Oberhausen. Deutschland steckt in einer massiven Wirtschaftskrise - zum zweiten Mal hintereinander kein Wachstum. So gefährdet sind Oberhausener Unternehmen.

  • Die aktuelle Wirtschaftskrise in Deutschland trifft auch Unternehmen in Oberhausen
  • Der Pulsschag des wirtschaftlichen Engagements hat sich deutlich verlangsamt
  • Insgesamt sprechen Experten aber von einer positiven Wirtschaftslage

Im vergangenen Jahr ist Deutschlands Wirtschaft geschrumpft, in diesem Jahr erwartet die Bundesregierung praktisch kein Wachstum. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) spricht von einer „dramatisch schlechten Lage“ und meint: „So können wir nicht weitermachen.“

Wie reagieren Oberhausener Unternehmen auf das düstere Szenario? Wie sehr sind Arbeitsplätze vor Ort in Gefahr? Keine andere Institution ist hier so nah am örtlichen Wirtschaftsleben wie die Sparkasse, der Finanzmarktführer im Stadtgebiet, weil die 500 Beschäftigten auch viele Mittelständler und Selbstständige begleiten. Nach deren Eindruck hat sich der Pulsschlag des wirtschaftlichen Engagements tatsächlich spürbar verlangsamt. „Was nicht zwingend getan werden muss, wird derzeit von den Unternehmen auch nicht getan“, bemerkt Sparkassen-Vorstandsvorsitzender Oliver Mebus bei Vorstellung der Jahresbilanz 2023. „Die Unternehmen haben eine abwartende Haltung.“

Unternehmen investieren deutlich weniger in Oberhausen

Die Investitionsneigung ist deutlich geschrumpft, das ist an den Zusagen für neue gewerbliche Kredite in der Bilanz ablesbar: Sie gingen von 187 Millionen Euro im Rekordjahr 2020 auf 109 Millionen Euro im vergangenen Jahr zurück (minus 41 Prozent). Unternehmer vor Ort peilen gerade mal Ersatzinvestitionen an. Die deutsche Wirtschaftskrise trifft in Oberhausen zwar die eine oder andere Branche, wie die Neubau-Entwickler und die Handwerker. Doch flächendeckend zeichnet die Sparkasse ein überraschend positives Bild von der Wirtschaftslage in der Stadt. Und das trotz Fachkräftemangels, hoher Energiekosten, städtischer Steuerbelastung, steigender Kreditzinsen und immer höherem Bürokratieaufwand, über den die Firmenchefs nicht nur in Oberhausen klagen.

Die Vorstände Thomas Gäng (li.) und Oliver Mebus der Stadtsparkasse Oberhausen sehen noch keine gravierenden Schleifspuren durch die deutsche Wirtschaftskrise bei den örtlichen Unternehmen.
Die Vorstände Thomas Gäng (li.) und Oliver Mebus der Stadtsparkasse Oberhausen sehen noch keine gravierenden Schleifspuren durch die deutsche Wirtschaftskrise bei den örtlichen Unternehmen. © Oberhausen | Lars Fröhlich

„Die Oberhausener Unternehmen sind weitgehend erfolgreich im Markt und konnten höhere Preise in ihren Geschäftsfeldern durchsetzen, so dass sie ihre Mehrkosten ausgleichen konnten“, beobachtet Mebus. Liquiditätsprobleme haben die Firmen bisher im Durchschnitt nicht: Weder beobachtet der Sparkassen-Vorstand höhere Kontoüberziehungen (die Zusagen an Kontokorrentkrediten betragen 90 Millionen Euro nach 98 Millionen Euro für 2022) noch eine Verschlechterung der Kreditwürdigkeits-Einstufungen.

Das Handwerk klagt aber bereits über Rückgänge bei den Auftragsbeständen. Zum Teil mussten Handwerker ihre Preisvorstellungen für Aufträge leicht zurücknehmen. „Wir hören am Markt, dass man nicht mehr so lange auf Handwerker warten muss wie noch vor einiger Zeit.“

Aus Sicht der Sparkasse ist die Wirtschaftslage in der Stadt immer noch so gut, dass sie keine strengeren Maßstäbe als bisher an die Vergabe von Krediten verordnen muss. Im Gegenteil: Die vorsichtige Geschäftspolitik der vergangenen Jahre hat dazu geführt, dass Rückstellungen für den Fall von Kreditpleiten gehoben werden können. „Wir sind ein wenig stolz darauf, dass wir 573.000 Euro an Vorsorge auflösen konnten, da wir sie nach unseren Risikoeinschätzungen nun doch nicht benötigen“, sagt Sparkassen-Vorstandsvize Thomas Gäng. Einst als schwierig eingeschätzte Darlehen seien doch zurückgezahlt worden. Das ist im Übrigen ein Grund dafür, warum es der Sparkasse gelang, für 2023 einen Jahresüberschuss von fünf Millionen Euro auszuweisen - ein Rekordwert, der seit über 15 Jahren nicht mehr erzielt wurde.

Zahl der offenen Stellen bei Arbeitsagentur deutlich gesunken

Das (noch?) positive Szenario entspricht den Analysen der Arbeitsagentur- und Jobcenter-Chefs in Oberhausen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten ist mit über 70.000 weiter auf Rekordhöhe, die Zahl der Kurzarbeiter ist gesunken und die Zahl der Arbeitslosen mit im Jahresschnitt 2023 rund 11.600 Menschen nur leicht gestiegen. Eine echte Wirtschaftskrise sieht anders aus. Die Betriebe halten ihr Personal auch in Schwächephasen zusammen, weil es so schwierig geworden ist, neue Kräfte zu gewinnen.

Die Zahl der Insolvenzverfahren ist in den ersten drei Quartalen 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zwar gestiegen, aber nur leicht und auf niedrigem Niveau. „Wer entlassen wird, findet aber immer noch relativ schnell einen neuen Job“, sagt Arbeitsagentur-Geschäftsführer Jürgen Koch.

Wer entlassen wird, findet aber immer noch relativ schnell einen neuen Job.
Jürgen Koch - Oberhausener Arbeitsagentur-Chef

Sorgen bereit allerdings ein Frühindikator: der Zugang an offenen Stellen, die Arbeitgeber den Arbeitsmarktexperten der Behörde melden. Die Zahl neuer freier Arbeitsplätze ist von 4900 (Jahr 2021) auf 3500 (2023) gesunken - ein Minus von 28,5 Prozent. „Das ist ein klares Alarmsignal“, meint Koch zur Jahresbilanz 2023. Es ist der niedrigste Zugang an offenen Stellen seit 15 Jahren. Der Bestand an offenen Stellen sank um 15 Prozent auf 1600 Arbeitsplätze. Dieser Trend hat sich Anfang des Jahres nicht weiter fortgesetzt, die Zahl an offenen Stellen blieb stabil.

Die Arbeitslosigkeit ist in Oberhausen sogar zurückgegangen; andere Ruhrgebiets-Kommunen müssen hier einen Anstieg vermelden. „Wir haben den Winter gut überstanden. Eine Krise ist nicht in Sicht, aber wir müssen aufmerksam bleiben. Denn die allgemeine Lage wird nicht immer am Arbeitsmarkt in Oberhausen vorbeigehen“, sagte Jürgen Koch Ende Februar im Gespräch mit der Redaktion. Auf die leichte Schulter nehmen können Unternehmer, Arbeitnehmer und Finanziers die Wirtschaftskrise also nicht - auch nicht in Oberhausen.