Oberhausen. 4000 Nachtschwärmer haben beim Revival von Music Circus, Blue Moon und Old Daddy in Oberhausen ihre Jugend zurückgeholt. So lief die lange Nacht.
Tochter Meira feiert in Rüttenscheid. Dass Mama sie in dieser Sonntagnacht nicht aus dem Tanzclub abholen kann, wird schnell klar. 4000 Ehemalige der verschwundenen Kult-Diskotheken Music Circus Ruhr, Blue Moon und Old Daddy feiern zum Tanz in den Mai in Oberhausen selbst. Wenn schon Revival, dann richtig. An der Tür gilt: Einlass erst ab 34 Jahren!
Auf den Treppenstufe zur Turbinenhalle reihen sich Bierflaschen von Astra und San Miguel aneinander. Sieben Klopferflaschen mit der Geschmacksrichtung Waldmeister stehen daneben. Die ausverkaufte Nostalgie-Party ist im vollen Gange. Der Parkplatz lässt die heutige Sofa-Generation und frühere Sofas-sind-langweilig-Generation die Rituale von damals aufleben. Vorglühen inklusive.
Kult-Diskotheken: Tickets für 80 Euro auf dem Schwarzmarkt
Auf dem Schotter-Parkplatz geht ihnen zum ersten Mal das Herz auf. Die Macher haben zur Elefanten-Hochzeit der früher bitter verfeindeten Disco-Wigwams das getan, was sie vorher eigentlich ausgeschlossen hatten: Es steht ein mit Lichterketten umrahmtes Zelt vor dem Eingang. Überraschung!
Deutlich kleiner ist es als die Originale der späten 1980er- und frühen 1990er-Jahre. Keine Tanzfläche beherbergt die Plane, sondern eine Chill-out-Area mit leichter Musik und einer Leinwand-Live-Übertragung aus der Turbinenhalle. Trotzdem drücken sie Fettflecken auf ihre Handydisplays, um einen Schnappschuss zu schießen. Und sie vertiefen sich in erste Fachsimpeleien: „Hatte das frühere Zelt überhaupt eine Lichterkette?“
Am Aufgang zur Turbinenhalle zücken Gäste ihre Tickets. An der Eingangsschleuse vor den drei Leichtmetall-Kassenhäuschen kleben Mitarbeiter im Akkord Armbänder um Handgelenke. Die Abendkasse können sich die Macher sparen. Eintrittskarten waren vorher nach wenigen Tagen ausverkauft. Die Folge: Privatpersonen boten Tickets (ursprünglich 14 Euro) bei Ebay für 80 Euro an. Sogar Kriminelle versuchten, auf den Revival-Hype aufzusatteln - gefälschte Tickets tauchten auf dem Schwarzmarkt auf.
Das Foyer ist proppenvoll. Dabei hatten die Macher bereits auf das Glaspfand verzichtet und damit eine zentrale Glas-Abgabestelle im wuseligen Eingangsbereich überflüssig gemacht. Es ist wie früher: Erst mal stehen bleiben und orientieren. Von links schallt ein schnurrendes „Won't forget these Days“ (Werde diese Tage nicht vergessen) von Fury in the Slaughterhouse aus der großen Halle 1.
Wer durch das Tor lünkert, sieht eine echte Tanzwand. Wumms! Die Tanzfläche ist proppenvoll. Jeder Millimeter wird konzentriert bespielt - und es ist erst 22 Uhr. Junge Tanzsemester ziehen sich um diese Zeit nicht einmal die Schuhe zum Ausgehen an.
Turbinenhalle: Bunte Luftballons fallen von der Hallendecke
Auf der Bühne stehen Tische und Stühle, wie mit Music Circus Ruhr, der früher an der Lindnerstraße öffnet. Die Tanzfläche verwandelt sich in die Manege. Die obligatorische Zirkus-Bodenbande geht im Tanzmeer aber völlig unter. Ausspannen? Nächstes Wochenende!
Als die Ärzte mit „Westerland“ und „dieser einen Liebe, die nie zu Ende geht“ aus dauerbeschäftigten Boxen schallen, öffnet sich auch ein Fischernetz, das hunderte bunte Luftballons unter der Hallendecke gehalten hat. Stahl und Stein der Turbinenhalle werden plötzlich in den Köpfen zu dicker Kunststoffplane. Der legendäre Music Circus Ruhr ist im Gefühlskino ganz nah.
Mehr als zehn Theken öffnen - und die brauchen sie auch. Dort weiß man früh: „Die Leute sind durstig!“ Sogar Zapf-Automaten, die sechs Gläser auf Knopfdruck befüllen, sind im Einsatz. An einigen Theken reihen sie sich aneinander. An anderen Ecken gibt's das Getränk umgehend. Wandernde Disco-Läufer werden belohnt. Obwohl es voll ist, ist die Atmosphäre unter den Feierfreunden entspannt.
Und was freuen wir uns: Alle Disco-Charaktere haben die Jahrzehnte überdauert. Der Vortänzer, der einen Radius von zwei Metern zu seinem eigenen Zappelreich erklärt, mit Ellenbogen abgesteckt. Der Getränkeholer, der natürlich nie zurückkehren wird. Und wenn doch, mit zu wenig Proviant. Der Scherzkeks, der wirklich jeden mit Handschlag begrüßt, um dem Nachbarn danach zu erklären, die Person nie vorher gesehen zu haben.
Nostalgie: 30 Jahre alte Zelt-Videos strahlen auf Leinwänden
Alle Lederjacken sind wieder da. Spaghetti-Träger-Schönheiten stehen am Absperrgitter und lassen Blicke kreisen. Und Leute sagen: „Lass uns mal 'ne Runde drehen!“ Damit ist die zweite Area gemeint. Im Steffys ist es nicht annähernd leerer. Während in der Haupthalle die Rock-, Pop- und Wave-Hits von damals schallen, spielen sie hier auch Aktuelles. Wahrscheinlich strömen viele Nostalgiker trotzdem hierher, weil sie die Halle noch für den verblichenen T-Club halten. Der innerer Kompass zieht!
Gibt es noch mehr? Klar. Im kleinen Cosmo legen DJs etwas Retro-Techno auf. Im benachbarten Kulttempel blickt DJ Cheesy auf eine randvolle Tanzfläche. Etwas gemächliches Nostalgie-Pogen inbegriffen. Das Old Daddy ist ganz nah.
Wann geht’s für Retro-Tänzer heimwärts? Man ist sich uneinig, während 30 Jahre alte Videos aus der Zeltzeit über die Leinwände flackern. Das Personal hat da eine Ahnung. „Vor fünf Uhr wird das nichts!“ Grandios ist die Party-Nacht allemal.
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Die Zelt-Diskothek Music Circus Ruhr öffnete zwischen 1987 und 1996 an der Lindnerstraße. Das Party-Wigwam Blue Moon (kam beim Revival einig wenig zu kurz) ließ zwischen 1987 und 1993 überwiegend an der Essener Straße tanzen. Das Old Daddy gehörte zwischen 1980 und 1995 an der Finanzstraße zu den Vorreitern der modernen Disco-Kultur in Oberhausen.
Das Revival in der Turbinenhalle besuchten einige Stadt-Bekanntheiten. RWO-Präsident Hajo Sommers, als Mitarbeiter einst vom Music Circus aus dem Druckluft abgeworben, trug Lederjacke. Cover-Sänger Nockes („Nockrock“) kam in zerrissenen Jeans.