Oberhausen. Ein Vater und seine Kinder wurden nachts aus ihrer Unterkunft geholt und abgeschoben. Sie kamen zurück nach Oberhausen – und dürfen nun bleiben.
- Im November 2021 waren der alleinerziehende Vater und seiner vier Kinder nachts aus ihrer Unterkunft in Oberhausen geholt und nach Kroatien abgeschoben worden.
- In Kroatien hatte die Familie zum ersten Mal EU-Boden betreten und musste ihren Asylantrag gemäß Dublin-Abkommen dort stellen. In Kroatien ist die Mutter der vier Kinder auf der Flucht gestorben.
- Nach ihrer Abschiebung ging es der Familie in Kroatien sehr schlecht. Die Fünf machten sich auf den Weg zurück nach Oberhausen, wo sie schließlich die gute Nachricht erreichte: Sie erhalten Flüchtlingsschutz und dürfen in Deutschland bleiben.
- Nun stehen für die Habibis noch einige bürokratische Hürden an. Zum Beispiel die Jobsuche. Abdul Maruf ist Elektriker und möchte gerne wieder in diesem Beruf arbeiten.
- Die Familie sieht in Oberhausen ihre Zukunft. Hier fühlen sie sich zu Hause.
Ihr Fall hatte in Oberhausen für Empörung gesorgt. Mitten in der Nacht war ein alleinerziehender Vater mit seinen vier Kindern aus der Flüchtlingsunterkunft geholt und abgeschoben worden. Doch die Habibis gaben die Hoffnung auf eine Zukunft in Oberhausen nicht auf. Und tatsächlich nahm ihre Geschichte eine positive Wendung.
Die afghanische Familie ist im November 2021 in den frühen Morgenstunden von der Oberhausener Ausländerbehörde und der Polizei aus ihrer Unterkunft an der Bahnstraße geholt und nach Kroatien abgeschoben worden. Dort hatten der Vater und seine vier Kinder – damals auch noch die Mutter, die aber in Kroatien starb – erstmals EU-Boden betreten. Einen Asylantrag mussten sie gemäß Dublin-Abkommen also dort stellen. Aus den Reihen der Politik gab es an dem Vorgehen immense Kritik. Die Stadt habe „unmenschlich“ gehandelt, fand die Linke Liste in Oberhausen. Zudem war der Fall rechtlich kompliziert. Denn die Dublin-Überstellungen wurden während der Corona-Pandemie vorübergehend ausgesetzt und damit verschoben sich die Fristen.
In Kroatien kamen bei der Familie traurige Erinnerungen hoch
In Kroatien war es für die Familie sehr schlimm, erzählt Vater Abdul Maruf Habibi heute. Die zwölfjährige Toba übersetzt. Zu fünft waren sie in einem winzigen, verdreckten Zimmer untergebracht. Sie durften das Gelände zunächst nicht verlassen. Die Kinder durften nicht in die Schule gehen. Dort bleiben wollten die Habibis auf gar keinen Fall. „Meine Mutter ist in Kroatien gestorben“, sagt Toba. „Darum mochte ich es dort gar nicht.“
Sie gaben die Hoffnung auf eine Zukunft in Deutschland nicht auf – und kamen zurück. Obwohl sie hier, in Oberhausen, so schonungslos des Landes verwiesen worden waren. Die positiven Erfahrungen überwiegen jedoch, klärt Inga Kellermann auf, die der Familie Habibi als Flüchtlingsberaterin der Caritas immer zur Seite stand und steht. Und dann kam nach langem Bangen die gute Nachricht: Der Vater und die vier Kinder erhalten die Flüchtlingseigenschaft. Das heißt, sie dürfen in Deutschland bleiben. „Das war bahnbrechend toll“, freut sich Kellermann über den Erfolg. Und auch die Habibis sind erleichtert. „Ich war total aufgeregt und glücklich“, sagt Toba.
Die Familienmitglieder leben zu fünft in einem Zimmer
Toba ist erst zwölf Jahre alt, wirkt aber weitaus älter. Sie übersetzt, hilft im Haushalt, achtet auf ihre Geschwister. Sogar den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge hat sie komplett gelesen. 19 Seiten. Mit zwölf. Nachdem sie Deutschland verlassen musste, war Tobas größte Sorge, zu viel Unterricht in der Schule zu verpassen. Heute muss sie darüber lachen. Denn tatsächlich sei ihre Note in Mathe etwas schlechter geworden, berichtet sie. Aber auch hier wiegen die guten Erlebnisse offenbar mehr: alle Freundinnen und Freunde in der Schule wiederzutreffen und herzlich aufgenommen zu werden.
„Danke an alle, die uns geholfen haben“, spricht Toba für sich und die anderen Familienmitglieder. Während sie erzählt, spielen ihre drei Geschwister leise in einem anderen Bereich des Zimmers, in dem die Familie wohnt. Sie sind zehn, neun und sechs Jahre alt. Der Raum erinnert an eine Jugendherberge. Rechts neben dem Eingang stehen zwei Hochbetten, links gibt es ein kleines Badezimmer. Im hinteren Bereich: noch ein Bett, ein Tisch und eine Küchenzeile mit ein paar Pflanzen. Trostlos könnte es hier aussehen in der Flüchtlingsunterkunft. Doch das kleine Appartement wirkt freundlich und wohnlich.
Auf die Familie warten nun noch ein paar Hürden
Tobas Vater schaut seine Tochter immer wieder mit strahlenden, manchmal fragenden Augen an. Er lernt jeden Tag zwei Stunden Deutsch bei Youtube, erklärt er auf Deutsch. Bald möchte er einen Deutschkurs besuchen, um die Sprache noch besser zu lernen. Der 43-Jährige war Elektriker bei der Armee. Er hofft, in Oberhausen erneut eine Ausbildung in dem Bereich machen zu können. Die Jobsuche – sie ist eine der nächsten Hürden, die für die Familie Habibi ansteht. „Jetzt fängt der Behördendschungel an“, weiß Inga Kellermann. Kindergeld beantragen, Aufenthaltstitel bekommen, Wohnung suchen.
Ihre Heimat Afghanistan ist für die Fünf in weite Ferne gerückt. Die Taliban setzen dort weiterhin ihre Macht durch. Die Situation für Frauen und Mädchen hat sich deutlich verschlechtert: Sie dürfen das Haus kaum noch verlassen, dürfen nicht studieren. Eine Rückkehr können sich die Habibis im Moment nicht vorstellen. „Da geht es gar nicht“, sagt Toba. Dass sie wieder in Oberhausen gelandet sind, macht sie sehr glücklich. Kurzzeitig waren sie in Köln untergebracht. „Da haben wir uns nicht wohlgefühlt“, berichtet Toba. Sie waren froh, als sie wieder in Oberhausen waren. „Hier kennen wir alles. Hier fühlen wir uns zu Hause.“