Oberhausen. Eine Oberhausener Firma macht‘s vor, wie es mit der Vier-Tage-Woche auf dem Bau klappen kann. Was das für die Mitarbeiter heißt.

  • Die Vier-Tage-Woche wird bei Unternehmen immer beliebter
  • In Oberhausen hat auch eine Baufirma auf das neue Arbeitszeitmodell umgestellt
  • Mitarbeitende haben jetzt mehr Zeit für Ihre Hobbys und Ihre Familien

Die klassische Fünf-Tage-Woche kommt immer häufiger auf den Prüfstand. So wächst in Oberhausen die Zahl der Betriebe, die dieArbeitstage verringern. Zu ihnen gehört die Baufirma von Jürgen Kempe.

Es war wohl einer dieser Zufallsbegegnungen: Sie führte den Firmenchef mit einem österreichischen Unternehmer zusammen, der das Modell schon seit langem praktiziert und voller Begeisterung von den Vorzügen erzählte. Es waren ausschließlich Pluspunkte, die zur Sprache kamen. Die Zufriedenheit der Mitarbeiter steige, das Betriebsklima zähle zu den Gewinnern. Zudem könne man auch Kosten sparen, schwärmte der Unternehmer.

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Als Kempe die Idee in der eigenen Belegschaft vorstellte, rannte er offene Türen ein. Der Vorschlag fand von der ersten Stunde an großen Anklang. An der Arbeitszeit selbst hat der Oberhausener nicht geschraubt. Es ist bei 40 Stunden pro Woche geblieben. „Aber der Freitag ist eben komplett frei“, erklärt der 57-Jährige. „Man hat einfach mehr Zeit für sich“, freut sich Mike Wüllner, 48 Jahre alt. Als er Anfang des Jahres anheuerte, galt noch die Fünf-Tage-Woche – wie in all den anderen Firmen, in denen der ehemalige Gerüstbauer tätig war.

Brückensanierungen wie hier an der Hoffmannstraße in Oberhausen gehören zu den Schwerpunkten des Bauunternehmens von Jürgen Kempe.
Brückensanierungen wie hier an der Hoffmannstraße in Oberhausen gehören zu den Schwerpunkten des Bauunternehmens von Jürgen Kempe. © Bauunternehmen Jürgen Kempe | Bauunternehmen Jürgen Kempe

Baufirma vor 25 Jahren gegründet

Das Baunternehmen Jürgen Kempe (BJK) besteht seit 1998, hat seinen Sitz in Oberhausen und feierte in diesem Sommer das 25-jährige Bestehen.

Der Betrieb verfügt über einen vielfältigen Maschinenpark und sorgt mit regelmäßigen Schulungen seiner Mitarbeiter, dass die Beschäftigten auf dem aktuellen Stand der Technik sind.

An- und Umbauten, Durchbrüche, Kellerabdichtungen sowie Schimmel-, Balkon- und Betonsanierungen gehören zum Aufgabenprofil der Firma. Stark gefragt war sie zudem nach der Jahrhundertflut 2021, als Mitarbeiter über Wochen im Ahrtal im Einsatz waren.

Dass es morgens statt um 8 Uhr schon um 7 Uhr losgeht und er nachmittags eine Stunde mehr arbeiten muss, stört den gelernten Schlosser keineswegs. „Dafür ist dann auch mit der Arbeitswoche schon am Donnerstagabend Schluss.“ Auch von Wüllners Kollegen hört Kempe immer wieder Lob für die Entscheidung. Vom Jüngsten in der Belegschaft, 38 Jahre jung, bis zum Ältesten (62) „sind alle äußerst angetan und bereit an vier Tagen mehr zu arbeiten, wenn ein freier Tag dabei rausspringt“. Bislang sind ihm auch noch keine Beschwerden zu Ohren gekommen, dass die tägliche Arbeitsbelastung zu hoch sei. >>>Auch interessant: Handwerk ermpört über A42-Brückensperrung: Hoher Geldschaden

Baufirma aus Oberhausen: Mitarbeitende sind froh über Vier-Tage-Woche

Die Mitarbeiter erzählen stattdessen davon, dass das verlängerte Wochenende den Familien zugutekomme. „Man kann einfach viel mehr gemeinsam unternehmen“, weiß Wüllner. Andere Kollegen nutzen die Gelegenheit, um sich verstärkt ihren Hobbys zu widmen. „Einer der Mitarbeiter hält sich am liebsten auf dem Campingplatz auf. Ein anderer hegt und pflegt seinen Schrebergarten.“

Als der Betrieb auf die Vier-Tage-Woche umschwenkte, hatte Kempe durchaus die Bedenken von vielen Kollegen aus der Baubranche im Ohr, wonach sich das Modell doch überhaupt nicht umsetzen lasse. Angesichts der Auftragslage müsste es eher ein Tag mehr als einer weniger sein. Der Oberhausener sieht aber gerade jetzt die Chance, Aufträge zügiger und kostengünstiger zu erledigen.

Die Firma ist auf Abdichtungs- und Sanierungsarbeiten spezialisiert. Seinen Kundenstamm hat Kempe sowohl in Oberhausen als auch in einem größeren Umkreis. Gerade im Fall von Standorten mit größerer Entfernung sei ein Zehn-Stunden-Tag von Vorteil. Beispiel: Die Beschäftigten erledigen einen Auftrag in Düsseldorf, Hin- und Rückfahrt machen zusammengerechnet zwei Stunden aus. Zieht sich der Einsatz der Kollegen über zwei Tage hin, sind vier Stunden Fahrzeit fällig. Brauchen sie nur einen Tag, sind es auch nur zwei Stunden Fahrtzeit. Das senkt die Spritkosten, für den Kunden wird’s billiger und schließlich sind auch Arbeitsstunden für die Beschäftigten „gewonnen“, die bereits weitere Aufträge in Angriff nehmen können.

Oberhausener Firmenchef: Merkten vom ersten Tag den Effekt

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Darüber hinaus zeige die Erfahrung, dass sich auch das Beladen der Fahrzeuge in der Anzahl verringern lasse, was wiederum Zeit und Geld spare. Im April hat das Bauunternehmen mit der Vier-Tage-Woche gestartet. „Und wir merken vom ersten Tag an, dass sich die Effizienz steigern lässt.“

Der Oberhausener Firmenchef Jürgen Kempe: Mit der Vier-Tage-Woche lässt sich Geld sparen.
Der Oberhausener Firmenchef Jürgen Kempe: Mit der Vier-Tage-Woche lässt sich Geld sparen. © Oberhausen | Christoph Wojtyczka

Auch für seinen eigenen Einsatz sieht der Geschäftsführer klare Vorzüge. Wenn freitags die Belegschaft zuhause bleibt, kann er sich der Arbeit im Büro zuwenden und das durchgehend. Bislang war es nämlich dann doch notwendig, auf der einen oder anderen Baustelle nach dem Rechten zu sehen. „Nun kann ich ohne Unterbrechung die anstehenden Aufgaben erledigen.“

Sicherlich lasse sich das Arbeitszeitmodell nicht in allen Gewerken anwenden, sagt Kempe. Ein Installateur beispielsweise müsse gewiss die ganze Woche über auch für Notfälle bereitstehen. „Aber für uns ist die Regelung nun mal sehr praktikabel.“ Bei der diesjährigen Weihnachtsfeier habe die Belegschaft sehr deutlich den Wunsch geäußert, das Modell fortsetzen zu wollen.

Die Beschäftigten sehen darin auch einen Gewinn für die Attraktivität ihres Arbeitgebers, langjähriger Partner von Rot-Weiß-Oberhausen und inzwischen Sponsor der Sportfreunde Königshardt. Gerade in der Baubranche ist es angesichts des Fachkräftemangels schwierig genug, neue Leute zu finden.