Oberhausen. Im Oberhausener Stadtnorden soll eine Wasserstoffleitung durch Schutzgebiete führen. Eine Debatte in Schmachtendorf wurde deswegen emotional.
Für die neue Wasserstoffleitung durch den Oberhausener Norden gibt es noch keine grundstücksscharfe Linienführung. Insofern kann das federführende Unternehmen Open Grid Europe (OGE), ehemals Ruhrgas, derzeit noch nicht sagen, welche Flächen- und Grundstückseigentümer genau betroffen sind. Das hat Projektleiter André Graßmann am Montagabend in Schmachtendorf erklärt, wo der Heimatverein zur Infoveranstaltung ins Hotel Schmachtendorf eingeladen hatte.
Rund 30 Teilnehmer sind zu diesem Infoabend erschienen. Zwei Stunden dauerte die teils sehr emotional geführte Debatte. Mit einem fünfköpfigen Team war OGE vor Ort präsent und untermauerte so den selbst formulierten Anspruch, stets umfassend und und transparent über das im Stadtnorden nicht unumstrittene Vorhaben zu informieren.
Wasserstoffleitung soll 2026 in Betrieb gehen
Die Wasserstoffleitung wird aus Dorsten kommend im Stadtnorden auf Oberhausener Gebiet treffen. Im Zuge des im Dezember 2022 abgeschlossenen Raumordnungsverfahrens ist ein 600 Meter breiter Planungskorridor für den künftigen Leitungsverlauf festgelegt worden. Jetzt wird es im Vorfeld des Planfeststellungsverfahrens, das Anfang 2024 beginnen soll, darum gehen, eine exakte Linienführung zu erstellen und von der Bezirksregierung in der Planfeststellung bis Oktober 2025 genehmigen zu lassen.
So viel steht fest: Das Naturschutzgebiet Im Fort und das Landschaftsschutzgebiet Hühnerheide werden nicht unberührt bleiben, wenn die Trasse voraussichtlich ab Herbst 2025 gebaut wird. Die Leitung hat zwischen Dorsten und Duisburg eine Gesamtlänge von 42 Kilometern, einen Durchmesser von 60 Zentimetern und wird mit mindestens einem Meter Erde überdeckt sein. Der grüne Wasserstoff kommt aus Lingen/Ems. Für Ende 2026 ist die Inbetriebnahme geplant. Größter Abnehmer des grünen Wasserstoffs soll Thyssenkrupp in Duisburg werden, um dort eine Stahlproduktion zu verwirklichen, die das Klima kaum noch schädigt.
OGE verspricht behutsamen Eingriff in sensible Naturräume
Beim Infotreffen des Heimatvereins versprachen die OGE-Fachleute, mit der Natur und den Tieren in den sensiblen Grünbereichen des Oberhausener Nordens möglichst behutsam und rücksichtsvoll umzugehen. Auf Flora, Fauna und Böden werde sorgfältig Rücksicht genommen – mit Hilfe entsprechender Schutzkonzepte und zuvor erstellter Gutachten unabhängiger Experten. Dabei wolle man auch auf das große Wissen der im Stadtnorden tätigen ehrenamtlichen Naturschützer gern zurückgreifen.
Der größte Teil der Debatte verlief sachlich und ruhig. Hubert Filarsky aus Schmachtendorf, der sich bekanntlich sowohl der Natur als auch dem Jagdwesen eng verbunden fühlt, griff die OGE-Vertreter allerdings minutenlang frontal an: „Ich kann überhaupt nicht verstehen, wieso es überhaupt möglich ist, so eine Leitung in einem Naturschutzgebiet zu verlegen“, rief der Schmachtendorfer aufgebracht in den Saal. Filarsky an die Adresse der OGE-Leute: „Sie wühlen sich durch eines der wenigen Naturschutzgebiete, die wir in Oberhausen überhaupt noch haben.“
André Graßmann und sein Team reagierten ruhig auf diese heftig formulierten Vorwürfe. Sie wiesen darauf hin, dass aus ihrer Sicht „keine bleibende, dauerhafte Zerstörung“ der Landschaft stattfinde, und dass man gern die geplante exakte Trasse gemeinsam ablaufen könne, wenn die entsprechende Linienführung vorliege. Im Juni werde es eine Dialogveranstaltung geben, bei der Bürgerinnen und Bürger weitere Fragen stellen könnten. Dann gebe es wohl auch erste Teilabschnitte mit einer exakten Linienführung.
OGE: Alternative Route über Dinslakener Gebiet nicht möglich
Auch Cornelia Schiemanowski vom BUND war am Montagabend in Schmachtendorf präsent und bekundete zunächst einmal, dass sie grundsätzlich für grünen Wasserstoff sei, um eine klimaneutrale Industrieproduktion zu ermöglichen. Und dieser grüne Wasserstoff brauche eben auch Transportleitungen.
Aber auch sie äußerte ihr Unverständnis, dass sich die OGE bislang nicht zu einer von Oberhausener Naturschützern entwickelten Alternativ-Route über Dinslakener Gebiet geäußert habe. Diese Kritik wiesen die OGE-Fachleute zurück. Im Zuge des Raumordnungsverfahrens habe man klargemacht, dass diese Alternativroute nicht infrage komme, weil sie auf Dinslakener Gebiet etwa sensible Wohn- und Gewerbebereiche durchschneiden würde.
Auch ein Landwirt meldete sich zu Wort, der im Stadtnorden größere Flächen bewirtschaftet. „Ich mache mir schon Sorgen um meine Böden, wenn dort die neue Leitung kommt.“ Die OGE-Leute versprachen, mit dem Betroffenen in engem Kontakt zu bleiben. Gegebenenfalls werde es Entschädigungen geben, falls die Erträge konkreter Flächen zurückgehen.
Nach zweistündiger Debatte gab es dann doch ein wenig atmosphärische Entspannung und eine eher positive Schlussbilanz aller Beteiligten, was wohl auch am konstruktiven Auftritt der OGE lag und ihrem merklichen Bemühen um Transparenz und detaillierte Antworten.