Oberhausen. Die musikalische Komödie „Himmel oder Hölle“ liefert eine bizarre Geschichte – und ist ein „Best of“ mit Songs aus 14 berühmten Musicals.
Von den Vorentscheidungen der Poledance-Meisterschaften zur noch etwas ängstlich überwundenen Feuerwehr-Rutschstange gen Bühnenboden: Im Theater an der Niebuhrg ist eben fast alles möglich. Für Holger Hagemeyer ist der Rückblick auf die akrobatischen Höchstleistungen der Pole-Tänzerinnen, die jüngst wieder in seinem Theater für Fachpublikum zu erleben waren, natürlich kein ernsthafter Vergleich mit seinem kleinen Ensemble, das sich zum Probenbeginn erstmals an der zentralen Requisite von „Himmel oder Hölle“ versucht.
Das komödiantische Musical aus Hagemeyers Feder ist schließlich, soviel Kalauer muss sein, ein „Dauerbrenner“ des Niebuhrg-Repertoires. Seit 20 Jahren amüsiert das Singspiel alle Jahre wieder das Publikum im malerischen Zechenensemble an der Niebuhrstraße. Für Vollblut-Komödianten mit einer gut geölten Gesangsstimme gibt’s hier schließlich köstliche Szenen zuhauf: Die Prostituierte Jessica stirbt beim Telefonsex durch einen Stromschlag – doch wohin mit ihrer unsterblichen Seele? Ist das Beglücken zahlloser liebesbedürftiger Männer etwa keinen Platz im Himmel wert?
Prostituierte Jessica stirbt beim Telefonsex durch einen Stromschlag
Quasi zur Bewährung soll Jessica auf die Erde zurückkehren, um dort dem Mauerblümchen Gloria auf die erotischen Sprünge zu helfen. „Sie ist dann nur für Gloria sichtbar“, so erklärt der 64-jährige Autor und Theaterchef den Quell der komischen Verwicklungen. Denn mit etwas klangstarkem Telefonsex ist es für Jessica nicht getan, haben doch die für Gloria auserwählten Männer alle ihre Macken. Zudem mischen sich Engel und Teufel dreist ins Spiel um die irdischen Amouren.
Am bewährten Skript brauchte Holger Hagemeyer nicht viel zu ändern – doch die Musikauswahl sollte für sein frisches Ensemble neuen Schwung bekommen. Auftritt James Wood: Mit Regisseurin Dorit Olmert sorgte der texanische Musical-Routinier für eine Song-Auswahl, die fast zu „Greatest Hits“ des Genres gerieten. „Unter den 17 Titeln“, weiß James Wood, „sind einige sehr anspruchsvolle Lieder“. Schließlich schöpft der musikalische Leiter aus Quellen von Bob Fosses „Chicago“ bis zu „Hairspray“ nach John Waters.
14 Musicals entdecken Kenner in „Himmel oder Hölle“ – allesamt mit deutschen Texten
Insgesamt 14 verschiedene Musicals können Kenner in „Himmel oder Hölle“ wiederentdecken – allesamt mit deutschen Texten, in denen manchmal nur die Namen der Besungenen geändert wurden. „Andere Songs haben wir komplett umgetextet“, erklärt der freundliche Mr. Wood am E-Piano. Volle Streicherpracht oder scharfkantige E-Gitarren kommen in dieser Produktion vom Band – die Stimmen aber sind allesamt live. „We will rock you“, sagt James Wood, „ist stilistisch unser Ausreißer“.
Schließlich will das frische Sextett auf der Bühne nicht nur rockend röhren, sondern stimmlich glänzen. Allerdings lässt Katrin Claßen als Jessica auf dem Weg von der wattigen Wolke via Feuerwehrstange erst einmal spitze Schreie hören. Ehe sie ins ländliche Schermbeck umzog, war die Mezzosopranistin lange in Oberhausen heimisch – und freut sich, hier erstmals auf der Bühne zu stehen. Tournee-Erfahrungen hatte die gebürtige Essenerin reichlich gesammelt, zuletzt als revierikonische Hilde Schlönzke in Hape Kerkelings „Kein Pardon“. Und „gefühlt überall“ war Katrin Claßen mit „Servus Peter“, der nach dem Modell des „Weißen Rössl“ geformten Hommage an Peter Alexander.
Musical in Oberhausen sogar wetterfest – mit Rutschstange
Da passt’s doch hervorragend, dass den Teufel in „Himmel oder Hölle“ ein fescher junger Wiener singt und spielt. Und der heißt auch noch Alexander Höllisch. Schließlich weiß schon das Sprichwort, dass der Gottseibeiuns ein Charmeur ist – und sein 30-jähriger Darsteller meint cool: „Das klingt interessant, ich mag zwiespältige Rollen.“ Natürlich weiß der Bariton seinen charmanten Akzent genau dosiert einzusetzen – „in Österreich darf es etwas mehr sein“. Zuletzt amüsierte der gelernte Tauchlehrer sein Publikum in „Krimi Dinner“-Shows: „Da hat’s sehr viel Spaß gemacht, einen richtigen Macho zu spielen.“
Im Theater an der Niebuhrg ist das Singspiel mit Rutschstange übrigens für alle Wetter ausgerichtet. Schließlich hat Holger Hagemeyer für „Himmel oder Hölle“ längst ein mobiles Bühnenbild in seinem Fundus: Damit geht’s hinaus ins sommerliche Gartentheater. Sollten Gewitter oder Dauerregen drohen, bittet der größere Theatersaal ebenfalls 185 bequeme Sitzplätze auf ansteigenden Rängen. Das Niebuhrg-Publikum darf sich auf ein spielfreudiges und stimmstarkes Ensemble vorfreuen.
Zwölf „himmlische“ Aufführungen an vier Wochenenden
Die neue Inszenierung von „Himmel oder Hölle“ ist zunächst an vier Wochenenden im Gartentheater des Theaters an der Niebuhrg zu sehen: vom 21. bis 23. Juli, vom 28. bis 30. Juli, vom 4. bis 6. August und vom 11. bis 13. August, freitags und samstags um 19 Uhr, sonntags um 17 Uhr.
Karten kosten 29 Euro, für Jugendliche bis einschließlich 19 Jahren 15 Euro, erhältlich im Theater an der Niebuhrg, Niebuhrstraße 61, 0208 86 00 72.