Oberhausen. Beispiele in Paris und in Barcelona zeigen: Die Lebensqualität in Wohnquartieren steigt, wenn man flächendeckend Tempo 30 für Autos einführt.
- Die CDU sieht sich als Klimaschutzpartei. Doch den Argumenten der jungen Klimaschutzbewegung folgt die Partei nicht.
- Die CDU will Autofahrer in der Regel nicht behindern oder einschränken. Die Thesen der Oberhausener CDU-Ratsfraktionschefin Simone-Tatjana Stehr: Staus sorgen für mehr Kohlendioxid, fließender Autoverkehr dient dem Klimaschutz
- Aus diesen Gründen lehnt die Oberhausener CDU einen Baustopp fürs staugeplagte Oberhausener Autobahnkreuz oder für neue Straßen ab. Und deshalb soll weiter grundsätzlich Tempo 50 statt Tempo 30 in Nebenstraßen gelten.
Die Oberhausener Christdemokraten trommeln für den umstrittenen Ausbau des Autobahnkreuzes Oberhausen und sind gegen flächendeckendes Tempo 30 in Wohnquartieren und anderen Nebenstraßen – auf den ersten Blick erstaunlicherweise, um den Klimaschutz zu verbessern. Die CDU wirft den Klimaklebern von der „Letzten Generation“ und den Gegnern des Autobahnkreuz-Ausbaus A3/A2/A516 sogar vor, mit ihren Methoden und Forderungen das Gegenteil von dem zu erreichen, was sie anstreben: weniger statt mehr Klimaschutz.
„Unser Einsatz für den Autobahn-Ausbau ist aktiver Klimaschutz. Durch einen Ausbau fließt der Verkehr, der sich heute an vielen Stellen staut. Stehender Verkehr ist für das Klima deutlich belastender als fließender“, sagte Simone-Tatjana Stehr, Vorsitzende der CDU-Ratsfraktion seit 2015, im aktuellen großen Interview mit der Redaktion zum Streit um den Ausbau des Autobahnkreuzes Oberhausen. Dabei müssten 5000 Bäume im Sterkrader Wald gefällt werden.
Die Protestversion der Klimaschützer, sich auf einen Notstand wegen der drohenden Klimakatastrophe zu berufen und sich auf Straßen festzukleben, lehnt die 52-jährige Lehrerin strikt ab. „Das ist eine Straftat, wenn man wichtige Verkehrswege blockiert. Denn auf Straßen fahren nicht nur Menschen in den Urlaub, sondern das sind wichtige Versorgungswege für die ganze Stadt, für das ganze Land – beispielsweise auch für Rettungswagen, die im Notfall dann nicht helfen können.“ Der Klimaschutz werde so überhaupt nicht vorangebracht. „Ich bedauere diese Protestform, weil wir nicht mehr übers Klima reden, sondern über die Methode des Protestes. Ich finde es tragisch, dass das eigentliche Thema genau dadurch in den Hintergrund gerückt ist und sich die Menschen sogar abwenden.“
CDU fordert eine deutliche finanzielle Förderung für Eigenheim-Sanierungen
Die CDU-Politikerin sieht ihre Partei dem Klimaschutz verpflichtet, will dabei aber auf Verbote und auf Einschränkungen für Autofahrer weitgehend verzichten. Die Königshardterin setzt im Kampf gegen den zerstörerischen Klimawandel eher auf Belohnungen statt auf harte Anordnungen von oben.
So fordert Stehr eine deutliche Geldspritze für Hauseigentümer, wenn diese ihre Altbauten aus Klimaschutzgründen sanieren müssen. „Wenn man die Bürger mit neuen Vorschriften für Altbauten überzieht, dann muss man sie auch finanziell unterstützen. Es reicht nicht, einfach zu sagen, da sind Fördermittel zu beantragen, wenn man für das Ausfüllen der Formulare mindestens drei Volkshochschulkurse besucht haben muss.“
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Die Leiterin des Zentrums für schulpraktische Lehrerausbildung in Oberhausen ist mit ihrer insgesamt 19-köpfigen CDU-Ratsfraktion auch nicht bereit, die in Städten übliche Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 Stundenkilometern auf 30 generell abzusenken, wenn dies für Wohn- und Nebenstraßen kommunalrechtlich möglich wäre.
Paris und Barcelona haben bereits vor Jahren großflächige Tempo-30-Zonen eingerichtet, um die Lebensqualität in den Stadtvierteln zu erhöhen – und das Klima durch geringen Schadstoffausstoß der Autos besesr zu schützen. Stehr argumentiert dagegen: „Klimafreundlich ist es, wenn Verkehr fließt und nicht steht. Ich halte nichts von so einer flächendeckenden Tempo-30-Entscheidung, weil es nicht zeitgemäß ist, überall ohne Verkehrsgefahren Tempo 30 zu verordnen. Das behindert den gesamten Verkehr, auch für Fußgänger und Radfahrer. Vor Kitas, Schulen und Altenheimen halte ich Tempo 30 dagegen für sinnvoll und wichtig.“
Kandidatur für den Landtag NRW bisher nicht erfolgreich
Stehr ist 2004 in die CDU eingetreten, weil sie politisch vor Ort etwas für Bürger in Oberhausen bewegen und Politik lebensnah kennenlernen wollte. Bei Landtagswahlen hat sie zwei Mal gegen den SPD-Politiker Stefan Zimkeit als Direktkandidatin im Wahlkreis Oberhausen-Sterkrade/Dinslaken verloren: 2022 und 2017 holte die Deutsch- und Politiklehrerin jeweils rund 30 Prozent der Stimmen. Das reichte für die Mehrheit nicht. Einen aussichtsreichen Platz auf der CDU-Landesliste verpasste Stehr im Vorfeld – und zog deshalb nicht in den Landtag ein.
In der Partei wird ihr nachgesagt, dass sie bei der Bundestagswahl 2025 im Wahlkreis Oberhausen/Dinslaken antreten möchte – gegen den SPD-Bundestagsabgeordneten und hiesigen SPD-Parteichef Dirk Vöpel. Im Hintergrund wird derzeit versucht, Stehr auf einem guten Listenplatz abzusichern. Sprechen darüber will sie derzeit lieber nicht.
Lesen Sie hier auch das ausführliche Wortlaut-Interview mit Simone-Tatjana Stehr: Oberhausener CDU: „Das ist ein gesamtpolitisches Versagen“