Oberhausen. Die Oberhausener Grünen wollen auf den ersten Blick nur mehr Eigenständigkeit der Städte – doch das erkennen die meisten als Tempo-30-Trick.
Wer ist der grünste und größte Klimaschützer im Land? Bereits mit Blick auf die Kommunalwahl und Oberbürgermeisterwahl in zwei Jahren setzen sich die Fraktionen im Oberhausener Stadtrat zunehmend ins Rampenlicht – mit zahlreichen politischen Anträgen zum nachhaltigen und umweltfreundlichen Leben in der Großstadt.
Bei der jüngsten Sitzung des Oberhausener Stadtrates im großen Saal Berlin der Luise-Albertz-Halle überschlugen sich die meisten Lokalpolitiker damit, den Klimaschutz im Kampf gegen die bedrohliche Erderwärmung im Stadtgebiet voranzutreiben – oder wollen es zumindest so erscheinen lassen.
So warf Steffi Opitz, Vorsitzende der achtköpfigen Grünen-Ratsfraktion, den anderen Ratsmitgliedern fehlende Lernbereitschaft vor, weil ihr zum wiederholten Male gestellter Antrag schon wieder keine Mehrheit fand: „Ich dachte, Sie hätten sich weiterentwickelt.“ Denn nur die Linken wollten wie die Grünen, dass Oberhausen am „Wattbewerb“ teilnimmt – dabei geht es in diesem Wettkampf nur darum, welche Stadt wie viel Watt an Photovoltaik verbaut hat. Grünen-Ratsherr Tim Dobnik: „Wir wollen wissen, wie wir im Vergleich zu den Nachbarstädten stehen. Tun wir genug für den Ausbau der Solarenergie?“
CDU zum Watt-Wettbewerb: Das ist reine Daten-Zählerei
Die anderen Ratspolitiker hielten von der Idee allerdings wenig. „Das ist doch nur reine Watt-Zählerei. Irgendwann haben wir sämtliche Kräfte der Stadtverwaltung dazu eingesetzt, Daten zu erfassen und weiterzuleiten. Dadurch kommt doch kein Quadratmeter mehr Solartechnik aufs Dach“, schimpfte CDU-Umweltpolitiker Frank Bandel.
Genauso schüttelten die Christdemokraten den Kopf, weil sich die Grünen nicht erwärmen konnten, der CDU-Idee zuzustimmen, die Stadt solle prüfen, ob man industriell hergestellten Biodiesel aus Fettresten und Speiseöl (HVO100-Kraftstoff) für städtische Fahrzeuge verwenden kann. Denn mit solchen Stoffen, auch E-Fuels genannt, könnte man bewährte Diesel-Verbrennungsmotoren weiterbetreiben. „Grüne stimmen gegen Klimaschutzmaßnahme“, titelte deshalb die CDU-Ratsfraktion ihre Pressemitteilung zu dieser Ablehnung. „Uns zeigt das, wie ideologisch die Grünen unterwegs sind. Allein die Vorstellung, dass das ‚böse‘ Dieselfahrzeug durch einen alternativen Kraftstoff sogar dem Elektrofahrzeug in der Ökobilanz gleichwertig sein könnte, bringt die Grünen um den Schlaf“, wirft Bandel den Grünen vor. Dabei hatte Ratsherr Norbert Axt eine einfache Rechnung aufgemacht: „Ein Auto mit E-Fuels benötigt sechs Mal so viel Strom wie ein E-Auto. Strom muss in Autos rein und nicht in den Treibstoff.“
Oberhausen will eine Photovoltaik-Beratung für Hallendach-Eigentümer einrichten
Beobachtet man solche Wortgefechte, kann man sich kaum vorstellen, dass Grüne und CDU mal ernsthaft die Absicht hatten, nach der letzten Kommunalwahl im September 2020 eine Koalition in Oberhausen zu bilden. Nötig waren die Grünen für die Pflanzendiesel-Prüfung ohnehin nicht: Alle anderen bis auf die dreiköpfige Linken-Fraktion stimmten dafür.
Immerhin stimmten die Grünen mit fast allen anderen (außer AfD) dem CDU-Vorschlag zu, die Stadtspitze solle prüfen, ob die Wirtschaftsförderung eine herstellerunabhängige Beratungsstelle für Photovoltaik-Anlagen einrichten kann: Die Berater sollen aktiv auf Eigentümer von Lager- und Fertigungshallen zugehen und diese über die Chancen von Solarstrom-Anlagen auf ihren Dächern überzeugen. Versöhnlicher gegenüber den Grünen stimmte dieses Ja die CDU-Politiker allerdings nicht.
Viel schwieriger war die Entscheidung über den Grünen-Antrag, Oberhausen möge doch der Initiative von über 560 Städten beitreten, der Bund solle künftig den Kommunen erlauben, selbst über die Tempolimits in ihren Stadtgrenzen zu entscheiden. Tempo 50 abzusenken, ist nämlich bisher nur in Ausnahmefällen den Rathäusern erlaubt – etwa bei unfallträchtigen Orten, vor Schulen und Kitas oder aus Lärmschutzgründen. „Wer kann schon gegen mehr Eigenverantwortung der Städte sein?“, fragte sich offenbar nicht nur Grünen-Ratsherr Tim Dobnik.
Der Zwiespalt der Oberhausener SPD bei Tempo-30-Problemen
Die SPD jedenfalls tat sich intern schwer, eine Haltung dazu zu entwickeln. Denn zu oft mussten die engagierten Bezirkspolitiker in den Bezirksvertretungen vor Ort Wünsche von Anwohnern nach Tempo-30-Zonen aus rechtlichen Gründen zurückweisen. Also mehr Freiheit für die Tempo-Entscheidungen der Städte? Doch allzu klar war offenbar vielen SPD-Ratspolitikern, dass die Grünen hier ein „Trojanisches Pferd“ in den Ratssaal gezogen haben.
Das formulierte SPD-Ratsherr Ulrich Real so: „Wir sind für die Autonomie der Städte, aber dies dient doch hier nur dazu, Tempo 30 auch noch auf allen Hauptverkehrsstraßen durchzudrücken. Das ist ein Diktat und keine Autonomie, deshalb sagen wir Nein.“ Tatsächlich heißt es in der Erklärung der Initiative: „Wir sehen Tempo 30 für den Kraftfahrzeugverkehr auch auf Hauptverkehrsstraßen als integrierten Bestandteil eines nachhaltigen gesamtstädtischen Mobilitätskonzepts.“
CDU-Ratsherr Osmann: Tempo 30 auf Hauptstraßen belastet Pendler
Die 19-köpfige Ratsfraktion der SPD war in diesem Fall einmal mehr die Zunge an der Waage: Ihre Stimmen waren für den Antrag entscheidend. Denn die CDU war ohnehin gegen den Grünen-Antrag. CDU-Ratsherr Denis Osmann: „Tempo 30 ist schon an wichtigen Stellen erlaubt. Wir wollen aber Tempo 30 nicht auf Hauptstraßen, das belastet Pendler, den öffentlichen Nahverkehr und das Handwerk.“ Und AfD-Ratsherr Jörg Lange setzte sich am Rednerpult auch für Busse und Bahnen ein: „Tempo 30 würde flächendeckend den ÖPNV verlangsamen.“ Und so scheiterten die Grünen in der Oberhausener Ratssitzung mit ihrem trickreichen Vorstoß.