Oberhausen. Im fast ausverkauften Ebertbad beweist das Trio beim einzigen „Jazzline“-Konzert in Oberhausen seine Brillanz.

Selbst in seinem letzten Jahr als Intendant des Klavierfestivals Ruhr lässt Franz Xaver Ohnesorg noch Entdeckerstolz mitschwingen, als er im Ebertbad Gerald Clayton ankündigt, „einen immer noch sehr jungen Musiker“. Der 75-jährige Ohnesorg erlebte mit dem überaus gefragten Jazzpianisten bereits seit 14 Jahren „besonders emotionale Abende“ – sei es mit den Big Bands von SWR und WDR oder mit Clayton Sr., den auch im klassischen Metier erfahrenen Kontrabassisten.

Mit ihm und seinem zweiten, gleich zwei Generationen älteren Mentor Charles Lloyd an Saxophon und Flöten, hatte der 38-jährige Gerald Clayton hinreißende Duette auf seinem jüngsten Studioalbum „Bells on Sand“ eingespielt. Und eine Komposition aus diesem raren Jazz-„Konzeptalbum“ über Vergänglichkeit und Verantwortung sollte auch den Abend in Oberhausens kleinkünstlerischer – und ungemein klangschöner – Badeanstalt eröffnen. Sinnigerweise war’s der Titel „Water’s Edge“, als hätte das Trio ihn eigens fürs Spiel am Beckenrand ausgewählt.

Als Blickfang parkte der rote Konzertflügel des Klavierfestival Ruhr auf dem Ebertplatz. Gerald Clayton nahm Platz am schwarzen Steinway des Ebertbades.
Als Blickfang parkte der rote Konzertflügel des Klavierfestival Ruhr auf dem Ebertplatz. Gerald Clayton nahm Platz am schwarzen Steinway des Ebertbades. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Wie am Pool wirkten die drei Top-Musiker ohnehin dank des tiefblau bis aquamarin schimmernden Lichtes. Der freundlich-schüchtern lächelnde Schlaks und seine Mitspieler bedürfen wahrlich keiner Scheinwerfer-Mätzchen, um vom Start weg in kristallklarem Klangbild einen ungemein swingenden Drive zu entfesseln. Ob als Sideman für die Größten des zeitgenössischen Jazz, auf seinen bisher sechs Album unter eigenem Namen – oder eben live: Gerald Clayton agiert stets stilbewusst als unbekümmerter Klassizist. Nie würde er die Schönheit einer Melodie einem grellen Effekt preisgeben.

Singbare Melodien von leuchtender Schönheit

Mit demselben Feinsinn agieren seine Mitspieler. Gregory Hutchinson braucht keine ausholenden Soli, um an seinem goldglänzenden Drumkit zu brillieren: Die hintersinnig-genialen Fills des 52-Jährigen korrespondieren stets aufs Schönste mit dem perlenden Spiel des Bandleaders. In manchen Momenten scheint der Jüngste des Trios, Jermaine Paul am Kontrabass, einfach staunend zuzuschauen. Der Musiker aus Compton, jenem Teil von Los Angeles, der berühmt ist für seine Hip-Hop-Szene und berüchtigt für seine Straßengangs, hatte allerdings immer wieder – auf kleine Fingerzeige Claytons – feine Gelegenheiten, seinen Tieftöner auch in souveränen Soli singen zu lassen.

Apropos singen: Gerald Clayton machte nicht viele Worte vor seinem Publikum, doch den volltönenden Bariton könnte man sich durchaus als geschmeidigen Crooner vorstellen. Tatsächlich folgt er als Komponist der eigenen Devise: „Sing nicht, was du spielst, sondern spiel was du singst.“ Singbare Melodien von leuchtender Schönheit, mal ausformuliert, mal in knappen Zitaten, scheinen in der Musik dieses Trios wie aus dem Füllhorn ausgegossen.

Klavierfestival-Routinier Gerald Clayton kam als 25-Jähriger 2009 erstmals ins Ruhrgebiet – damals noch ohne ein eigenes Album im Portfolio.
Klavierfestival-Routinier Gerald Clayton kam als 25-Jähriger 2009 erstmals ins Ruhrgebiet – damals noch ohne ein eigenes Album im Portfolio. © Gerd WallhornFUNKE Foto Services

Clayton selbst sprach von der „leeren Leinwand“: Er wisse noch nicht, „was wir als nächstes spielen, aber ich hoffe, es gefällt Ihnen.“ So taucht der bald 39-Jährige mal in die Stimmungsmalerei der Spätromantik (wie sie dem „Klassiker“-Publikum des Klavierfestivals besonders gefallen müsste). Mal fädelt er sich aber auch, inspiriert von Hutchinsons Finessen, durch säbelscharfe Synkopen, als würde Thelonious Monk (1917 bis 1982) ihm von seiner Wolke zuflüstern: „Gib dem Swing ein paar Kanten.“

Glückliche Kompositionen aus dem Augenblick

Clayton verehrt zwar den katalanischen Spät-Impressionisten Federico Mompou (1893 bis 1987) und dessen pianistische Miniaturen. Nach dem Glockenklang seines Oeuvres ist das Album „Bells on Sand“ benannt. Doch der Jazz und das „American Songbook“ bleiben für den jungenhaften Pianisten das A und O und die Basis seiner glücklichen Kompositionen aus dem Augenblick. Wer weiß, welchen Feuerzauber dieses Trio vor einem enthusiastischer gestimmten Auditorium entzündet hätte.

Wiedersehen auf der Filmleinwand im Ebertbad

Ein überraschendes Wiedersehen mit Gerald Clayton ermöglicht das Ebertbad am Sonntag, 21. Mai, um 19 Uhr. Dann nämlich zeigt die Badeanstalt am Ebertplatz die vielgelobte Filmdoku „Inside Scofield“ von Joerg Steineck über den wohl weltbesten Jazzgitarristen. Und in dessen Quartett „Combo 66“ besetzt Clayton den Platz an Klavier und Keyboards.

Der Filmabend stimmt ein auf das Solo-Gastspiel des 71-jährigen „Sco“ am Montag, 22. Mai, um 20 Uhr im Ebertbad. Oder er tröstet jene, die bis dahin keine Karten mehr für das Live-Erlebnis ergattern konnten.