Oberhausen. Fotos lassen beim Protest gegen den Ukrainekrieg das Leid nur erahnen. Zugleich bewegt die Gäste, dass zwei Ukrainer in Oberhausen getötet wurden.
Vor zwei Jahren hat Russland die Ukraine überfallen. Am Vorabend des Jahrestages kamen viele Menschen im Leerstand am Oberhausener Hauptbahnhof zusammen, um ihre Verbundenheit mit dem geschundenen Land zum Ausdruck zu bringen. An die beiden während der Karnevalstage in direkter Nähe getöteten beiden jungen Ukrainer soll mit einem gesonderten Gedenken erinnert werden.
Eingeladen hatte die Stadt Oberhausen im Schulterschluss mit dem Kulturzentrum Kitev. Wer sich zu der Veranstaltung aufgemacht hatte, bekam erschreckende Bilder zu sehen. Unter dem Titel „Die Welt, aus der ich floh“ stellte die aus Charkiw stammende Fotografin Svitlana Iziumska zehn großformatige Fotos ihrer Heimatstadt aus, die ausnahmslos zerstörte Häuser, ausgebrannte Wohnungen und Trümmerlandschaften zeigen. Verzweiflung klang in den Worten von Iziumska mit, als sie sagte: „Es war eine der schönsten Städte der Ukraine“. Sie selbst ist vor zwei Jahren mit ihrem Sohn vor dem Krieg geflohen.
Zerstörte in Originalgröße zu sehen
Fotograf Frank Thon unternahm mit seiner Installation ein Experiment, als er mit einem Beamer Bilder aus dem Alltagsleben in der Ukraine auf den Bahnhofsturm projizierte. Auch wenn die Fotos auf den rotbraunen Backsteinen nicht so sehr lichtstark waren, wirkten sie aufgrund ihrer Ausmaße. „Den Krieg in der Ukraine nehmen viele Menschen auf dem Handy wahr, ganz klein“, sagt Frank Thon. Auf den Bildern am Bahnhof erschienen die zerstörten Häuser in Originalgröße.
Thon hat im Winter 2022 und Spätsommer 2023 in den Städten Kyiv, Lviv, Dnipro, Tschernihiw und Saporischschja fotografiert. Ursprünglich wollte er Architektur ablichten, doch dann hat es ihn beeindruckt, wie die Menschen angesichts von Leid und Elend den Alltag meistern. Seine Fotos erzählen vom Leben inmitten des Krieges und davon, dass die Ukrainer dem Grauen mit Kunst, beispielsweise Graffiti-Aktionen, etwas entgegensetzen. Die Bilder sind in dem Band „Alltag und Zerstörung“ festgehalten.
Videoschalte in die Ukraine
Eine Videoschalte machte es möglich, dass die Gäste in Oberhausen sich eine Ausstellung im ukrainischen Lviv anschauen konnten, mit der Künstler der russischen Invasion entgegentreten. Eine Ausstellung mitten im Krieg? „Was kann sie anders sein als ein verzweifelter Schrei nach Menschlichkeit?“, sagt Kuratorin Natalia Matsenko. „Es ist ein Zeichen, dass die Künstler weitermachen - trotz des Krieges.“
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Zu den eindrucksvollen Momenten des Abends gehörte der Film „Wir werden auf jeden Fall darüber reden, wenn der letzte Fliegeralarm beendet ist“. Bildgewaltig und in einem Farbenrausch zeigt der Film die Schaffenskraft der ukrainischen Kunst, die sich trotzig dem russischen Angreifer widersetzt.
Auf die Besucher wartete schließlich noch ein Büfett mit ukrainischen Spezialitäten wie Verguny, das dem Pfannkuchen ähnelt. Zubereitet hatten es Ukrainerinnen gemeinsam mit Frauen aus verschiedenen arabischen Staaten.
Gedenken an die getöteten Ukrainer in den nächsten Tagen
Das Gedenken an die beiden getöteten Jugendlichen soll in den nächsten Tagen erfolgen, erklärte Veranstalterin Vite Joksaite von kitev. Man habe sich nach langer Diskussion für eigene Aktion entschieden, um den Solidaritätsabend und die Erinnerung an die unfassbare Bluttat voneinander zu trennen.
Derweil zeigten auf Nachfrage Reaktionen der Besucher, dass sie der Tod der zwei jungen Ukrainer „unendlich traurig macht“, wie es Daria Sulzhenko formulierte. Sie hat nur eine Frage: „Warum?“ und erzählt, dass Ukrainer hierzulande durchaus Anfeindungen von russisch-stämmigen Leuten erleben würden. Trotzdem fühle sie sich hier - Vergleich zu ihrem Heimatland - sicher.
Sergej Dryzhyruk, der schon 2016 aus der Ukraine nach Deutschland kam, ist überzeugt, dass es sich um einen eskalierten Streit unter Jugendlichen handelt und „nicht um eine fremdenfeindliche Tat“. Auch er fühlt sich in Oberhausen mit seiner Familie sicher. Für den Tod der jugendlichen Ukrainer hat er nur ein Wort: „schrecklich“.
Protestzug mit rund 400 Menschen
Am Samstag, dem Jahrestag selbst, versammelten sich auf dem Friedensplatz rund 400 Menschen, um gegen den Einmarsch Russland zu protestieren. Der noch junge Hilfsverein Gromada.ua hatte zu der Demo eingeladen. Ein verwundeter Kriegsveteran und die Vorsitzende Alina Ovcharenko verurteilten die Invasion Moskaus und sprachen über das Leid der Menschen in ihrem Heimatland. Zudem trugen Kinder Gedichte vor, gemeinsam sangen die Teilnehmer ukrainische Lieder. Anschließend zogen sie mit einer großen blau-gelben Flagge über die Christian-Steger-Straße zur Christuskirche. Wie auch schon am Vorabend gab es auch jetzt eine Liveschalte in die Ukraine, dieses Mal wurde eine Verbindung nach Saporischschja aufgebaut. Dort haben Akteure eine Kunstinstallation aufgebaut, die an alle Menschen erinnert, die vor dem Krieg geflüchtet sind.