Oberhausen. Das Parkbanktheater an Oberhausens Stadtgrenze bietet neben schwungvollen Musicals schillernde Gastspiele von Retrorock bis Travestie.
Als Theater-Selbermacher, selbstbewusst ohne akademischen Background, stichelt Holger Hagemeyer ganz gerne gegen die hochsubventionierte Konkurrenz am Will-Quadflieg-Platz. Doch der Technikshow „Wetterleuchten“ wollte der 63-jährige Niebuhrg-Chef nicht widerstehen und zollt ihr Respekt: „Das Geld ist gut verbaut worden.“ Doch jetzt kann die kleine Selfmade-Bühne im Zechenensemble an der Niebuhrstraße wieder ein Trumpf auffahren, bei dem die meisten Stadttheater passen müssen: Pünktlich zum 1. Mai beenden die Niebuhrger den „Winterschlaf“ und laden wieder ein auf die ansteigenden Ränge ihres Parkbanktheaters unter schützendem Zeltdach.
Die stolze Tradition der jährlich witzig variierten „Weihnachtsgeschichte“ wahrten die Nachbarn des Concordia-Wetterschachtes 6 noch mit einigen adventlichen Vorstellungen – dann beschloss Holger Hagemeyer: „Wir machen drinnen erstmal nichts. Jede Vorstellung wäre ein großes Zuschussgeschäft.“ Als Immobilien- und Gebäudereinigungsunternehmer konnte der Chef-Niebuhrger seine Techniker weiter beschäftigen – und arbeitet bühnenbegeistert „ehrenamtlich“, wie er sagt: „Ich muss ja nicht vom Theater leben und konnte mir eine Durststrecke leisten.“
Doch die soll jetzt passé sein: für Kreative und fürs Publikum. Das Theater an der Niebuhrg hat für eine ausgedehnte Freilicht-Saison von Mai bis Oktober den lachsfarbenen Programm-Leporello üppig bestückt – in der vertrauten Mischung aus Musical-Eigenproduktionen und Gastspielen von Retrorock bis Travestie. Während direkt hinterm Niebuhrg-Zaun an der Duisburg-Oberhausener Stadtgrenze die RAG ihre „Ewigkeitskosten“ mindert und mit erwarteten 800 Lkw-Ladungen an Beton Schacht 6 verfüllt, holt das Ensemble die bequemen Parkbänke aus dem alten Concordia-Gemäuern.
„Ist das Kultur oder kann das weg?“
Los geht’s, standesgemäß drinnen wie draußen, am Sonntag, 1. Mai, von 11 bis 18 Uhr mit der „Maibuhrg“, dem beliebten Kunsthandwerkermarkt. Die Gastgeber werden natürlich die Chance nutzen, um Appetithäppchen ihrer kommenden Attraktionen zu präsentieren. Denn die Niebuhrger pflegen zwar ihr Repertoire – frischen es aber gerne gründlich auf: Das gilt beispielhaft für den Musical-Neustart von „Ich will ein Baby“ am Freitag, 20. Mai, (und an zehn weiteren Terminen) mit dem Flair der 1980er. Die Songauswahl, erzählt Holger Hagemeyer, ist jetzt komplett auf Lieder der Neuen Deutschen Welle (NDW) umgepolt: „Da ist viel Abgedrehtes dabei, auch Songs die gar nicht mehr so bekannt sind.“
Quasi als Ouvertüre (noch im Saal) weckt der Niebuhrg-Boss die Vorfreude auf Constanze Backes klassisch geschulte Stimmgewalt: „Ist das Kultur oder kann das weg?“ lautet am Freitag, 13. Mai, die programmatische Frage. Am Klavier begleitet übrigens kein Geringerer als Felix Janosa, der unfassbar witzige Songautor des „Ritter Rost“-Spaßes (der natürlich im Sommer ebenfalls von den Parkbänken aus zu bestaunen ist). „Tributing Wilburys“ huldigen tags drauf, am Samstag, 14. Mai, dem spaßbetonten Nebenjob von fünf Weltstars, die sich (1988 war’s) „Travelling Wilburys“nannten: ein Abend mit den Hits der Beatles, des ELO, von Tom Petty, Roy Orbison und Bob Dylan.
Irrer Ritt durch die Märchenwelt
Das zweite Traditions-Revival beglückt Niebuhrg-Fans am Freitag, 1. Juli (und zehn weiteren Abenden): „Was Sie schon immer über Märchen wissen wollten“ ist keine verträumte Kinderstunde, sondern ein irrer Ritt durch die Märchenwelt, bei dem die Zutaten der Brüder Grimm im Galopp durcheinandergeraten – „ebenfalls mit neuen Songs“, verrät Holger Hagemeyer.
Weil aller guten Dinge drei sind, lassen die Niebuhrger vom 19. bis 28. August eine taufrische Eigenproduktion folgen, deren Uraufführung als Club-Comedy für Strandurlauber auf Zypern zu erleben war: In „Mission Mann“ wagen Anjuschka Uher und Désirée Burger einen sechstägigen Dating-Marathon. „Viel Wortwitz und internationale Musik“ verspricht der Niebuhrg-Boss. Ihre männlichen Opfer lassen die beiden Dating-Queens in dieser Show gar nicht erst auftreten.
„Nach zwei Jahren auf der Couch“, wie Holger Hagemeyer seufzend konstatiert, sollte mit diesem Programm-Schwung die Rückkehr zur Live-Kultur selbst für ein entwöhntes Publikum nicht allzu schwer fallen.
Von Masken befreit ins Parkbanktheater
„Draußen gibt’s keine Regeln“, sagt der Niebuhrg-Chef und meint natürlich die Impf- und Masken-Etikette. „Für drinnen empfehlen wir einen Mundschutz.“ Im Herbst hatte Holger Hagemeyer noch rigoros auf die 1G-Regel gesetzt und nur Geimpfte in sein Theater gelassen. Er hofft, dass sich das Thema bis zum kommenden Herbst erledigt haben wird – „wenn die tausend Tage der Pandemie um sind“.
Karten für Musicals, Shows und Comedy kosten im Theater an der Niebuhrg 29 Euro Normalpreis, 15 Euro Jugendpreis (bis 19 Jahre), 9 Euro fürs Kinder- und Familientheater. Tickets gibt’s an allen Vorverkaufsstellen, online via niebuhrg.de und unter der Hotline 0208 8600 72.