Oberhausen. Hannes Vesper von Birth Control plaudert im Interview über 50 Jahre „Gamma Ray“ und über Beobachtungen im Supermarkt. Am 17. Oktober im Gdanska.
Nicht nur die Rolling Stones trotzen dem Zahn der Zeit und rocken einfach weiter, auch Birth Control sind immer noch topfit und erfreuen sich künstlerischer Vitalität. Das 50-jährige Jubiläum ihres größten Hits „Gamma Ray“ nahm die deutsche Krautrock-Legende zum Anlass, dem Klassiker aus dem 1972er Erfolgsalbum „Hoodoo Man“ einen frischen Anstrich zu verpassen. Zu hören auf dem aktuellen und mittlerweile 21. Album „Open up“ der auch personell runderneuerten Krautrocker. Vor dem mit Spannung erwarteten Gitarrissimo-Gig im Gdanska gab uns Bassist und Bandsprecher Hannes Vesper ein kurzes Interview.
Herr Vesper, Sie alle in der Band sind mittlerweile über 60 Jahre alt und Ihr Schlagzeuger Manfred von Bohr sogar über 70. Fühlen Sie sich fit für die Bühne?
Ja, wir sind alle topfit – selbst die etwas Älteren unter uns.
Hat das Alter eine praktische Bedeutung in Ihrem Leben?
Ich habe nicht das Gefühl, dass sich irgendeiner aus unserer Band Gedanken über das Alter oder die Zukunft macht. Ein Abschied von der Bühne ist jedenfalls nicht geplant. Wir werden weiterhin Alben produzieren, auf Tournee gehen und Livekonzerte spielen, solange es geht.
Sechs Jahre nach dem letzten Album „Here and now“ haben Sie mit „Open up“ ein neues Werk veröffentlicht. Wie ist es dazu gekommen?
Es war schon länger überfällig, ein neues Album zu produzieren und wir haben dabei natürlich die konzertfreie Corona-Phase genutzt.
Apropos: Wie sind Sie mental durch die Corona-Pandemie gekommen?
Wenn man Musiker ist, dann ist das komplette Fehlen von Konzerten und Tourneen natürlich eine sehr starke Einschränkung. Da muss man schön entspannt bleiben. Aber wir sind eben eine gewachsene Band – uns kriegt nichts kaputt.
Eröffnet wird das Album von einer Neuinterpretation Ihres Mega-Hits „Gamma Ray“. Ist „Gamma Ray 2.0“ eine Hommage an das 50-jährige Jubiläum des Songs?
Ja, definitiv! Dabei war es uns wichtig, den Song auf eine moderne Art und Weise in die Zukunft zu bringen. Dass der Song jetzt nur noch halb so lang ist wie das fast zehnminütige Original, war aber keine bewusste Absicht. Die neue „Gamma Ray 2.0“-Version funktioniert in dieser Kürze einfach am besten.
Wer oder was hat Sie zu dem Song „Wrestling Mama“ inspiriert?
Der Song entstammt einer alltäglichen Beobachtung aus dem Supermarkt, wo uns einmal eine etwas übergewichtige Mutter auffiel, die mit ihren zwei kleinen Kindern und deren Wünschen nach Süßigkeiten schwer zu „kämpfen“ hatte.
In 50 Jahren und 21 Alben stetig weiterentwickelt
Und was für Pläne sind in dem Song „Plans get lost“ verloren gegangen?
Text und Song sind ja während der Corona-Lockdowns entstanden. Der Song bezieht sich auf die Situation, in der wir uns damals alle von heute auf morgen wiederfanden: wir Kulturschaffende genauso wie alle aus der Veranstaltungsbranche, Beschäftigte aus dem Gesundheitswesen, Einzelhändler, Gastronomen, Eltern, Kinder, Jugendliche... – kurzum, wir alle, die wir mit den Folgen der Pandemie konfrontiert wurden.
Was für Erwartungen verbinden Sie mit dem aktuellen Album?
Wir sehen „Open Up“ als Weiterentwicklung zu unserem letzten Werk „Here and now“ von 2016 und hoffen natürlich, dass das aktuelle Album den Leuten gefällt. Birth Control hat sich in über 50 Jahren und 21 Alben im Sound stetig weiterentwickelt und immer Experimente und Veränderungen zugelassen. Stillstand war nie und ist auch heute keine Option für uns.
Wie ist die Band-Hierarchie seit dem Tod 2014 Ihres langjährigen Bandleaders Bernd „Nossi“ Noske’?
Es gibt keine ausgeprägte Hierarchie in der Band. Die Dinge werden gemeinsam besprochen und entschieden. Das war aber früher mit „Nossi“ auch schon so.
Sie werden häufig als „Pioniere des Krautrock“ beschrieben. Gehen Sie da mit?
Birth Control entstammt natürlich dieser Krautrock-Epoche, aber wir würden unsere Musik heute generell als Rock oder noch eher Progressive Rock bezeichnen. Da die Art der Songs sich mit jedem Album ändert, kann man das gar nicht so klar festlegen.
Birth Control spielt eigentlich immer ein „Best of“-Programm
Was dürfen Ihre Fans jetzt auf der Bühne von Ihnen erwarten?
Wir spielen eigentlich immer ein „Best of“-Programm von alten und neuen Stücken. Da wir uns oft selbst nicht entscheiden können, wird das Live-Programm tendenziell immer länger. Wir gehen jedenfalls mit der freudigen Erwartung auf die Bühne, hier ein schönes Konzert spielen zu können und den lauten Rock von Birth Control mit allen gemeinsam körperlich zu erleben.
Auch die Neuen sind erfahrene „Birth Controller“
Nach dem Tod des langjährigen Bandleaders Bernd „Nossi“ Noske 2014 brauchte Birth Control einige Zeit, um sich neu zu sortieren und zu alter Stärke zurückzufinden. Mit Peter Föller als Sänger und Manfred von Bohr am Schlagzeug hat man würdige Nachfolger gefunden, die beide schon in den 1970er Jahren jeweils für einige Zeit Teil der großen Birth Control-Familie waren.
Die deutsche Rock-Institution kommt nun mit ihrem neuen Album auch nach Oberhausen und gastiert am Dienstag, 17. Oktober, um 20 Uhr bei Gitarrissimo im Gdanska am Altmarkt. Karten kosten 25 Euro, an der Abendkasse 28 Euro, Reservierungen per Mail an info@obsaitensprung.de