Oberhausen. Für einen Tag kehrte die legendäre Reichstein-Currywurst in Osterfeld zurück. Ein Riesenerfolg. Welche Erinnerungen die Kunden damit verbinden.
In Osterfeld erklingt am Mittag Glockengeläut. Und hunderte Menschen steuern eine Autowerkstatt an. Normalerweise geht es in den Werkshallen um heulende Motoren. Nun sind die Hebebühnen zu Stehtischen umfunktioniert. Es duftet nach Pommes und Wurst vom Grill. Für einen Tag kehrt bei „Cardoc“ die legendäre Currywurst des geschlossenen Reichstein-Imbisses zurück. Und das Interesse ist riesig. Eine Warteschlange schlängelt sich aus der Werkstatt heraus bis zur Lilienthalstraße.
Stau in der Autowerkstatt! Und die meisten Gäste nehmen die lange Wartezeit ohne Murren in Kauf. „Wir haben eine Stunde gewartet“, erzählt ein Kunde. „Aber das ist es wert.“ Die Gesichter hellen sich auf, wenn die Schalen mit der Wurst samt der dampfenden Soße über den Tresen gereicht werden. Kunden fahren Currywurst-Portionen sogar auf der Ablage von Rollatoren bis zum Tisch. Nostalgie überall: „Ich habe hier ein Stück Kindheit in meinen Händen.“
Kult-Imbiss öffnete zwischen 1963 und 2020 in Osterfeld
Der legendäre Imbiss öffnete von 1963 bis 2020 auf der Kettelerstraße 1a. Gastgeberin Maria Reichstein sorgte damals für gleichbleibenden Imbiss-Charme. Im weißen Kittel, stets mit netten Worten. Die Speisekarte war übersichtlich. Doch die Gerichte kultig - wie die eigene Currywurst. Durch die Corona-Pandemie und aus gesundheitlichen Gründen ging es nicht mehr weiter. Maria Reichstein verstarb im Februar 2022.
Danach öffnete im Ladenlokal zwischenzeitlich ein Falafel-Imbiss, heute serviert dort die neue Grillstube „Extrasatt“. Allerdings mit einem eigenen Konzept und Rezepten.
Nun bringen die Reichstein-Töchter Melanie und Michaela das Original-Kultgericht zurück - zum dritten Mal. Schon im Februar und März 2023 konnten Kunden für einen Tag schlemmen. „Die Resonanz ist für uns überwältigend. Wir sind im Imbiss aufgewachsen und kennen viele Stammkunden noch mit Namen.“ Damals wie heute ist für die Töchter, die beide im Büro arbeiten, auch der Revival-Tag eine Familienangelegenheit. Die Ehemänner Thorsten und Michael stehen am Grill. Die Töchter Isabella, Laura und Valentina packen mit an.
„Ich bin extra aus Xanten angereist“, sagt Georg Pochwyt (56). „Ich war zwölf Jahre alt, als ich meine erste Currywurst bei Reichstein bestellt habe. Der Geschmack ist unübertroffen.“ Vor 26 Jahren zog er an den Niederrhein, bleib aber beruflich in Oberhausen. „Auf dem Rückweg habe ich mir die Currywurst immer mitgenommen. Gut einpackt in Zeitungspapier.“ Was macht die Currywurst überhaupt so besonders? „Die Soße ist einfach wunderbar.“ Auch Cardoc-Chef Daniel Lübbe findet die Osterfelder Spezialität einzigartig: „Entweder man mag sie oder nicht. Es gibt kein Dazwischen.“
Currywurst für Zuhause? Reichstein-Schwestern haben Pläne
Die Familien der Reichstein-Töchter haben diesmal selbst auf Details geachtet. Die Currywurst wird in der Schneidemaschine von früher geschnitten. Selbst der verbeulte Salzstreuer ist noch original. Am Wurstlieferanten und an der geheimen Soßenrezeptur hat sich nichts geändert. Es ist eine Currysoße auf Bratensoßen-Basis, mit selbst hergestelltem Ketchup, der wie ein Topping auf der Soße landet, sowie einem Gewürzpulver, das der Reichstein-Kreation ihre eigene Note geben soll. 3,90 Euro kostet beim Currywurst-Revival eine Portion.
Auch Pommes, Getränke und Waffeln konnten die Gäste am Sonntag in den Werkhallen kaufen. Die Erlöse von Pommes und Getränken werden im Zuge der Sozialen Woche gespendet. Der Andrang auf die Kult-Currywurst ist am Sonntag so groß, dass die 500 Würstchen schon am frühen Nachmittag knapp werden.
Und wie geht es weiter? Eine dauerhafte Rückkehr von Reichstein als Imbiss-Stube wird wohl ein Fan-Traum bleiben. Aber über weitere Revival-Tage wird nachgedacht. Zudem verraten die Macherinnen und Macher einen Knüller: „Wir arbeiten daran, die Currywurst und die Reichstein-Soße künftig im Glas für zu Hause anzubieten.“