Oberhausen. Das Theater Oberhausen setzt mit Bambi, dem Kinderstück ab 12 Jahren, auf Umweltaspekte. Selbst das Geweih fürs berühmte Rehkitz ist recycled.

„Tiere betätigen sich künstlerisch“, sagt Anselm Dalferth. Der Regisseur und studierte Violinist verweist auf aktuelle Forschungen und erstaunliche Erkenntnisse, „die man früher verneint hat“ – schon um den Menschheits-Status als vermeintliche „Krone der Schöpfung“ nicht zu gefährden: Heute weiß man um das liebevolle Sozialgefüge im Matriarchat der Hyänen, kennt den ausgeprägten Spieltrieb etlicher Walarten und akzeptiert, dass auch der Gesang der Vögel geübt und gekonnt einstudiert ist. Da sollte man auch die Welterfahrungen eines Rehkitz‘ nicht unterschätzen. Als „Stückentwicklung“ inszeniert Anselm Dalferth am Theater Oberhausen „Bambam Bambi“ – und darin steckt natürlich die seit hundert Jahren vielgelesene Erzählung von Felix Salten.

Oder sollte man sagen, der vielgesehene Disney-Zeichentrickfilm von 1942 (in dem das Rehkitz auch noch zu einem nordamerikanischen Weißwedelhirsch mutiert ist)? „In den Film habe ich erstmal nicht reingeguckt“, sagt der gefragte Musiktheater-Regisseur. Aber er betont: Die „Lebensgeschichte aus dem Walde“ des gebürtigen Budapesters Felix Salten (1869 bis 1945) „bleibt im Zentrum“ seiner Produktion, deren Uraufführung am Freitag, 15. März, um 19.30 Uhr im Großen Haus steigt. Naturerfahrung übersetzt diese Inszenierung „in die Perspektive der Musik und des Klangs“ – und bietet darum neben Live-Musikern auch ein junges Tanz-Paar aus dem „Urban Arts“–Ensemble auf.

Der spätere „Bambi“-Romancier Felix Salten liest 1911 seinen Kindern vor. Die „Lebensgeschichte aus dem Walde“ schrieb er allerdings für ein erwachsenes Publikum.
Der spätere „Bambi“-Romancier Felix Salten liest 1911 seinen Kindern vor. Die „Lebensgeschichte aus dem Walde“ schrieb er allerdings für ein erwachsenes Publikum. © Handout | Jüdisches Museum Wien

„Es ist kein Tierroman“, sagt Anselm Dalferth etwas überraschend – und erklärt: „Bambi hat mit menschlichen Beziehungen zu tun. Es sind Gesellschaftsbilder.“ Zudem schrieb Felix Salten vor hundert Jahren für ein erwachsenes Publikum – und zwar überaus gekonnt und genau beobachtet. „Seine Sprache ist nicht kitschig wie der Film.“ Auf krasse Gewaltszenen (etwa jene Treibjagd, die wohl auch das Weltkriegs-Trauma des Romanciers spiegelt) verzichtet natürlich diese Produktion für ein Publikum ab zwölf Jahren.

„Wir können ja im Theater gar nicht den Wald abbilden“, weiß der Regisseur. Wie sollte das bei heutigen Sehgewohnheiten etwa mit gemalten Bühnenbildern gelingen? Seine Verbundenheit mit der „Klimamaschine“ Wald will das Theater Oberhausen anders beweisen: mit einer besonders guten Klimabilanz für „Bambam Bambi“. Das erlebe er nicht als Einschränkung für seine Regiearbeit, versichert Anselm Dalferth – sondern als Ansporn für Kreativität. „Als hätten wir einen Superorganismus Wald auf der Bühne“, ergänzt Anne Verena Freybott.

Die Dramaturgin und Leiterin der „Open Haus“-Sparte räumt offen ein, dass es für das 104-jährige Theater – seit Jahren eine „Baustelle“, die sich erst noch energetisch fit machen muss – noch ein weiter Weg ist. Für britische Schauspielhäuser existiere längst ein „Theatre Green Book“, weiß Freybott – und ahnt: „Die Auflagen für Bambam Bambi könnten zu Standards werden für künftige Inszenierungen.“ Den klimafreundlichen Startversuch fördert der „Fonds Zero“ der Kulturstiftung des Bundes, zudem sorgte das Oberhausener Fraunhofer Umsicht für weitere Unterstützung – bis hin zu einem Satz elektrischer Fahr- und Lastenräder.

Perfekt getarnte Musiker: In ihren Zottelgewändern sind Violinist und Keyboardspieler im tiefen Grün des Bühnenbildes kaum auszumachen.
Perfekt getarnte Musiker: In ihren Zottelgewändern sind Violinist und Keyboardspieler im tiefen Grün des Bühnenbildes kaum auszumachen. © Handout | Theater Oberhausen

Anne Verena Freybott gibt zu: „Wir sind eines der Anfänger-Häuser.“ Dem globalen Thema des Klimawandels widmeten sich schon in der vorigen Spielzeit die Produktionen „Der Schimmelreiter“ nach Theodor Storm und „Der lange Schlaf“ von Finegan Kruckemeyer: Doch bei deren Entstehung und Ausstattung stand die Klimabilanz selbst nicht zur Debatte.

Beraten von den Umsicht-Experten geht‘s für „Bambam Bambi“ durch alle Aspekte der Inszenierung: Wie lässt sich Material für Bühnenbild und Kostüme wiederverwenden – aber so, dass beides dennoch toll aussieht? Wie lässt sich die schlechte Busanbindung zur Probenbühne in Buschhausen kompensieren? Welche Spar-Tricks helfen bei der Lichtführung? „Bei einem Öko-Preis sind wir noch nicht“, sagt die Dramaturgin. Doch Bühne, Kostüme – und nicht zuletzt die Reh-Geweihe – „sehen großartig aus“, verspricht Freybott.

Der Klimawandel als apokalyptisches Endzeitspiel: „Der lange Schlaf“ von Finegan Kruckemeyer war allerdings noch nicht „klimaschonend“ produziert.
Der Klimawandel als apokalyptisches Endzeitspiel: „Der lange Schlaf“ von Finegan Kruckemeyer war allerdings noch nicht „klimaschonend“ produziert. © Theater Oberhausen | Martin Sigmund

Wie sich die Detailarbeit an etlichen kleinen Stellschrauben schließlich in ersparte Kohlendioxid-Mengen umrechnet, dafür ist die Theater-Verwaltung zuständig, erklärt die „Open Haus“-Chefin. Gewertet wird der Zeitraum von der Abgabe des Bühnen-Modells im Oktober bis zur letzten Vorstellung dieser Spielzeit im Juni. Sollte die Bilanz allzu kläglich ausfallen, „müssten wir Fördergelder zurückzahlen“. Doch das befürchten die Oberhausener Wald-Enthusiasten nicht; schließlich wissen auch die Förderer beim „Fonds Zero“ um die Kunst des Machbaren.

15 „Bambam Bambi“-Vorstellungen, abends und für Schulklassen

Für „Bambam Bambi“ sind bis zum Ende der Spielzeit bereits 15 Vorstellungen angesetzt, darunter auch einige Vormittags-Termine für Schulklassen. Karten für die Premiere am Freitag, 15. März, um 19.30 Uhr im Großen Haus gibt‘s von 12 bis 32 Euro, für die folgenden Termine von 11 bis 23 Euro, ermäßigt zu 5 Euro.

Reservierungen über das Kartentelefon, 0208 8578 184, oder per Mail an service@theater-oberhausen.de