Oberhausen. Einige Oberhausener halten die Abschiebung der afghanischen Familie für rechtmäßig, andere haben Zweifel. Warum dieser Fall kein einfacher ist.
Dass eine afghanische Familie mit vier jungen Kindern mitten in der Nacht abgeschoben wird, hat in Oberhausen für Empörung gesorgt. Einige Stimmen halten die Abschiebung für rechtmäßig, andere äußern Zweifel. Warum dieser Fall nicht einfach zu entscheiden ist, erklärt der Anwalt der Familie, Hans-Michael Bock.
Kurz nachdem Familie Habibi in Deutschland angekommen war, stellte sich heraus, dass gemäß Dublin-Abkommen Kroatien für das Asylverfahren zuständig ist. Darum sollten der Vater und seine vier Kinder nach Kroatien rücküberstellt werden. Dafür wurde im Januar 2020 eine Frist von sechs Monaten verhängt. „Und dann kam Corona.“ Wegen der Pandemie setzte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im März 2020 Dublin-Überstellungen vorerst aus. „Dann beginnt der große Streit“, sagt Bock. Denn als das Bundesamt im Juni 2021 die Aussetzung widerruft, ist nicht klar, wie die Sechs-Monats-Frist nun zu berechnen ist.
Unklarheiten bei den Fristen zur Rücküberstellung
Laut Bundesamt begann die Frist im Juli dieses Jahres von vorne, die Abschiebung der Familie Habibi Ende November läge also innerhalb des sechsmonatigen Zeitraums. Bock hingegen argumentiert, die Frist hätte entweder bereits im Juni 2020 auslaufen müssen, also als die ursprünglichen sechs Monate vorbei waren. Oder sie hätte im Juli 2021 dort fortgesetzt werden müssen, wo sie im März 2020 unterbrochen worden war. Drei Monate waren demnach noch „übrig“, die im September dieses Jahres abgelaufen wären.
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Das Problem: Ob die Aussetzung, wie sie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angeordnet hat, rechtens war, muss der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheidet. Da bislang aber kein Entschluss vorliegt, war Hans-Michael Bock „überrascht, dass das Bundesamt trotzdem abgeschoben hat“.
Anwalt erfährt erst im Nachhinein von der Abschiebung
Hinzu komme, dass das Bundesamt auf seine Nachfragen bezüglich einer möglichen Abschiebung von Familie Habibi nicht reagiert habe. Darum waren der Vater und seine vier Kinder davon ausgegangen, „dass die Frist abgelaufen ist und sie hier den Asylantrag stellen können“, erläutert Bock. „Darauf hat die Familie gewartet.“ Doch es kam alles anders.
Da ihr Anwalt nichts von der Abschiebung am 29. November 2021 wusste – er erfuhr erst am 2. Dezember davon – kann Familie Habibi sich nur nachträglich gegen die Überstellung wehren. „Drohende Gefahren konnte ich nicht mehr verhindern“, sagt Bock. Beim Verwaltungsgericht Arnsberg hat er einen Antrag gestellt, dass die Familie zurückgeholt wird. Für wie aussichtsreich er diesen Antrag hält? „Da bin ich sehr zögerlich.“ Er vermutet, dass das Verwaltungsgericht die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abwarten wird. „Das wird vielleicht noch dauern.“