Oberhausen. In Sterkrade liegt womöglich eine so dicke Bombe aus dem Weltkrieg, dass Oberhausen vor dem größten Kampfmittel-Einsatz seit Jahrzehnten steht.
Auf den Luftbildern aus dem Zweiten Weltkrieg kann man das Ding nicht genau erkennen, die Fachleute wissen nur ganz genau: Da liegt etwas im Boden. Das ist etwa so groß wie eine Badewanne, wie eine typische Bombe aus der Zeit der alliierten Luftangriffe auf Industrieanlagen im Ruhrgebiet. Der Schatten aus der Vergangenheit kann eine kleinere Fünf-Zentner-Bombe oder eine gewaltige Zehn-Zentner-Bombe sein, die damals nicht explodiert ist. Der Blindgänger ist nicht gefährlich, so lange ihn niemand aufdeckt und anhebt - doch genau dies ist jetzt wegen Bauarbeiten unbedingt notwendig. Und er liegt genau da, wo man ihn auf keinen Fall haben will: am Rande der Sterkrader Innenstadt.
+++ Über die aktuelle Entwicklung rund um die Evakuierung informieren wir Sie am Dienstag in unserem Newsblog zur Bombe in Oberhausen. +++
Und dieses Relikt sorgt nun dafür, dass Oberhausen nach Informationen dieser Redaktion den größten Kampfmittel-Räumeinsatz seit Jahrzehnten planen muss. Bereits seit Mitte Dezember grübeln die Katastrophenschützer der Stadt und des Landes darüber, wie man die Entschärfungsaktion angeht: Denn sollte sich herausstellen, dass hier zehn Zentner uralter Sprengstoff im Boden herumliegen, müssen in Sterkrade über 4300 Bewohner aus ihren Wohnungen heraus - für mehrere Stunden. Darunter befindet sich auch eine nicht unerhebliche Zahl an Menschen, die zu Hause von Pflegediensten oder Angehörigen gepflegt werden oder die stark bewegungseingeschränkt sind. Schlimmer noch: Auch das ganze Krankenhaus St. Clemens mit seinen 300 Patienten, ob bettlägerig oder nicht, müsste komplett geräumt werden.
Termin der Entschärfung der Bombe: Dienstag, 20. Februar 2024
Die Kampfmittel-Fachleute der Bezirksregierung Düsseldorf haben den Termin für die aufwändige Sondierung der Bombe vor Ort, die mögliche Evakuierung der Innenstadt von Sterkrade und die anschließende Entschärfung der Bombe bereits angesetzt: Am nächsten Dienstag, 20. Februar, soll es frühmorgens losgehen. Zunächst werden die Experten rund um den Platz der vermuteten Bombe Löcher bohren, um hier mit technischen Geräten zum Ort des Blindgängers vorzustoßen. Bis zehn Uhr an diesem Dienstag soll klar sein: Ist es tatsächlich eine Bombe oder ist es doch eine stählerne alte Badewanne? Zu 90 Prozent sind die Fachleute davon überzeugt, dass es sich um eine Weltkriegsbombe handelt.
Deshalb beschäftigt sich Ordnungsdezernent Michael Jehn bereits seit Wochen mit zahlreichen Organisationen und Bereichen mit diesem Tag, darunter das Deutsche Rote Kreuz, der Arbeiter-Samariter-Bund, die Feuerwehr, die Polizei, der Krankenhaus-Betreiber Ameos. „Nach dem historisch großen Einsatz der Katastrophenhelferinnen und -helfer beim Hochwasser an der Ruhr im Dezember müssen wir nun eine Aktion ähnlich großen Ausmaßes bewältigen. Über 700 Menschen aus ganz NRW werden an diesem Tag im Einsatz sein, denn wir alle müssen uns auf den Fall vorbereiten, dass dort tatsächlich eine Zehn-Zentner-Bombe liegt“, sagte Jehn auf Anfrage der Redaktion. Sie werden eingesetzt, um Menschen zu transportieren, Bewohner zu informieren, Helfer mit Lebensmittel zu versorgen. Insgesamt werden 120 Fahrzeuge benötigt. Gebrechliche oder bettlägerige Personen in Wohnungen können ab sofort eine eigene Hotline anrufen, um einen kostenlosen Fahrdienst unter der Rufnummer 19222 zu bestellen.
Bereits vor Weihnachten war der fachmännisch „Bombenverdachtspunkt“ genannte Bereich den Fachleuten bekannt, doch bei allen Beteiligten herrschte strenges Stillschweigen, um die betroffenen Bürger nicht unnötig in Unruhe zu versetzen. Doch nun startet die Stadt eine Informationsoffensive, denn sie ist darauf angewiesen, dass jeder Bewohner in dem Bereich der Bombe zum Zeitpunkt der Bombenentschärfung mitwirkt. Sollte es sich nur um eine Fünf-Zentner-Bombe handeln, dann wird nur der Bereich im Radius von 250 Metern mit 900 Personen evakuiert; bei einer Zehn-Zentner-Bombe wären 4300 Personen im Umkreis betroffen.
„Die betroffenen Sterkrader müssen ihre Wohnungen verlassen und sich darauf einstellen, dass sie mehrere Stunden nicht zurückkehren können“, gibt Jehn im Fall eines entdeckten Blindgängers an. Um 10 bis 11 Uhr am Dienstagmorgen wird von den Kampfmittelfachleuten geklärt sein, um was es sich bei dem Luftbild-Schatten handelt, danach fahren Info-Wagen der Feuerwehr und des Ordnungsamtes durch die Straßen der betroffenen Anwohner und rufen über Lautsprecher zur Evakuierung auf. Zudem informieren Ordnungskräfte zu Fuß, in dem sie an alle Haustüren klopfen, auch die NINA-Warnapp wird eingeschaltet, neueste Infos gibt es ständig auch auf Radio Oberhausen und auf den Webseiten waz.de/oberhausen und nrz.de/oberhausen. Bis 17 Uhr müssen dann alle Einwohner aus der heiklen Zone sein. Danach wird der Blindgänger entschärft.
Ameos-Krankenhaus St. Clemens in Sterkrade muss womöglich evakuiert werden
Die stundenlange Vorlaufzeit ist notwendig, weil die Evakuierung des Krankenhauses St. Clemens lange dauert. Alle Patienten werden ins leer stehende Marienhospital gefahren - besonders auch alle bettlägerigen, die in einem Versorgungszelt vor dem Osterfelder Krankenhaus aus dem Wagen in ein transportfähiges Bett umgelagert werden. Wer als Anwohner nicht bei Freunden oder Verwandten unterkommen kann, dem wird eine Heimstatt in der Gesamtschule Osterfeld (Heinestraße 22) geboten - inklusive Verpflegung. Die Fahrt dahin ist mit einem kostenlosen Shuttle-Bus der Stoag möglich. Die Zentrale für die Einsatzkräfte wiederum wird am Max-Planck-Ring auf dem Gelände der Stoag eingerichtet.
Eingeschränkt unterwegs sein werden am Nachmittag des Kampfmittel-Räumtages auch der öffentliche Nahverkehr - sowohl Stoag-Busse als auch Züge am Sterkrader Bahnhof.
Das Oberhausener Ordnungsamt erwartet zwar, dass alle betroffenen Sterkraderinnen und Sterkrader kooperativ sind, dennoch wissen die erfahrenen Experten: „Bei solchen Aktionen gibt es immer wieder Leute, die sich uneinsichtig zeigen und nicht aus ihrer Wohnung wollen. Die Kolleginnen und Kollegen sind allerdings erfahren, mit solchen Menschen umzugehen und sie zu überzeugen, den Gefahrenbereich zu verlassen“, meint Jehn.
Stadt Oberhausen besetzt zentrale Bürgerhotline mit mehr Kräften: 0208-825-1
Die genaue Fundstelle gibt die Stadt Oberhausen auch in den nächsten Tagen nicht bekannt. Deshalb wird die Stadt diesmal auch keine Karte mit Radien veröffentlichen, wo und wie die Menschen in der Region betroffen sind. Denn wenn der genaue Punkt öffentlich ist, muss der Bereich nach den Vorschriften der Bezirksregierung rund um die Uhr gesichert werden, um Schaulustige oder gar leichtsinnige Blindgänger-Grabende abzuhalten. Auf einem Flugblatt werden nur alle möglicherweise betroffenen Straßen aufgelistet - und auf der Homepage der Stadt Oberhausen (www.oberhausen.de) veröffentlicht. Verstärkt worden ist ab sofort auch die Bürgerhotline der Stadt unter der Telefonnummer 0208-825-1 in der Zeit von 7 bis 17 Uhr - falls jemand Fragen hat.
Nach bisherigen Erkenntnissen der Stadt Oberhausen kann der größte anzunehmende Evakuierungsbereich – je nach Ergebnis der Untersuchung – folgende Straßen betreffen:
• Am Aldenkampshof 1 bis 26, 28, 30, 32, 34, 36, 40, 42, 44, 46, 48, 50, 52, 54, 56, 58, 60, 62
• Bahnhofstraße 4, 6, 8, 11 bis 30, 32, 33, 34, 36, 38, 40, 42 bis 56, 58, 64
• Brandenburger Straße 1, 2, 5, 9, 13, 18, 20, 22, 24, 26, 28, 30, 32, 34,36, 36a, 38, 38a
• Christinestraße 2, 2a, 4, 8, 11, 13, 15, 17, 19 bis 23
• Eichelkampstraße 15, 17, 19, 21
• Finanzstraße 1, 3, 5, 7, 8, 10, 12, 14
• Friedrichstraße 6, 8, 10, 13, 15, 17, 19, 19a, 23 bis 27, 29, 31, 33, 35, 38, 39
• Gartenstraße 2, 7 bis 15, 19 bis 22, 24, 26 bis 30, 32, 34
• Großer Markt 6
• Hagedornstraße 1, 4, 5, 6, 8, 10 bis 14, 16, 17, 18, 20, 22 bis 25a, 27 bis 53, 55, 57, 59, 61, 63
• Hegerfeldstraße 1 bis 12, 15, 17 bis 26, 28 bis 32, 34, 36, 38, 42, 44, 46
• Heidstraße 8, 9, 10, 12 bis 17, 19, 21, 21a, 23, 25, 27, 28, 28a, 29, 33, 37, 39
• Hildegardstraße 1, 3, 4, 14, 15
• Holtkampstraße 3, 5, 7, 8, 9, 11 bis 15, 18, 20, 22a, 24, 26
• Im Kreuzfeld 1 bis 4, 6, 8
• Kantstraße 6
• Klosterstraße 4, 6, 8, 10, 17
• Kolpingstraße 3, 7, 9
• Leuthenstraße 32, 34, 36, 38, 40, 42, 44, 45, 47, 48, 50, 52, 54, 56, 58 bis 70, 72, 74 bis 83, 88, 90, 92
• Neugahlener Straße 2, 3, 5
• Neumühler Straße 5, 9 bis 15, 17, 20a, 21, 22, 24, 26, 28
• Parkstraße 4, 6 bis 10, 13 bis 35, 37 bis 51, 53, 55, 56, 58, 58a
• Preußenstraße 6 bis 17, 19, 22 bis 34, 36 bis 39, 41, 43, 44, 46, 46a, 47, 49, 51
• Ramgestraße 1 bis 7, 11, 13, 15, 17, 19 bis 21, 23
• Robert-Koch-Straße 1, 3, 5, 12, 14, 16, 18, 25, 29, 31, 32
• Steinbrinkstraße 200, 201, 203 bis 207, 209, 211, 214 bis 218, 220 bis 222a, 224 bis 227, 229, 233a, 235, 239, 243, 245 bis 247, 249, 251, 253, 255, 259, 261, 264 bis 266, 269, 271
• Tirpitzstraße 8, 10, 12, 13, 15
• Turnerweg 3
• Von-Trotha-Straße 8 bis 8g, 10a bis 10d, 14, 16, 19, 21 bis 26b, 28, 30 bis 35, 37, 39, 41, 43, 45 bis 49a, 51, 53, 55, 57, 67, 69, 71
• Westrampe 1, 25, 27, 29, 29a
• Wilhelmstraße 1, 2, 3, 5, 7, 10, 11, 14, 16, 18, 20, 21, 23, 24, 25, 29, 31, 33, 35, 35a, 37, 39, 43, 45, 46, 48 bis 54, 56, 57, 59, 61, 63, 65, 67, 69, 71
• Zilianplatz 2, 2a, 4, 6