Oberhausen. Ranga Yogeshwar hat im Gasometer Oberhausen über den Planeten gesprochen - und seine Enkel. Dabei wird der ehemalige Quarks-Moderator emotional.
Hunderte Menschen, schwitzige Temperaturen im Gasometer Oberhausen - und ein gut aufgelegter Ranga Yogeshwar. Der aus Wissenschaftssendungen wie „Quarks“ bekannte Journalist und Autor sprach über den Klimawandel, technologische Chancen und Gefahren sowie das durch den Menschen selbst bedrohte Leben auf der Erde. Dabei wählte der 64-Jährige den Blickwinkel seiner drei Enkelkinder.
In der scheinbar stillstehenden Zeit während der Corona-Pandemie hat sich bei Ranga Yogeshwar tatsächlich viel getan: Er verlegt seine Vorträge ins kleine Heimstudio und überträgt diese über das Internet. Statt ins TV-Studio zu fahren, wird er bei der ZDF-Talkshow Maybrit Illner per Webcam zugeschaltet. Gut fürs Klima. Und praktisch. „15 Minuten später lag ich schon im Bett.“
Doch der studierte Physiker darf während der Pandemie auch seinen ersten Enkel Emil auf den Arm nehmen. Zwei weitere Enkelkinder folgen. Dies habe ihn dazu veranlasst, anders über die Zukunft des Planeten nachzudenken. Es ist auch die Geburtsstunde seiner Vortragsreihe.
Ranga Yogeshwar: Interessant, anschaulich und humorvoll
Ranga Yogeshwar zeigt unter der 20 Meter großen Erdkugel im Gasometer-Innenraum natürlich niedliche Babyfotos. Ein langgezogenes „Ahhh“ aus dem Publikum schwappt durch den wie in einer Kathedrale hallenden Scheibengasbehälter.
Doch seinen Live-Vortrag „Emils Welt - Eine Gesellschaft im Wandel“ bestimmen viele ernste Töne. „Unsere Enkelgeneration wird das nächste Jahrhundert miterleben.“ Man bekomme aber den Eindruck, dass die heutige Gesellschaft alle Probleme in der Zukunft parke.
1959 kommt Ranga Yogeshwar auf die Welt. Der Vater ist Inder, die Mutter Luxemburgerin. Er wird zusammen mit seinem nicht eineiigen Zwillingsbruder geboren. Damals gibt es noch keine Ultraschall-Untersuchung. Der frisch geborene Ranga landet als „Nachzügler“ auf der Krankenhausrechnung.
Später zeigt der Wissenschaftsjournalist auf der Großleinwand, wie moderne Technik heutzutage problemlos sein eigenes Gehirn sichtbar machen kann. „Wie man sieht, gibt es ein Gehirn, was bei Leuten, die im Fernsehgeschäft arbeiten, nicht selbstverständlich ist.“
Ranga Yogeshwar scherzt und zeigt zugleich wie rasant der technische Wandel der Menschheit neue Möglichkeiten beschert. Es ist ein gutes Beispiel, wie der Vortrag des TV-Mannes funktioniert: Auch wenn er beinah klinisch, ohne ausschweifendes Small-Talk-Gemurmel, einsteigt, sind seine Ausführungen interessant, bildhaft gestaltet und mit einer feinen Priese Humor versehen.
Ranga Yogeshwar: Künstliche Intelligenz blickt in unsere Köpfe
Der Versuchung, verschachtelten Wissenschaftsbegriffen und abstrakten Zahlenmodellen zu verfallen, widersteht Ranga Yogeshwar nicht gänzlich, aber überwiegend. Es ist kein Vortrag für Nerds, sondern für Normalos. Das erkennt man, wenn man in die Gesichter der schwitzenden, aber konzentriert lauschenden Besucherinnen und Besucher blickt.
Der ehemalige Quarks-Erklärer spricht über Künstliche Intelligenz (KI), täuschend echte Frosch-Fotos aus dem Rechner, zeigt wie schnell die Entwicklung fortschreitet. Er erklärt, dass Forscher schon heute anhand von Gehirnströmen und Künstlicher Intelligenz die von Probanden vorher angeschauten Bilder rekonstruieren können. Nicht exakt, aber inhaltlich passend. Manchen Zuhörern schauert es bei diesem Gedanken.
Ranga Yogeshwar spricht über die gefährliche Flucht ins Digitale, lange Online-Nutzungszeiten, vielleicht irgendwann nicht mehr zu wissen, wie eine Wiese riecht. Er spielt den Gesang einer ausgestorbenen Vogelart vor und versucht Faktisches zu veranschaulichen. „Das ist ein Klang, den wir nie wieder hören werden.“
Technik könne zwar helfen, aber vor allem müsse sich unser Denken verändern, fasst Ranga Yogeshwar zusammen. Er erhebt nicht penetrant den Finger, nennt sich selbst einen Umweltsünder, der mit dem Flugzeug die Welt bereist, schafft es aber trotzdem, Denkprozesse anzustoßen.
Ranga Yogeshwar: Schulbildung ist wie eine Autobahnraststätte
Bei der abschließenden Zuhörerrunde, möchte eine Lehrerin wissen, was die Generation Emil in der Schule lernen sollte. Beim sonst so tiefenentspannten Ranga Yogeshwar hört man nun Emotionen heraus. „Meine Achillesferse“, sagt er beinah entschuldigend. „Ich denke, dass wir unser Bildungssystem radikal abschaffen müssen.“
Schulbildung sei in Deutschland wie eine Autobahnraststätte: Schnell rein und schnell wieder raus. „Das föderale Schulsystem ist eine Absurdität. Warum sollte Mathe in Hamburg anders sein als Mathe in Bayern.“ Das System sei leistungs- und nicht lernorientiert und basiere auf preußischer Disziplin. Yogeshwar wünscht sich, dass Talente mehr gefördert werden und Lernen anschaulicher wird.
Der Wissenschaftsjournalist schließt mit einem Schnappschuss von seinem Enkel, der ihm lachend ins Gesicht greift: „Wir brauchen eine Veränderung in unserer Kultur. Sonst wird uns die Generation Emil die Ohren langziehen.“
>>> Gasometer Oberhausen öffnet auch zur Extraschicht
Der Gasometer beteiligt sich am Samstag, 24. Juni, an der Nacht der Industriekultur. Zur Extraschicht ist die 117,5 Meter hohe Kulturtonne zwischen 18 und 2 Uhr geöffnet.
Zu sehen und hören gibt es Cover-Rock der Gruppe Mottek, Lesungen von Autor Rainer Rudloff rund um Mensch und Natur sowie Führungen durch die Ausstellung „Das zerbrechliche Paradies“. Extraschicht-Tagestickets kosten zwischen 10 und 24 Euro.