Oberhausen. Ohne ausländische Fachkräfte ist Pflege in Deutschland kaum noch zu stemmen. Helios Oberhausen setzt auf junge Menschen von den Philippinen.

Nie waren sie so begehrt wie heute: Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger. Bundesweit fehlen inzwischen rund 200.000 Vollzeitkräfte. Denn bis zu 70 Prozent sind in Teilzeit beschäftigt, auch, weil sie die hohe Arbeitsbelastung durch zu wenig Personal nicht mehr stemmen können. Darauf wies der Berufsverband für Pflegeberufe jetzt gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland hin. Auch in den Oberhausener Krankenhäusern werden Fachkräfte händeringend gesucht. Die Helios St. Elisabeth Klinik setzt unter anderem auf Mitarbeitende von den Philippinen. „Ein Weg mit Hürden, der sich letztlich aber für alle Beteiligten gelohnt hat“, meint Helios-Pflegedirektor Christoph Wilde.

Schon seit Mitte 2021 unterstützen Pflegefachkräfte von den Philippinen mehrere Stationsteams und die insgesamt rund 200 Pflegefachkräfte der Helios St. Elisabeth Klinik Oberhausen. Die ersten fünf haben ihre Kenntnisprüfung zur Anerkennung als Gesundheits- und Krankenpfleger und -pflegerinnen soeben bestanden. „Sie haben neben ihrem philippinischen Abschluss, einem Bachelor of Science Nursing, jetzt auch die deutsche Qualifikation in der Tasche“, führt Wilde aus. Die vielen Theorie- und Praxisstunden in einem Vorbereitungskurs sowie der Sprachunterricht haben sich ausgezahlt.

Was für ein Erfolg auch für Ray Vincent Velasco. Der 33-Jährige erinnert sich noch gut daran, als er im Mai 2021 in Frankfurt aus dem Flugzeug stieg. „Jetzt geht es los!“, dachte er damals voller Vorfreude. Rund 16 Stunden Flug lagen hinter ihm. Eigentlich hatte der Philippiner nie geplant, ins Ausland zu gehen. Er fühlte sich wohl in seiner Heimat. „Ich hatte dort bereits einen Job in der ambulanten Pflege.“ Doch die Sache hatte einen Haken: „Bei uns gibt es für junge Leute kaum feste Stellen.“ Viele Verträge seien befristet. Oft nur auf ein halbes Jahr. „Das zerrt an den Nerven“, räumt Velasco ein. Vor allem, wenn man, so wie er, verheiratet ist und stolzer Vater zweier Mädchen im Alter von drei und sieben Jahren. „Unsere Familie braucht eine Perspektive und uns ist eine gute Ausbildung für die Kinder wichtig.“

Krankenpfleger von den Philippinen: Die Sprache war die größte Hürde

In seiner Heimatstadt Naga City machte Velasco einen sechsmonatigen Deutschkurs. „Ich schaffte die Abschlussprüfung im ersten Anlauf – und dann ging alles ganz schnell.“ Eine Arbeitsagentur vermittelte den Kontakt zur Helios Klinik in Oberhausen, Velasco chattete online mit anderen philippinischen Pflegekräften, die den Schritt bereits gewagt hatten. „Die machten mir Mut“, erzählt der Pfleger. „Dennoch blieb die Sprache lange die größte Hürde.“ Am Anfang, als er die erfahrenen Kräfte dann in Oberhausen auf der Station begleiten durfte, habe er nur gelächelt und genickt. „Peinlich, ich verstand wirklich wenig.“

Doch das änderte sich, Velasco lernte von Tag zu Tag dazu. Heute spricht er fließend Deutsch und wohnt bereits in einer eigenen Wohnung in Oberhausen. Er will bleiben, „bis zum Ende“, sagt er lächelnd. Deshalb kommt seine Familie jetzt nach. „Das ist für mich das größte Glück.“ Seine Frau Mary France (33) ist Krankenschwester. „Falls sie bei uns weiterarbeiten möchte, können wir sicherlich etwas machen“, ergreift Wilde da sofort seine Chance. Ray Vincent Velasco ist in seiner neuen Heimat angekommen. Nur die Leichtigkeit der Philippiner fehlt ihm hier. „Bei uns gibt es viele, die kaum Geld haben, aber fast alle sind fröhlich, feiern gerne mit ihren Familien, der Zusammenhalt ist groß.“ In Deutschland werde der Fokus eher auf das gelegt, was nicht funktioniert, viele seien einsam. „Damit machen es sich die Menschen schwerer.“

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Das Gefühl von Einsamkeit wollte Helios in Oberhausen erst gar nicht aufkommen lassen. Wann immer es möglich war, reisten mehrere der inzwischen insgesamt neun Kräfte von den Philippinen gemeinsam an. Im Vorfeld gab es die Gespräche zum Kennenlernen übers Internet. Als erste Anlaufstelle hatte Helios voll ausgestattete Wohnungen vor Ort zur Verfügung gestellt. „Ich brauchte nur meinen Koffer auspacken“, erzählt Velasco rückblickend dankbar.

Christoph Wilde ist Pflegedirektor der Helios St. Elisabeth Klinik Oberhausen und von seinen philippinischen Mitarbeitenden begeistert.
Christoph Wilde ist Pflegedirektor der Helios St. Elisabeth Klinik Oberhausen und von seinen philippinischen Mitarbeitenden begeistert. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Auch deshalb wagte Patricia Anne Reyna wohl ebenfalls den Sprung ins Unbekannte. „Ich bin noch nie zuvor im Ausland gewesen“, erzählt die 28-Jährige. Eine Freundin auf den Philippinen hatte sie zum Deutschkurs mitgenommen. „Der ist bei uns kostenlos.“ Die Freundin fiel bei der Prüfung durch, Reyna aber bestand. Damit war für die gelernte Arzthelferin klar: „Ich gehe nach Deutschland“. Denn auch sie litt längst unter den ewigen Befristungen der Verträge durch ihren Arbeitgeber. Dennoch, der Abschied von ihren Eltern, ihrem Bruder und ihrem Hund sei hart gewesen. Auch der erste Eindruck im August 2021 von Deutschland war ernüchternd: „Ist das kalt hier.“ Die Schnuppertage in der Unfallchirurgie der Helios Klinik Oberhausen dagegen bestätigten für sie: „Ich will bleiben – zumindest, wenn ich später auch meine Abschlussprüfung schaffe.“

Der Helios Konzern hilft den ausländischen Fachkräften auch bei der Beschaffung der notwendigen Arbeits- und Aufenthaltspapiere und meistert dafür so manche Hürde, sagt Wilde. Trotz aller ungeplanten Verzögerungen und Einreisehürden (auch eine vollständige Corona-Impfung ist Pflicht), setzt das Oberhausener Krankenhaus auf weitere Fachkräfte von den Philippinen. „Für unsere Klinik und unsere Patienten sind sie eine echte Bereicherung – insbesondere vor dem Hintergrund der anstehenden Klinikerweiterung durch unseren Neubau.“