Oberhausen. Anwohner, Passanten und Geschäftsleute reagieren entsetzt auf die Sprengung des Geldautomaten der Volksbank Rhein-Ruhr in Oberhausen-Osterfeld.
Manche Ereignisse muss man selbst gesehen haben, um abschätzen zu können, mit welcher Brutalität die professionellen Geldautomaten-Banden vorgehen: Splitter liegen bis zu acht Meter entfernt auf der Gildenstraße, die dicken Metallrahmen der Fensterscheiben der Osterfelder Volksbank-Filiale liegen verbogen in der Fußgängerzone, die abgehängten Decken befinden sich quer im einstigen Schaufenster – es ist ein Wunder, dass weder Anwohner in den Wohnungen über der Filiale noch zufällig vorbeigehende Fußgänger durch die gewaltige Sprengung mitten in der Nacht zu Dienstag verletzt wurden.
Doch das größte Wunder erlebt der Wachmann, den die Volksbank seit einigen Wochen zur Abschreckung nachts in den Geschäftsräumen ihrer Bank platziert hat. Der war mal ausnahmsweise auf der Toilette im Keller, als die Sprengtrupps der Bankräuber losschlugen und die Vorderfront der Filiale in tausend Einzelteile zerlegten. Ob sie extra darauf gewartet hatten, bis der Wachmann verschwand? Oder war es unglaubliches Glück?
Geldautomaten-Sprengung: 72-jähriger Rentner rennt nachts auf die Straße
Der 72-jährige Rentner Detlef Thiele wohnt ganz in der Nähe, hörte nach seinen Angaben exakt um 2.46 Uhr den lauten Knall in der Nacht und rannte sofort auf die Straße. Dort fand er den Wachmann, auf den Treppenstufen eines Nachbargebäudes sitzend. „Der war total fertig, zitterte, konnte kaum ein Wort sagen. Der war noch völlig verwirrt.“
Zuerst war die Feuerwehr innerhalb weniger Minuten am Tatort, sperrte alles ab. Kriminalbeamte nahmen die Berichte der Augenzeugen auf, die einen dunklen Audi RS6 gesehen haben. Der raste kurz nach der Sprengung heran, drei Personen stiegen dort ein und der Audi fuhr über die Osterfelder Straße mit unbekanntem Ziel davon. Nach den Erkenntnissen der Bank am Dienstagmittag nahmen die Täter einen Teil der Bargeldbestände mit. Allerdings sind Geldautomaten nach langen Wochenenden wie jetzt Pfingsten nicht mehr so gut gefüllt.
Die Oberhausener Polizei sicherte mit Unterstützung Essener Kollegen die Spuren. Sie setzten sogar Laserscanner und Drohnen mit Videokameras ein. „Damit machen wir einen 3D-Scan des Tatorts, so dass Beamte, die nie vor Ort waren, den Tatort digital begehen können“, schildert René Anhuth, Sprecher der Oberhausener Polizei, das Vorgehen in diesen Geldautomaten-Sprengfällen. Die Polizei versucht so auch, Muster der Tat-Methodik zu erkennen, um später die Banden aufzuspüren.
Osterfelder Passanten: Das ist alles Wahnsinn, das ist lebensgefährlich
Am Morgen jedenfalls blieb der Tatort erst einmal abgesperrt. Nach der Spurensicherung der Kriminalpolizei durften Bankmitarbeiter das Gröbste aufräumen. Im Inneren lagen auch Bargeldscheine zerstoben herum, die aufgesammelt wurden, um am Ende den genauen Schaden zu erfassen. „Das ist alles schrecklich, da vorne habe ich mein Büro. Was hätte hier alles passieren können, wenn ich an die Bewohner im Hause denke“, sagt ein junger Bankmitarbeiter.
Vor dem weiß-roten Absperrungsband mit dem Aufdruck „Polizei“ diskutieren Passanten über die Sicherheitslage, einige filmen und fotografieren die Folgen der nächtlichen Sprengung. „Das alles ist doch Wahnsinn. Ich möchte nicht über einer Bankfiliale wohnen. Das ist ja lebensgefährlich“, sagt ein junger Vater zweier Kinder. Zwei ältere Damen sind nun erst recht überzeugt von ihrer These: „Man kann sich ja heutzutage gar nicht mehr sicher fühlen.“ Doch den Zwiespalt der Banken sehen sie auch: „Als die Sparkasse hier zwei Geldautomaten aus Sicherheitsgründen abgebaut hat, da haben viele Senioren bei uns geschimpft, dass sie nun so weit laufen müssen, um Bargeld zu holen.“ Ein Herr verlangt lautstark: „Die deutschen Banken müssen für die Sicherheit ihrer Automaten viel mehr tun.“
Zumindest aber ist das Haus an der Gildenstraße 11, in dem sich die Niederlassung der Volksbank befindet, nicht einsturzgefährdet – trotz der gewaltigen Sprengung. Volksbank-Sprecherin Claudia Behrens bestätigt, dass ein Statiker schon frühmorgens das Gebäude inspiziert hat: „Das Haus ist nicht in Gefahr, ist stabil.“ Sie lässt übrigens keinen Zweifel daran, dass die Volksbank die Filiale wieder aufbaut. „Wir geben die Niederlassung nicht auf, sondern versuchen, so schnell wie möglich den Betrieb wieder aufzunehmen. Zum Glück sind die Innenräume nicht so stark beschädigt.“
Vor zwei Wochen hatte es in der Nacht bereits einen Vorfall gegeben, der dazu führte, dass die Volksbank ihre Sicherheitsmaßnahmen in Osterfeld sogar ausgebaut hat. Ein Augenzeuge beobachtete damals drei Männer, die sich dort an der Filiale zu schaffen machten. Er schrie diese an, die Ertappten machten sich aus dem Staub.
Sorge vor Automaten-Sprengung: Kein Bargeld bei Bank
Erst vor vier Tagen hat es in der Oberhausener Nachbarstadt Bottrop geknallt. Unbekannte Täter sprengten dort ebenfalls einen Geldautomaten der Volksbank. Auf der Marktstraße in der Oberhausener City hat die Santander-Bank aus Sorge vor Geldautomaten-Sprengungen vorübergehend die Bargeld-Abhebung eingestellt.
Die Oberhausener SPD-Landtagsabgeordnete Sonja Bongers hält es nach der Serie an Automatensprengungen, allein in NRW waren es 47 Sprengungen im Vorjahr, für absolut erforderlich, die Banken gesetzlich mehr in die Pflicht zu nehmen. „Sie müssen die Videoüberwachung im Umfeld aller Automaten ausbauen und Nebelanlagen einsetzen. Den Standort für Automaten sollten sich die Banken hier wie in anderen EU-Ländern genehmigen lassen.“
Tatsächlich sollte die Filiale nach Aussagen der Bank neben den meist üblichen Farbpatronen in den Geldautomaten eine Nebelanlage erhalten, die bei Eindringlingen in den Vorraum sofort alles so stark einnebelt, dass die Täter nichts mehr sehen können. Doch bisher scheiterte der Einbau – Lieferengpässe, weil so viele Banken derzeit ihre Automaten-Räume mit einer solchen Nebelanlage nachrüsten möchten.