Menschen eine Stelle gefunden haben.

Oberhausener Beirat richtet dringenden Appell an die Kunden

Aus dem Beirat kommt schließlich der Appell an die Arbeitslosen, das bei der Agentur hinterlegte Profil zu überprüfen. Ob auch wirklich alle Angaben zum beruflichen Werdegang, Qualifikationen und Kenntnissen noch zutreffend sind, sollte ein jeder genau checken. Damit es mit der Bearbeitung eines Profils auch richtig fluppt, „wäre doch zur Anleitung ein Video ganz angebracht“, schlägt Tim Gangfuß vor.

Über Ideen wie diese will der Beirat in den nächsten Sitzungen weiter sprechen. So möchte Andreas Fritz (61) den Service, den die Agentur mit dem B³-Raum zu bieten hat, noch stärker herausstellen. Hier sind stets Mitarbeiter der Agentur anzutreffen, die Fragen zu Jobs, Ausbildungsgängen oder Weiterbildung beantworten. „Dieses freie Angebot ist viel zu wenig bekannt“, betont Fritz. Die Abkürzung steht für die 3 Bs: Bildung, Beruf, Begegnung.

Für das nächste Treffen hat sich bereits hoher Besuch angekündigt. Andrea Nahles, einst SPD-Vorsitzende, heute Chefin der Bundesagentur für Arbeit, kommt anlässlich einer Arbeits- und Fachkräftekonferenz nach Oberhausen und will dem Kundenbeirat einen Besuch abstatten. Schließlich handelt es sich um ein bundesweites Vorzeigeprojekt.

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Nach öffentlichen Aufrufen der Arbeitsagentur über die sozialen Netzwerke, die Medien und die eigene Homepage, gab es nur wenige Reaktionen. Erst als die Niederlassung die Kundinnen und Kunden persönlich anschrieb, meldeten sich 150 von ihnen und wollten in dem Gremium mitwirken. Die Agentur hat die Interessierten dann in verschiedene Gruppen nach Alter, Geschlecht und Wohnort eingeteilt, um eine „gute Mischung“ zu bekommen.

Diejenigen, die bei dem Losverfahren nicht zum Zuge gekommen sind, hat die Agentur auf eine Warteliste gesetzt. Sollte ein Platz frei werden, weil beispielsweise ein Beiratsmitglied einen Job gefunden hat, rücken Bewerber von der Liste nach. Ferner hat die Agentur einen weiteren Kundenbeirat gebildet, dem ausschließlich Arbeitgeber angehören und der sich bislang einmal getroffen hat.